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Mehr als formale Strenge

Der Berliner Kunstsammler Axel Haubrok ist ein Purist: Er vertritt so spröde und hermetische Spitzen-Künstler wie Gregor Schneider oder Tino Sehgal. Zurzeit zeigt Haubrok unter dem vielsagenden Titel "Shapes" ausschließlich schwarze Arbeiten in Berlin.

Von Carsten Probst | 17.01.2011
    Schwarz ist die Farbe aller Umrisse, und wo Umriss ist, ist auch Form. Auf den ersten Blick erinnert die Ausstellung an Zitate der abstrakten Moderne, Schwarze Quadrate, große typografische Balken, Streifen und Objektkunst. Man kann sich ein wenig verlaufen in diesem Parcours aus Schwarz auf Weiß, der wie eine kunstvolle Aufzählung ohne inneren Zusammenhang wirkt, Preziosen aus der Sammlung Haubrok, die wie immer cool und lakonisch präsentiert werden, hier im ehemaligen Ost-Berliner Palast der Arbeiter, den Ecktürmen der einstigen Stalinallee am Strausberger Platz, die als Standort für Galerien seit einiger Zeit sehr gefragt ist.

    Das Publikum bei Barbara und Axel Haubrok ist tendenziell jünger und erscheint weniger gesetzt als in Ausstellungen anderer Großsammler in Berlin. Bekannte Namen aus der aktuellen Konzept-Szene stehen auf der Einladungskarte. Man bekommt ein Handout beim Eingang, auf dem erläutert wird, wie alles gemeint ist oder vielmehr, wie alles nicht gemeint sein soll. Die Abstraktion ist hier kein Selbstzweck, sondern als Zitat so etwas wie die unverzichtbare Beigabe an Tradition zum Aktuellen. Dahinter aber werden, mithilfe der Erläuterungen, Geschichten, Erzählungen sichtbar. Sie sind für Axel Haubrok nach eigener Aussage das eigentlich Wichtige.

    Der 1969 geborene Rodney McMillian, der mit seinen Installationen gern die "Aura" von Medienikonen ironisiert, ist hier mit einem in Gips gegossenen, schlaffen Luftballon vertreten, den er auf einem Sockel platziert hat. Was wie eine Replik auf Marcel Duchamp wirkt, ist eigentlich ein böses symbolisches Portrait von Michael Jackson, dessen einstiger Körpergröße die Höhe des Sockels entspricht, während der in sich zusammenfallende, schwarze Ballon die Beschaffenheit seines Gesichtes thematisiert, das sich im Verlauf der Jahre immer mehr auflöste.

    Auch dem in Berlin lebenden Schotten Martin Boyce geht es immer wieder um Stilikonen, allerdings eher unter semiotischen Aspekten. Er hat ein Mobile aus Trümmern der Design-Geschichte des 20. Jahrhunderts zusammengesetzt, Überreste eines zerstörten Jakobsen-Stuhls an Metallschienen, wie sie Design-Pionier Charles Eames zum Bau seiner Aufbewahrungsschränke verwendet hat. Das Mobile selbst weckt wiederum Assoziationen an die Werke Alexander Calders oder Bruce Naumans und versinnbildlicht mit großer Geste das zerbrochene Erbe der Moderne.

    Emily Jacir, die palästinensisch-amerikanische Preisträgerin des Goldenen Löwen der Biennale von Venedig 2007, ist mit einem großformatigen Tableau aus lauter scheinbar unzusammenhängenden und undefinierbaren schwarzen Formen vertreten, das den Titel der Ausstellung "Shapes" vermutlich inspiriert hat. Es handelt sich um Übermalungen in einer Modezeitschrift, die Jacir ihrer Mutter aus Paris nach Riad in Saudi-Arabien mitgebracht und den dortigen Regeln für die Abbildung von Frauen in Medien angepasst hat. Die Tusche-Übermalungen sind also nachträgliche Verschleierungen, die im Kunstkontext wiederum wie abstrakte, bedeutungsleere Negativ-Zitate aktueller Modefotografie erscheinen. Nicht fehlen darf wohl in einem solchen Kontext der inzwischen omnipräsente Wade Guyton, der hier gleich mit acht Arbeiten vertreten ist, nicht nur mit seinen typischen, fehlerhaften schwarzen InkJet-Prints, sondern auch mit einer Großskulptur aus zwei gekreuzten schwarzen Balken, die eigentlich dafür gedacht ist, den Blick auf die Umgebung zu verstellen. Aushilfsweise hat man sie hier vor einem Fenster platziert, wodurch der Arbeit allerdings kein Gefallen getan wurde.

    Die Balance zwischen formaler Strenge und bedeutungsschwangeren Kommentaren zur Gegenwart kennzeichnet insgesamt das Profil dieser Sammlung, so wie es Sammler Axel Haubrok auch darum geht, das als "unsinnlich" empfundene Erbe der Konzeptkunst populärer zu machen, gern auch in Richtung Event zu überführen. Vertreter der reinen Konzept-Lehre werden sich mit Grausen abwenden. Die Haubroks hingegen haben darin ein Thema gefunden, mit dem sie sich erfolgreich in der Hauptstadtszene positioniert haben. Eine kürzlich erfolgte Schenkung von 13 Großinstallationen an die Neue Nationalgalerie ist der zwischenzeitliche Höhepunkt ihres öffentlichen Aufstiegs.

    Link:

    Sammlung Haubrok