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Mehr als ein Browser

Zu seinem zehnten Geburtstag machte Google sich in dieser Woche selbst ein ganz besonderes Geschenk: den hauseigenen Webbrowser Chrome. Während sich Microsoft über die neue Konkurrenz ärgern dürfte, sorgen sich Datenschützer über den neuen Vorstoß des Suchmaschinenbetreibers.

Von Achim Killer |
    Es hat sich zunächst nur nach den üblichen großen Worten angehört, womit Google's oberster Produktmanager Sundar Pichai am Dienstag den hauseigenen Browser des Konzerns vorstellt hat:

    "Browser haben sich bei weitem nicht so schnell weiterentwickelt wie das Web. Mit Chrome versuchen wir zu erreichen, dass diese Entwicklung parallel stattfindet, damit das Web eine neue Qualität bekommt."

    Und das ist nicht nur hübsch formuliert. Es stimmt sogar. Chrome ist mehr ein Betriebssystem als ein Browser, eben weil sich mittlerweile im Web mehr machen lässt als nur HTML-Seiten durchzublättern. Anwendungen wandern ins Web und werden über den Browser bedient. Für seine Anwendungen hat Google bisher Plug-ins in Netz gestellt. Gear beispielsweise, ein Stück Software, das Code und Daten von Online-Applikationen zwischenspeichert, so dass diese Online-Applikationen auch offline funktionieren. Gear ist Chrome integriert wie fast alle Internet-Dienste des Konzerns, Suche, Desktop-Suche und Mail etwa. Wer Chrome installiert, der ist fest in der Hand von Google. Bezeichnend ist auch, was Google selbst entwickelt und was es aus dem Open-Source-Bereich übernommen hat. Bei Apple's Safari und dem Firefox haben sich die Programmierer bedient. Allerdings die Java-Script-Engine haben sie selbst geschrieben, also den Interpreter für den im Web verbreiteten Programm-Code. Der nämlich ist zentral für das Projekt, aus dem Browser ein Betriebssystem zu machen. Und auch ein Feature, das der Entwickler Ben Goodger hervorhebt, geht eindeutig in diese Richtung:

    "Deshalb haben wir ein System entwickelt, bei dem jede Web-Anwendung in ihrer eigenen Umgebung läuft, isoliert von anderen. Das macht es robuster."

    Hört sich doch an wie seinerzeit, als Microsoft die Multitasking-Fähigkeit von Windows 95 gepriesen hat. Und tatsächlich ist es zwar hübsch, wenn ein Browser nicht gleich völlig abstürzt, nur weil in einem Fenster eine schlecht gebaute Seite geöffnet wird. Aber notwendig ist diese Software-Partitionierung nicht unbedingt – für einen Browser, für ein Betriebssystem sehr wohl. Google attackiert Microsoft, sagt denn auch die Forrester-Analystin Sheri McLeish:

    "Die mussten ihren Markt vergrößern. Da war es naheliegend, Microsoft ins Visier zu nehmen. Und sie haben einige Destop-Programme entwickelt. Die bringen derzeit zwar noch kaum Umsatz. Aber Google's langfristige Strategie scheint es zu sein, die Erfahrungen, die der Anwender tagtäglich am Rechner sammelt, maßgeblich mitzubestimmen."

    Also Google will die Benutzerschnittstelle, die Microsoft usurpiert hat, für sich haben. Dann könnte der Konzern für Web-Applikationen das werden, was Microsoft bislang für Desktop-Programme ist.

    "Auf lange Sicht, also in dem Maße, in dem Cloud-Computing und Software-Dienste sich durchsetzen, hat Google mit Chrome, sich die Möglichkeit eröffnet, als Universal-Anbieter auftreten zu können."

    Für den Anwender ist die Konkurrenz zwischen Google und Microsoft zunächst ganz angenehm. Mit Chrome bekommt er wieder ein praktisches kostenloses Tool. Und darüber hinaus ist es ja ganz interessant, bei einem Kampf der Giganten zuzuschauen, zumal wenn sich nicht nur zwei Konzerne gegenüberstehen, sondern auch zwei unterschiedliche Strategien, Google's Internet-zentrierter Ansatz und Microsoft's Desktop-Orientierung. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass Google's Geschäft weder die Web-Suche, noch Web-Applikationen sind. Der Konzern macht nicht mit Informationen für die Surfer Geld, sondern mit Informationen über sie. Chrome bekommt denn auch bei der Installation eine eindeutige Nummer, ein Feature, das Google eine reiche Dividende in Form von Surfer-Daten verspricht. Und Chrome integriert alle Dienste, die der Anwender bislang einzeln einrichten musste. Und alle diese Dienste liefern Daten an Google.