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Mehr als bloß Action

John Frankenheimer gehörte zur ersten Riege der Hollywoodregisseure. Trotzdem war seine Karriere von Höhen und Tiefen geprägt. Mit dem Kino tat sich der in den 50er-Jahren gefeierte TV-Regisseur ein wenig schwer. Er drehte mit "Botschafter der Angst" den ersten Film über die McCarthy-Ära, den John F. Kennedy über alles schätzte.

Von Marli Feldvoß | 19.02.2010
    Der Name John Frankenheimer steht für eine Blitzkarriere in den frühen 60er-Jahren, in denen sieben unvergessliche Hollywoodfilme entstanden – ein Sonderfall im amerikanischen Kino. Sein erster Wurf war "The Young Savages" mit dem jungen Burt Lancaster, mit dem er fünf Filme drehen sollte. Frankenheimer traf von Anfang an den Nerv der Zeit, bewies ein Gespür für die komplizierte Struktur sozialer Verhältnisse und für die Psychologie seiner oft ins Abseits geratenen Helden. "Bird Man of Alcatraz", ebenfalls mit Lancaster in der Hauptrolle, galt als bester Gefängnisfilm, der je gedreht wurde.

    Höhepunkt seines Schaffens wurde – ebenfalls 1962 – "The Manchurian Candidate" mit Frank Sinatra und Laurence Harvey in den Hauptrollen. Zunächst kein Kassenschlager und kein eindeutiger Kritikererfolg – seine Bedeutung als Schlüsselfilm stellte sich erst über die Jahre ein. Der äußere Schauplatz war der Koreakrieg 1952, der innere die McCarthy-Ära.

    "Eine Frage Senator Iselin: Können Sie mir die genaue Zahl noch einmal bestätigen. Wie viele Kommunisten stehen auf Ihrer Liste?"
    "Das habe ich doch vorhin schon gesagt. Es ist absolut sicher, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt 104 eingeschriebene Kommunisten im Verteidigungsministerium sind." "Wie viele genau ?" "275. Und das ist wirklich alles, was ich zu diesem Thema zu sagen habe."

    "The Manchurian Candidate" (Botschafter der Angst) stellte seine mörderischen Verschwörungstheorien vor die Kulisse des Kalten Krieges, prangerte KGB und Gehirnwäsche an, zielte mit der Karikatur des Kommunistenjägers und Präsidentschaftskandidaten Iselin jedoch auf das Innenleben Amerikas. Das Attentat im Film nahm die politischen Ereignisse vorweg. Die Morde an John F. Kennedy und seinem Bruder Robert, einem engen Freund des Regisseurs. Frankenheimer griff das Thema noch einmal 1997 auf mit der preisgekrönten TV-Produktion über "George Wallace", Südstaaten-Senator und Präsidentschaftsanwärter.

    "In jenen tragischen Tagen der Kennedy-Morde und der ersten Rassen-Unruhen unter Wallace in Alabama, bangte ich um Amerika und litt unter tiefen Depressionen. Als ich für den 'Wallace-Film' im Hotel Ambassador in Los Angeles drehte, holten mich die Erinnerungen an die tragischen Ereignisse ein, als ich dort mit Bobby Kennedy war. Verglichen mit den 60ern hat Amerika heute erhebliche Fortschritte gemacht."

    Mitte der 60er-Jahre wurden Frankenheimers Filme zunehmend dunkler und pessimistischer, was später mit einem neurotischen Charakterzug erklärt wurde. Die guten Angebote und Kritiken blieben aus. Doch der am 19. Februar 1930 in New York als Sohn eines Börsenmaklers geborene John Frankenheimer war und blieb ein Kinofanatiker. Der Funke war übergesprungen als er 1951 zur Lufwaffe eingezogen worden und in der Dokumentarfilmabteilung gelandet war. Später arbeitete er beim Fernsehsender CBS, wo er über 150 Shows und Serien inszenierte, die noch unter Live-Bedingungen entstanden. Das ideale Sprungbrett fürs Kino. Doch Höhen und Tiefen blieben das Merkmal seiner Karriere.

    "Es ist wirklich ein Kampf, einen Film drehen zu können und den richtigen Stoff dafür zu finden. Es ist weniger ersprießlich, wenn man ständig Drehbücher zu lesen bekommt, die nur so von Fingerabdrücken übersät sind. Man muss es soweit bringen, dass einem Stoffe angeboten werden, bevor sie schon von einem anderen gelesen wurden."

    Der Fortsetzungsfilm "French Connection II" war so ein Stoff, der ihm nur deshalb angeboten wurde, weil er in Frankreich gedreht werden sollte und Frankenheimer, der hier eine zweite Heimat gefunden hatte, Französisch sprach. Die Drogenjagd in Marseille – im Einsatz rivalisierende Polizisten wird zu einer düsteren Parabel über den Verfall der westlichen Gesellschaft.

    "Warum gehen Sie nicht nach New York zurück und erschießen Polizisten? Das ist das, was Sie am besten können. Zwei ganze Monate Infiltrationsarbeit sind durch Ihre Unbeherrschtheit im Eimer." "Wenn Sie mich informiert hätten, würde er noch Leben." "Nein, wenn Sie auf mich gehört hätten, Doyle, dann wäre er noch am Leben."

    Mit "French Connection II" verbuchte Frankenheimer 1975 wieder einen großen Erfolg, und drehte gleich darauf den Action-Thriller "Black Sunday". Danach geriet er wieder in Vergessenheit. Erst in den 90ern, nach seiner Rückkehr zum Fernsehen, wo er vorwiegend historische Filme drehte, fand Frankenheimer noch einmal zur alten Form und zum Kino zurück. In der Actionklamotte "Ronin" - mit Robert de Niro an der Spitze - machten seine Helden noch einmal die "French" Riviera unsicher.

    John Frankenheimer starb am 6. Juli 2002 an einem Herzanfall in Los Angeles. Erst in den letzten Lebensjahren wurde sein Werk wirklich anerkannt. Die Vorzüge seiner Filme, die sich mit existenziellen Fragen und der Ambivalenz der Moral in der modernen Welt auseinandersetzen, sind heute unbestritten.

    Filmausschnitt "French Connection", Quelle: Twentieth Century Fox Home Enterntainment