Archiv


Meeresumweltschutz in Nord- und Ostsee

Fast ein Vierteljahrhundert ist es her, dass ein fundiertes Gutachten über den ökologischen Zustand der Nordsee verfasst wurde, den Sachverständigenrat für Umweltfragen gab es 1980 noch nicht – "Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee" heißt das neue Gutachten des siebenköpfigen Gremiums, dessen Aufgabe die Beratung der Bundesregierung ist. Auf 220 Seiten hat man die Probleme und auch mögliche Lösungsansätze zusammengetragen. In Teilbereichen hat sich die Lage der Meere seit 1980 sogar verbessert, doch von Entwarnung kann deshalb noch keine Rede sein, so Hans-Joachim Koch, der Vorsitzende des Umweltrates.

Dieter Nürnberger |
    Insbesondere im Bereich der früher stark eingeleiteten Schwermetalle – Kadmium, Quecksilber – hat sich die Situation der Einleitung deutlich verbessert. Obwohl die Stoffe weiterhin in den Sedimenten der Meere vorhanden sind. Auch bei den Nährstoffeinträgen konnten Verbesserungen erreicht werden. Die führen zu Sauerstoffmangel in den Gewässern – doch da haben wir unsere Ziele dennoch deutlich verfehlt. Bei den gefährlichen Stoffen sind auch neue hinzugekommen. Etwa toxische Stoffe – insbesondere aus dem Bereich der Pflanzenschutzmittel. Da haben wir deutlich stärkere Probleme in den Meeren.

    Die fünf Hauptprobleme heißen Überfischung, Schadstoff-Einleitung, Nährstoffüberschuss, Schifffahrt und Verschiedenes. Unter letzteres fällt beispielsweise der Tourismus, die militärische Nutzung, der Meeresbergbau oder auch die Offshore-Windkraftnutzung auf hoher See. Beim Fischfang, so der Sachverständigenrat, seien die Probleme und auch die Lösungen längst bekannt, doch die zuständigen internationalen Gremien versagten weiterhin. So müsste man etwa den Kabeljau-Fischfang eigentlich einstellen, doch auch Fangquoten würden nichts nützen.

    Diese Fangquoten werden seit Jahren bewusst und auch zu hoch festgesetzt. Das führt zu einer bedrohlichen Überfischung. Die Europäische Union hat allerdings ihre Ziele immer stärker an einer vernünftigen Bestandserhaltung orientiert. Allein die Praxis sieht anders aus. Und hier muss die Bundesregierung den Finger in die Wunde legen, obwohl die Bundesregierung in dem Feld kein besonders starker Akteur ist. Denn wir sind nur noch sehr gering an der Fischerei beteiligt.

    Mehr als ein Dutzend Anrainerstaaten an Nord- und Ostsee verursachen die Probleme. Wobei insbesondere die Ostsee als mehr oder weniger geschlossenes Meer im Blickpunkt der Umweltexperten gerät. Auch hier müsse man europäisch denken, so die Wissenschaftler. Die Landwirtschaft ist inzwischen zu zwei Dritteln der Hauptverursacher bei der Stickstoffeinleitung in die Meere. Die Flüsse transportieren solche Düngstoffe direkt in die Nord- und Ostssee. Doch solange die europäische Agrarpolitik überwiegend Ertragsmengen subventioniere, sei kein Gegensteuern möglich, so der Sachverständige Hans-Joachim Koch.

    Wer eine solche Landwirtschaftspolitik macht, hat keine Chance, den Eintrag der Nähstoffe zu reduzieren. Weil er die Bauern geradezu animiert, eine solche Art der Landwirtschaft zu betreiben. Deshalb gilt: Nur ein prinzipieller Wandel, der auch aus vielen anderen Gründen notwendig ist, wird an der Eutrophierung der Nord- und Ostsee etwas ändern können.

    Eine Möglichkeit zur Linderung sei die Anwendung der europäischen Düngeverordnung auch auf Küsten- und Meeresgewässer. Oder auch eine Stickstoff-Überschuss-Abgabe. Bei der Schifffahrt stehen möglichen Havarien nicht zu sehr im Brennpunkt, es ist eher der Alltag des Fahrbetriebs, der Probleme bereitet.

    Obwohl Öleinleitungen nach internationalem Recht längst verboten sind, können wir auf einer Karte der Nordsee sehen, dass dies dennoch an der Tagesordnung ist. Hier fehlt es am Vollzug. Wir glauben, dass nur eine europäische Überwachungsbehörde, die nötige Durchsetzungskraft entwickeln könnte, um die ständige und rechtswidrige Einleitung von Öl und anderen Rückständen aus dem Schiffsbetrieb zu unterbinden. Der zweite Punkt sind die Treibstoffe. Man muss klar sagen, dass die Schiffe nicht etwa mit einem ordentlichen Dieselöl fahren, sondern mit Rückständen aus der Ölwirtschaft. Die sind so belastet, dass sie beispielsweise im Straßenverkehr nicht zum Einsatz kommen.

    Viele Lösungsansätze sind somit seit längerem bekannt, es fehlt jedoch an der internationalen oder globalen Umsetzung. Eine wesentliche Empfehlung des Sachverständigenrats lautet deshalb mehr Zentralismus. Klare Regelungen, die nicht zwischen den deutschen Bundesländern und auch nicht innerhalb Europas durch Interessenkollisionen sozusagen verwässert werden.