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Medizinische Tricks dem Wurm abgeschaut

Medizin. - Parasiten leben auf Kosten eines möglicherweise sogar ahnungslosen Gastgebers. Weil dieser Wirt den Schmarotzern Lebensraum und Nahrung zum Nulltarif verschafft, schonen die ungebetenen Gäste ihren Träger so lange es geht. Um nicht aufzufallen, umgehen sie daher mit allerlei Kniffen das Immunsystem. Diese Tricks möchten Berliner Mediziner zukünftig einsetzen, um auch Ersatzorgane nach Verpflanzungen vor der unerwünschten Abstoßung zu schützen.

    Der Malariaerreger ist ein Meister der Tarnung - immer wieder ändert er sein Erscheinungsbild und benutzt dazu quasi eine molekulare Tarnkappe. Erfolgreich verhindert das Bakterium so, dass es erkannt und von den Abwehrzellen angegriffen wird. Andere Parasiten geben sich weniger Mühe, um nicht aufzufallen, verstehen sich aber dafür besonders gut darauf, die Abwehrmaßnahmen des Wirtes auszuschalten. So bleiben etwa typische Infektionen, die beim Befall durch Keime auftreten, aus und verschaffen dem Parasit die Sicherheit für sein Überleben. Der Wirt aber wird durch den unerwünschten Eindringling ständig geschwächt.

    Was dem Krankheitserreger recht ist, kann Medizinern mitunter billig sein. So versucht Professor Richard Lucius von der Molekularen Parasitologie an der Humboldt-Universität Berlin, solche Tricks für die Transplantationsmedizin nutzbar zu machen: "Parasiten können das Immunsystem so manipulieren, dass es sich verhält wie normalerweise nur in Ausnahmesituationen, etwa wie bei einer Schwangerschaft. Auch dabei muss ja verhindert werden, dass der mütterliche Körper den relativ fremden Fötus abstößt." Inzwischen seien einige der Produkte, die die Keime zu diesem Zweck einsetzen, exakt auf molekularer Ebene bekannt. Darunter seien auch entzündungshemmende Substanzen, die jene gefürchteten Abstoßungsreaktionen des Wirtes auf Transplantate unterdrücken könnten. Dass der hochentwickelte Wirt und der vergleichsweise primitive Keim in dieser Hinsicht die gleiche Sprache sprechen, ist indes kein Zufall: "Beide Organismen entwickelten solche Botenstoffe, so genannte Zytokine, aus gleichen Vorläufergenen und zu ähnlichen Zwecken. Daher kann das Bakterium überhaupt für den Wirt verständliche Signale abgeben", erläutert Lucius.

    "Kennen wir die Tricks, mit denen Eindringlinge falsche Reaktionen des Abwehrsystems provozieren, können wir diese Methoden nutzen, um verpflanzte Organe, die ja letztlich auch körperfremde Gewebe darstellen, vor dem Immunsystem des Körpers zu schützen", hofft der Parasitologe. So könnten über Viren die genetischen Informationen für bestimmte Zytokine in die Zellen des gespendeten Organs überführt werden, das so lernt, das Immunsystem quasi zu beschwichtigen.

    [Quelle: Ellen Norten]