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Medizin
Mit einem Cocktail zum universellen Grippeschutz

Forscher sind weiter auf der Suche nach einem universellen Grippeschutz. Auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science in Washington haben sie aktuelle Erkenntnisse vorgestellt. Dabei spielten ein Brokkoli-artiges Protein und ein Cocktail aus Viruskomponenten eine wichtige Rolle.

Von Joachim Budde | 18.02.2019
    Der Impfstoff "Influenza Virus Vaccine"
    Bislang gibt es keinen universellen Grippeschutz, man muss sich jedes Jahr auf ein Neues impfen lassen (dpa / epa / picture-alliance / Erik S. Lesser)
    Wer einen dauerhaft wirksamen Impfstoff gegen das Grippe-Virus entwickeln will, hat ein Problem: Der Erreger ist unglaublich wandlungsfähig, sagt David Baltimore, Biotechnologieprofessor vom Institute of Technology in Pasadena, Kalifornien.
    "Bei der Grippe ist es nie dasselbe Virus von Jahr zu Jahr. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung, und das liegt daran, dass es eigentlich kein Menschen-, sondern ein Vogelvirus ist."
    Das Grippevirus ist eine Kugel, auf deren Oberfläche ein Wald von Proteinen steht, die wie Brokkoli aussehen. Die Köpfe dieser Hämagglutinin-Proteine sind besonders wichtig, denn über sie dockt der Erreger an die menschlichen Zellen an. Sie unterscheiden sich stark zwischen einzelnen Virus-Subtypen. Und vor allem gegen sie richtet das Immunsystem seine Antikörper. Fatalerweise sind es wiederum die Köpfe des Hämagglutinin-Proteins, die das Virus rasant verändern kann. Ein neuer Ansatz muss also an anderer Stelle ansetzen, sagt Anthony Fauci, Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten in Bethesda, Maryland.
    "Der Trick ist, den Körper dazu zu bringen, eine Immunantwort gegen eine Stelle des Virus herzustellen, die das Immunsystem nicht ohne Weiteres herstellt."
    Auf dem Weg zum universellen Grippeschutz
    Damit wäre man einem universellen Grippeimpfstoff einen erheblichen Schritt näher. Das Wissen über mögliche Stellen ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, sagt Gary Nabel, leitender Wissenschaftler des Pharmaherstellers Sanofi USA in Cambridge, Massachusetts:
    "Vor zehn Jahren wussten wir nur vage welche Antikörper welche Virusstrukturen erkennen. Heute kennen wir sie mit bemerkenswerter Präzision bis hinunter auf die atomare Ebene."
    Die Forscher haben Regionen auf dem Stiel des brokkoli-artigen Hämagglutinin-Proteins identifiziert, die über Jahre gleichbleiben und sogar zwischen Virusstämmen identisch sind – die perfekten spunkte. Gleich mehrere Gruppen haben ihre Impfstoffe gegen diese Stellen gerichtet. Andere zielen auf Bindestellen im Innern des Virus ab, sagt Anthony Fauci.
    "Ein anderer Ansatz, der zu funktionieren scheint, ist einen Cocktail aus Viruskomponenten verschiedener Erregerstämme herzustellen. Eine Gruppe präsentiert dem Immunsystem neun Peptide und bringt es zu einer Immunantwort, die tatsächlich viele Virusstämme abdeckt."
    In Versuchen an Mäusen und Frettchen haben diese Impfstoffe vielversprechende Immunreaktionen hervorgerufen. Darum sind in den letzten Monaten klinische Studien am Menschen angelaufen. Aber:
    "Es ist unmöglich, jetzt schon etwas über den Ausgang dieser Tests zu sagen. Ich wäre außerordentlich überrascht, wenn wir in weniger als fünf Jahren größere Fortschritte erzielen würden."
    Kleine Schritte können große Veränderungen bringen
    Darum müsse es weitere Anstrengungen geben, den herkömmlichen saisonalen Impfstoff zu verbessern. Inzwischen ist zum Beispiel bekannt, dass die Impfung bei Menschen über 65 besser wirkt, wenn sie höher dosiert ist. Schon solche Veränderungen können enorme Auswirkungen haben, sagt Nancy Messonnier, die bei der amerikanischen Seuchenkontrollbehörde CDC zuständig für Impfungen ist:
    "Selbst wenn wir die Wirksamkeit der Impfung nur um fünf Prozentpunkte erhöhen, verhindern wir in den USA hunderttausende Erkrankungen und zehntausende Aufnahmen ins Krankenhaus."
    Es braucht nicht der Riesensprung zu sein, auch kleine Schritte können große Verbesserungen bringen.