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Mehr als eine Schönheits-OP

Für X-Beine bei Kindern und Jugendlichen können angeborene Fehlstellung oder Verletzungen verantwortlich sein, aber auch Übergewicht. Im letzteren Fall kann ein relativ neues OP-Verfahren eine schonende und langsame Korrektur ermöglichen.

Von Anna-Lena Dohrmann | 16.04.2013
    "Ich hatte schon sehr lange gewusst, dass ich X-Beine hatte und wir haben das dann probiert mit Einlagen – also konservativ – zu beseitigen. Und da ich als Jüngerer etwas schwerer war, konnten die Einlagen das Gewicht von mir nicht hochdrücken, um diese Beinstellung zu korrigieren."

    Claudius Feindt ist mittlerweile 13 Jahre alt. Vor einem guten halben Jahr hatte er so starke Schmerzen im Knie, dass er sich für eine Operation der X-Beine entschieden hat – und zwar für einen kleinen, sogenannten minimal-invasiven Eingriff. Doch diese Methode ist nur möglich, solange die Kinder noch wachsen, so Dr. Ulf Bühligen von der Kinderchirurgie der Uniklinik Leipzig.

    "Wir nutzen die natürlichen Wachstumsvorgänge, um dann durch gezielte Bremsungen des Wachstums auf einer Seite, dann dieses Wachstum zu beeinflussen und dadurch ein Auswachsen dieser Fehlstellung zu erreichen."

    Um das Wachstum gezielt zu bremsen, setzen die Ärzte ein relativ neues Implantat ein. Dieses besteht aus einer kleinen achtförmigen Platte, die mit zwei Schrauben am Knochen fixiert wird – und zwar an der sogenannten Wachstumsfuge, die sich direkt am Knie befindet. Denn von dort wachsen die Knochen in die Länge. Oberarzt Bühligen zeigt auf dem Röntgenbild, wo das Implantat im Oberschenkelknochen eingesetzt wurde.

    "Sie sehen hier auf der Innenseite die Platte, die die Wachstumsfuge überbrückt. Das heißt, eine Schraube ist oberhalb der Wachstumsfuge, eine Schraube unterhalb der Wachstumsfuge, sodass diese Innenseite etwas weniger wächst als die Außenseite und das X sich sozusagen wieder zu einer geraden Linie entwickelt."
    Diese Entwicklung beobachten die Ärzte dann sehr genau. Denn sobald die richtige Achsenstellung erreicht ist, entfernen sie das Implantat wieder. Je nach Schweregrad dauert die Korrektur meistens zehn bis 14 Monate. Und sie ist weit mehr als eine Schönheitskorrektur, so Dr. Magdalena Wojan, Kinderorthopädin an der Uniklinik Leipzig.

    "Durch die X-Beine werden die inneren Fußränder mehr belastet, es kommt zur vermehrten Knick-Senkfuß-Entwicklung und durch die Knick-Senkfußentwicklung kommt es zur Innendrehung der Kniegelenke. Dadurch werden wieder, über die Hüftgelenke, wird das Becken nach vorne gekippt und es kommt zur vermehrten Hohlkreuzbildung. Diese hat dann einen deutlichen Einfluss auch auf die Haltung des Kindes und auf die Gesamtstatik der Wirbelsäule. Und kann eben auch zu frühzeitigen Beschwerden oder Abnutzungen führen."

    Trotzdem muss nicht jedes X-Bein operativ korrigiert werden. In der Entwicklung eines Kindes sind X-Beine zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr ganz natürlich. Das weitere Wachstum gleicht diese Stellung normalerweise wieder aus. Doch Übergewicht führt hier schnell zu Problemen.

    "Und es ist gerade problematisch, wenn die Kinder in einem Alter zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr deutliches Übergewicht zeigen. Dann werden die Wachstumsfugen fehlerhaft belastet in ihrem Innenbereich und dort sind sie dann besonders aktiv. Und es verhindert sich damit die physiologische Achskorrektur um das fünfte Lebensjahr. Das heißt, dass adipöse Kinder ihre X-Beine über das fünfte Lebensjahr hinaus behalten und dass die sich sogar weiter verstärken können."

    An der Uniklinik Leipzig sind ungefähr 80 Prozent der Kinder, deren X-Beine operativ korrigiert werden müssen, übergewichtig. Schnell entwickelt sich dann ein Teufelskreis: Denn durch die Schmerzen im Knie machen die Kinder immer weniger Sport. Sie nehmen also eher weiter zu und das verstärkt wiederum die Schmerzen. So war es auch bei Claudius Feindt. Vor Kurzem haben die Ärzte seine Implantate wieder herausgenommen. Und auch sein Übergewicht ist er mittlerweile losgeworden.

    "Also nach der ersten OP hat es ungefähr eineinhalb Wochen gedauert, bis ich wieder normal laufen und auch rennen konnte. Und bei der zweiten OP war das ziemlich schnell, da konnte ich nach dem vierten Tag normal laufen und auch Sport betreiben."

    Genau das ist der Vorteil dieses kleinen Eingriffs bei Kindern. Im Erwachsenenalter ist dagegen oft ein aufwendiger, künstlicher Knochenbruch nötig, um eine Fehlstellung zu korrigieren. Claudius Feindt jedenfalls ist froh, sich für die OP entschieden zu haben:

    "Mir geht es jetzt total gut, wir hatten letztens ein Fußballspiel und ich konnte wieder dran teilnehmen. Also jetzt ist wieder alles super!"