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Meeresschutzzentrum in Kambodscha
Kampf gegen Plastikmüll und Artensterben

Auf einer kleinen Insel im Golf von Thailand macht das kambodschanische Meereskonservierungszentrum seine Arbeit. 60 Kilogramm Plastikmüll müssen täglich von den Küsten geholt werden. Mit Hilfe künstlicher Riffs werden Korallen neu angesiedelt. Delfine bekommen Schutzräume.

Von Michael Stang | 29.08.2018
    Zwei Delfine schwimmen im Meer.
    Drei Delfin-Arten leben in Küstennähe der Insel Koh Seh im Golf von Thailand: der Irawadi Delfin, der Chinesische Weiße Delfin und der Glattschweinswa (AFP / Ryan Nakashima)
    Wer sich auf den Weg zum Marine Conservation Center machen möchte, benötigt ein schnelles Boot, denn die kleine Insel Koh Seh im Golf von Thailand ist knappe zehn Kilometer vom kambodschanischen Festland entfernt. Am Steg der Insel wartet Direktor Paul Ferber mit freiem Oberkörper, den Neoprenanzug bis zur Hüfte hinabgestreift. Er grinst bei der Begrüßung, weiß er doch um den paradiesischen Eindruck, den sein Arbeitsplatz auf den ersten Blick vermittelt. Doch die Idylle trügt.
    "Wir stehen jetzt direkt am Strand, und wie man sieht, liegt da vorne eine Kunststoffflasche, Polystyrol, dort eine Blechdose, obwohl wir den Strand vergangene Nacht gesäubert haben. Das Zeug wurde erst heute angeschwemmt. Dort, die nächste Flasche, und direkt hinter ihnen der Berg dort – alles frisch gewachsenes Seegras, das ein Trawler illegal die Woche abgerissen hat."
    Jeden Tag werden hier rund 60 Kilogramm Plastikmüll angeschwemmt – meist Trinkhalme und Shampoo-Flaschen, eine Beinprothese war auch schon einmal dabei.
    Fangnetze machen Meeresboden zur Wüste
    Seit 2015 lebt und arbeitet der Brite auf der Insel, die man in rund 40 Minuten zu Fuß umrunden kann. Hier hat er das Meeresschutz-Zentrum aufgebaut, eine offiziell anerkannte Nicht-Regierungsorganisation. Paul Ferber zeigt auf ein Fischernetz.
    "Laut kambodschanischem Gesetz muss die Maschengröße bei mindestens einem Zentimeter liegen. Dieses Netz stammt von einem vietnamesischen Boot. Die Größe liegt bei, na ja etwa 0,8 Zentimeter, ist also bereits illegal. Das Netz wird über den Boden geschleppt, und sobald da Zug drauf ist, zieht sich alles zusammen und nichts kann mehr entkommen. Also selbst bei Maschengrößen von einem Zentimeter gibt es keine Lücken mehr, wenn sich die Maschen zusammen ziehen."

    Zu Beginn sei der Meeresboden wie eine Wüste gewesen. Keine Korallen mehr, nichts. Um wieder ein funktionierendes Ökosystem entstehen zu lassen, bauen der Naturschützer und seine Kollegen künstliche Riffe.
    "Die Betonblöcke, die wir dafür täglich herstellen, sehen aus wie Bahnschwellen. Die großen von ihnen, anderthalb Meter lang, wiegen 150 Kilogramm."
    Künstliche Riffe aus Beton
    Ein Riff, meist ein Sechseck gebaut aus diesen Blöcken, wiegt rund drei Tonnen. Kürzlich haben die Umweltschützer die Erlaubnis erhalten, mehr als 100 dieser Riffe zu bauen. Die ersten sind schon mit Austern und Seepocken bewachsen. Langsam kommt das Leben zurück. Paul Ferber wuchtet ein gewaltiges Dreieck hoch, das am Strand liegt – Baumstämme, die mit einem weitmaschigen Netz aus groben Seilen verbunden sind.
    "Wenn die Betonblöcke am Meeresboden liegen, befestigen wir dieses Ding hier mit großen Seilen daran, das ist eine Art Abdeckung, die über dem künstlichen Riff im Wasser schwebt und Schatten spendet. Die jungen Fische fühlen sich sicher und die Tintenfisch können ihre Eier ablegen."
    Paul Ferbers Team besteht mittlerweile nicht mehr nur aus freiwilligen Helfern, Tauchlehrern und Mitarbeitern, die die lokale Bevölkerung über Dinge wie Umweltschutz aufklären. Die Forschung nimmt einen immer größeren Platz ein. Seit 2017 leitet die Meeresbiologin Sarah Tubbs hier ein Projekt, das sich den Säugetieren im Meer widmet. Von diesen, so die Erzählungen der lokalen Fischer, habe es früher unzählige gegeben.
    "Vor 30 Jahren gab es hier noch so viele Delfine, dass es fast beängstigend gewesen sei. In den vergangenen fünf Jahren hätten sie aber keinen einzigen mehr gesehen."
    Die Delfine finden nicht mehr genügend Futter.
    "Ziel des Meeressäugerprojekts ist, dass wir Daten erheben, wie viele Tiere wo leben, und wie sich die Delfine verhalten. Anhand dieser Daten können wir Lebensräume ausmachen, wo sie fressen, ihren Nachwuchs bekommen und aufziehen. Das übertragen wir auf Karten und übergeben sie der Regierung, um diese Bereiche zu Schutzzonen zu machen."
    Mehrere Delfin-Arten heimisch
    So zumindest die Theorie. In den vergangenen Monaten wurden mehrfach tote Delfine angeschwemmt. Einige sind vermutlich als Beifang in Fischernetze geraten und erstickt.
    Untersuchungen an den Kadavern zeigten, dass die Delfine keinen Plastikmüll im Magen hatten. Zumindest das sei ein gutes Zeichen, so Sarah Tubbs.
    "Grundsätzlich leben hier drei Arten in Küstennähe: der Irawadi Delfin, der Chinesische Weiße Delfin und der Glattschweinswal. Bevor ich hierher kam, dachte ich, dass alle drei hier heimisch sind, aber wir konnten immer nur Irawadi Delfine beobachten. Im Februar haben wir ein Unterwasser-Mikrofon eingesetzt und vor zwei Wochen kamen die Daten. Die Analyse zeigt – es gibt doch noch mehr Arten."
    Welche das sind, will die Meeresbiologin noch nicht verraten, die Ergebnisse sollen zuerst in einem wissenschaftlichen Fachmagazin beschrieben werden. Offiziell bekannt ist nur, dass es offenbar noch gesunde Populationen von Irawadi Delfinen gibt, mehr als 30 erwachsene Tiere hätten sie bereits identifizieren können.