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Medizin
Ultraschall gegen Alzheimer

Australische Forscher erproben im Tierversuch einen neuen Weg, Eiweißablagerungen im Gehirn zu beseitigen, wie sie bei Alzheimer typisch sind. Dabei setzen sie Ultraschall ein, um kleine Luftbläschen an der Blut-Hirn-Schranke vorbei ins Gehirn zu bringen. Der Körper entfernte diese Bläschen - und zugleich auch Teile der Ablagerungen.

Von Volkart Wildermuth | 12.03.2015
    Am Anfang ist der Schlüssel nicht da, wo er sein soll, sind Namen einfach weg, dann bleibt der Herd an und man weiß nicht mehr wie man im Nachthemd auf die Straße gekommen ist, am Ende sind die eigenen Kinder Fremde und das Ich verblast. Die Ursache hinter dem Gedächtnisverlust bei der Alzheimer-Demenz sind Ablagerungen im Gehirn. Zwischen den Nerven sammeln sich Amyloid-Plaques an und im Zellinneren die Tau-Fasern. Die Plaques entstehen zuerst und stören die Kommunikation der Nerven, später töten die Fasern die Zellen ab.
    In genetisch veränderten Mäusen lässt sich der erste Prozess, die Bildung der Plaques nachstellen. Der Alzheimerforscher Jürgen Götz vom Queensland Brain Institut im australischen Brisbane nutzt sie, um neue Behandlungsstrategien zu erproben. Die erste Hürde ist dabei die Blut-Hirn-Schranke, die die meisten Medikamente nicht durchqueren können. Jürgen Götz erprobt man deshalb ein neues Ultraschallverfahren:
    "Wenn wir einen Ultraschallimpuls geben, dann zielt der nur auf einen Millimeter-großen Fleck. Also haben wir das Gerät im Zickzack in winzigen Schritten weiterbewegt. Die Maus hat ein kleines Gehirn, das konnten wir in wenigen Minuten komplett behandeln."
    Störende Luftbläschen
    Vorher hatten die Forscher den Mäusen Mikrobläschen injiziert. Das sind im Grund stabilisierte Luftbläschen die sich mit dem Blutstrom im ganzen Körper und auch im Gehirn verteilen. Durch den Ultraschall werden sie in Schwingung versetzt und diese mechanische Störung öffnet die Blut-Hirn-Schranke.
    "Stoffe aus dem Blut gelangen vorübergehend ins Gehirn und dort aktivieren sie irgendwie die Mikroglia, die Zellen der Müllabfuhr des Gehirns. Und die fressen und verdauen die Amyloid-Ablagerungen."
    Es brauchte also gar keine spezifischen Medikamente. Die Ultraschallbehandlung selbst sorgte für eine Störung im Gehirngewebe und bei deren Beseitigung verschwanden auch große Teile der schädlichen Ablagerungen. Das gelang nicht bei allen Mäusen, und es bleiben auch Amyloid-Plaques zurück. Aber der Effekt ist groß genug, um die Gedächtnisleistung der Mäuse zu verbessern. Das zeigen Tests vor und nach der Ultraschallbehandlung.
    "Wir haben die Alzheimermäuse über sechs bis acht Wochen mit Ultraschall behandelt und konnten so ihre Gedächtnisleistung auf das Niveau von gesunden Tieren anheben. Das ist bemerkenswert."
    Die Mäuse lernen schneller, einen unangenehmen Elektroimpuls an die Pfote zu vermeiden, erkunden neue Umgebungen systematischer und erinnern sich besser an bekannte Objekte. Nebenwirkungen der Ultraschallbehandlung scheint es nicht zu geben. Deshalb will Jürgen Götz den nächsten Schritt gehen und seine Technik an Schafen erproben. Deren Gehirn ist deutlich größer und durch einen dickeren Schädel geschützt. Da braucht es leistungsstärkere Ultraschallgeräte und neue Einsatzstrategien, die zum Beispiel dünnere Stellen des Schädelknochens ausnutzen. Studien am Schaf können praktische Probleme klären helfen.
    Studien am Menschen noch in weiter Ferne
    Die größte Unsicherheit bei dem neuen Verfahren bleibt, dass eine Alzheimermaus eben kein Patient ist und nur einen Teil der Krankheitsprozesse zeigt. Am Ende aber können nur klinische Studien zeigen, welchen Stellenwert der Ultraschall einmal in der Alzheimer-Therapie einnehmen wird - und die sind noch viele Jahre entfernt. Jürgen Götz hofft aber, durch die Kombination des Ultraschalleffekts mit Medikamenten, die dann durch die löchrige Blut-Hirn-Schranke gelangen, relevante Fortschritte zu erreichen. Solche Kombinationen verschiedenen Therapieansätze sind in der Krebstherapie ja schon lange Standard.
    "Ich glaube, auch bei Alzheimer und anderen neurodegenerativen Krankheiten wird man so Behandlungsformen kombinieren, nehmen, was immer funktioniert."