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Mediziner-Ausbildung
Das Aus für den Präp-Kurs?

In Bochum haben Medizinstudenten ihrem Rektor einen offenen Brief übergeben. Sie sind verärgert, weil Ihnen ein wichtiger Teil im Studium fehlt: der Präparierkurs in der Anatomie. Der Grund: Der Grenzwert für den Stoff Formaldehyd ist von der EU herabgesetzt worden. In den Präparationsräumen ist die Konzentration nun zu hoch.

Von Hilde Braun | 27.06.2016
    Skalpell vor dem Hintergrund weiterer Operationswerkzeuge
    Die Bochumer Studierenden wollen auf ihren Präparierkurs nicht verzichten. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    "Ich müsste nicht unbedingt eine Leiche aufschneiden, aber ich weiß, dass es sehr gut für meine berufliche Zukunft ist und dass in diesem Kurs Dinge vermittelt werden können, die sonst nicht vermittelt werden können. Und deswegen ist es für mich trotzdem wichtig, diesen Kurs machen zu können, obwohl ich einen großen Respekt vor diesen Menschen habe, die da ihren Körper spenden und uns geben."
    Mareike Kraus ist im zweiten Semester ihres Medizinstudiums. Seit November des vergangenen Jahres ist der Präparierraum in Bochum geschlossen. Die Studierenden bekommen zwar die Theorie vermittelt und arbeiten an Kunststoffmodellen. Für sie und ihren Kommilitonen Uttban Gohman ist das aber keine Lösung:
    "Die Bücher sind zwar alle schön und gut und das ist gut dargestellt, aber das wirklich gesehen zu haben ist etwas ganz anders und macht einen ganz anderen Eindruck. Selbst die Modelle sind halt nicht wirklich die Realität. Und für eine gute Ausbildung, für ein gutes Verständnis bin ich halt doch der Meinung, dass wir das schon mal gemacht haben sollten."
    Doch das ist nicht möglich, weil die Konzentration des Konserviermittels Formaldehyd in der Luft des Präparierraums über den neu vorgegebenen Grenzwerten liegt. Das haben Messungen ergeben. Ein Umbau sei erforderlich, sagt das Rektorat. Da der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes aber Eigentümer der Räumlichkeiten ist, müssen jegliche Umbauten mit ihm abgesprochen und genehmigt werden. Doch da stockt es, beklagt Max Josten, Mitglied des Fachschaftsrates der Medizin:
    "Das ist eine Sache, die das Land und die Uni schnellstens zu klären haben. Das ist ein Konflikt, der nicht auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen werden soll. Das dadurch ganz klar wird, wer der Zuständige ist und wer jetzt in möglichst kurzer Zeit entsprechende Maßnahmen verantwortet."
    "Wir prüfen zur Zeit einen Vorschlag mit absaugenden Tischen"
    An anderen Hochschulen wurde das Problem anders gelöst, es wurden neue Räume gefunden oder mobile Lüftungsanlagen eingebaut, teilweise werden auch andere Zusammensetzungen des Konservierungsstoffes genutzt. Rektor Axel Schölmerich verweist aber auf die besondere Situation der Hochschule in Bochum:
    "Also die ist 50 Jahre, man muss die Gebäude vom Keller bis zum Dachgeschoss aufbrechen und das ist eine Baumaßnahme, die schätzungsweise drei bis vier Millionen Euro kostet und das ist ein Projekt was einen gewissen Vorlauf hat."
    Eine langfristige Lösung, die aber noch nicht in Auftrag gegeben wurde. Für die jetzt eingeschriebenen Studierenden käme sie sowieso zu spät. Sie fordern eine Zwischenlösung. Daran werde gearbeitet."
    "Wir prüfen zur Zeit einen Vorschlag mit absaugenden Tischen, diese gibt es, sie sind allerdings schwer lieferbar, weil die Nachfrage, wie man sich vorstellen kann, sehr groß ist, aber wir bekommen jetzt ein Exemplar eines solchen Tisches geliehen und werden damit dann Versuche anstellen und gucken, ob wir mit dieser Technik auch in den existierenden Sälen wieder zu einem geregelten Präparierkurs kommen können."
    Auch gab es die Überlegung, den Kurs für Bochumer Studierende an anderen Hochschulen anzubieten, wie zum Beispiel an einer der Nachbarunis in Duisburg, Essen, Düsseldorf oder Witten, die auch ein Medizinstudium anbieten. Das scheitert nach Aussage des Rektors aber an der Masse der Studierenden in Bochum – über 300 Mediziner sind hier eingeschrieben. Aber:
    "Wir gehen jetzt im Augenblick davon aus, dass wir spätestens zum Sommersemester '17 wieder diese Kurse anbieten können."
    Den Studierenden reicht das nicht, sie wollen eine schnellere Lösung und auch langfristige Zusagen. Der offene Brief soll dabei helfen, erklärt Max Josten:
    "Ich glaube, dass der Brief zumindest ein Bewusstsein schaffen wird, dass der Brief politischen Druck schaffen wird und dass Umbaumaßnahmen schneller erfolgen, als dass sie verzögert werden."
    Das hofft auch Mareike Kraus. Sie hat sich vor zwei Semestern bewusst für die Ruhruniversität in Bochum entschieden. Jetzt hat sie gemischte Gefühle:
    "Wenn ich ehrlich bin, wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mich für eine andere Uni entschieden.Und ich denke, dass es daher sehr wichtig ist, dass wir diesen Kurs wieder einführen können, damit der Ruf der Ruhruniversität nicht weiter geschädigt wird."