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Mehr als ein Glaubensstreit

Die Abwasserentsorgung kann zentral geregelt werden, also über ein weitgefächertes Netz aus Rohren, die alle in der gleichen Kläranlage enden, oder dezentral über Kleinkläranlagen oder Sammelgruben. Wegen steigender Kosten wollen immer mehr Gemeinden nun aus den Abwasserzweckverbänden austreten und sich dezentral um die Abwasserbeseitigung kümmern - auch im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Von Almuth Knigge |
    Das allerdings sehen natürlich nicht alle gerne, so auch nicht Günter Leymann, Wasserexperte vom Schweriner Umweltministerium:

    "Man darf nie vergessen: Abwasser ist wirklich gefährlich. Es besteht immer bei jedem Abwasser, auch nach einer Reinigung, eine hohe Infektionsgefahr."

    Lange ergossen sich die Abwässer vieler europäischer Städte ungeklärt in die Natur, bis die EU, damals noch EG, 1991 die Richtlinie 91/271 über die Behandlung kommunaler Abwässer erließ. Diese schreibt fest, dass Fäkalien ins Klärbecken gehören und dass Abwasser vor der Einleitung gereinigt werden muss. Für Städte bieten sich im Regelfall zentrale Kläranlagen als kostengünstigste Lösung an.

    "Aber für den ländlichen Raum, wo sie viele, viele Meter eigentlich nur verrohren, um dann irgendwo dahinten 400 Hanseln zu entsorgen, da macht das keinen Sinn."

    Carsten Grimm ist Bürgermeister der kleinen Gemeinde Muchow im Landkreis Ludwigslust, im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns. Die Gegend ist extrem trocken, die Landwirte befürchten Versteppung. Muchow hat 380 Einwohner und die haben sich vor ein paar Jahren entschlossen, die Abwasserbeseitigung selber in die Hand zu nehmen. Zum Unmut der Behörden und auch einiger Nachbardörfer traten sich dazu aus dem Abwasserzweckverband aus und entwickelten ein eigenes Abwasserkonzept für die Gemeinde. Das Konzept basiert auf etablierten Pflanzenkläranlagen mit zwei Reinigungsstufen und einem Teich, für jeweils mehrere benachbarte Grundstücke

    "Der große Vorteil für uns ist, das wir ca. 50 Prozent der Investitionskosten durch Eigenleistung erbringen wollen. Das ist also auch ein Vorteil, dass der Bürger seine Anlage auf Deutsch gesagt selber baut. "

    Gerade mal fünf bis sechs Euro, so die Rechnung, werden pro Kopf für Wartung und Kontrolle pro Jahr fällig. Auch die Anlage selber, so haben die Muchower den Behörden überzeugend vorgerechnet, sei auf Dauer für den Bürger kostengünstiger.

    "Der nächste Vorteil ist eben, dass wir das geklärte Wasser, was hinten raus kommt, hier vor Ort nicht ableiten, sondern eben nutzen wollen - für die Gartenbewässerung zum Beispiel. Das hängt dann vom Bürger ab, ob er das im zweiten Kreislauf dann im Haus für die Toilettenspülung benutzt, das muss der Bürger dann entscheiden, was er dann will."

    Jahrelang haben die Muchower für ihr Konzept gekämpft. Denn Ziel der Landesregierung ist es, bis zum Jahre 2013, dem Ende der aktuellen EU-Förderperiode, 90 Prozent der Bevölkerung an die zentrale Abwasserversorgung anzuschließen und die verbleibenden Kleinkläranlagen aufzurüsten. Doch überall wo die Bevölkerung zurückgeht, verteilen sich die hohen Fixkosten für Kläranlagen auf weniger Schultern, die Gebühren steigen. Der Rückbau von einem Meter Kanalnetz kann um die 1000 Euro kosten. Bei schwächerer Auslastung verringert sich zudem die Nutzungsdauer der Anlagen. Deshalb sehen viele Abwasserrebellen, wie Maria Rosemeyer aus dem Muchower Nachbarort Blievenstorf, in der zentralen Entsorgung auch nur ein Konjunkturprogramm für die Bauwirtschaft. Auch sie befürchtet Zwangsanschlüsse kleiner Dörfer in Mecklenburg. Den Umweltschutzargumenten der Behörden, Kleinkläranlagen könnten nicht ausreichend Nitrate und Phospate filtern, hält sie entgegen:

    "Aber wenn Sie dann Umweltexperten fragen, also was es für einen Eingriff in die Natur ist, wenn bis in vier Meter Tiefe so ein Rohr verlegt wird, da werden die Bodenschichten gestört, es wird alles aufgerissen, das ist nicht umweltschonend! Das hat mit Umweltschutz nichts zu tun, Umweltschutz ist, Wasser in der Landschaft lassen."

    Zentrale oder dezentrale Entsorgung - mehr als ein Glaubensstreit. Die Landesregierung will Fakten schaffen. Nur noch bis Ende des Jahres können Anträge auf Förderung von Kleinkläranlagen gestellt werden. Die Bürgerinitiativen bringen sich in Stellung.