Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Mehr als klick and play

Einsam "Tetris" an der Konsole spielen war gestern. Heute spielen Gamer vermehrt online in der Gruppe und erobern bei "World of Warcraft" und "Empire" virtuelle Welten. Viele von ihnen treffen sich auf der "Next Level Conference" in Köln, um sich über neue Entwicklungen in der Gamesbranche auszutauschen.

Von Peter Backof | 16.11.2012
    "Ich bin nicht schneller als ein Auto."

    Auftakt in der Kölner Innenstadt: reger Zuspruch am ersten Abend der "Next Level Conference", der Plattform für Computerspieltrends. Da waren mit Kreide Sicherheitszonen aufs Pflaster gezeichnet und die Spieler mussten mit leuchtenden Bocciabällen aus Schaumstoff, mit Mikroelektronik im Inneren, nach zotteligen Monstern werfen und dabei die richtige Zahlenkombination herausfinden, um die Monster zu besiegen: also eine Simulation einer Old School-Computerspielaufgabe im realen Stadtraum.

    Es machte schon Sinn, dass der Sicherheitsbeauftragte die Teilnehmer grüppchenweise ermahnte – mit Megafon und einem Augenzwinkern - die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt doch bitte einzuhalten:
    "Polizisten sind keine Schauspieler im Kostüm."

    Einige Hundert Meter weiter, der ungewöhnliche Veranstaltungsort: das Kirchenschiff von "Herz Jesu" als Festivalzentrum. Dort wird - noch bis heute spät Abend – der programmierpraktische und -theoretische Background solcher Computerspiele diskutiert, mit Workshops, Panels und internationalen Referenten. Norbert Bolz zum Beispiel, Leiter der Medienwissenschaften an der TU Berlin, argumentiert:

    "Man muss die Angst vor Computerspielen verlieren, weil diese Angst einen absperrt vor der Einsicht, dass längst die wirklichste Wirklichkeit – die härteste Wirklichkeit! – auf Simulationen basiert. Das gilt sowohl für den Finanzsektor als auch für den militärischen Sektor."

    Norbert Bolz meint damit nicht, dass – banal gesprochen – Börsenbroker und Verteidigungsexperten Zocker seien, sondern, auf einem neuen komplexen Level, die Wirklichkeit zunehmend von Informationstechnologie bestimmt wird. Es sei sogar kitschig und romantisch, so Balz, zu meinen, man könne sich noch ausstöpseln aus der Computerwelt. Spiel und Ernst fallen allmählich zusammen:
    "Und das bedeutet eben auch, dass die uns so vertraute Unterscheidung zwischen virtuell und real – oder wirklicher Wirklichkeit und Simulation – kollabiert."

    Was heißt das für Computerspiele? Eine Vitrine in der Kirche, mit gar nicht so alten, aber doch schon historischen "Gameboys" macht es deutlich: Mit Gameboys vertrieb man sich die Zeit während einer langweiligen Bahnfahrt – damals, vor fünf Jahren. Heute sind solche Programme ein untergeordnetes Feature auf einem x-beliebigen Handy. Durch Internet und mobile Kommunikation hat sich die Entwicklung der Computerspielwelt insgesamt dramatisch beschleunigt, meint auch "Next Level"-Veranstalter und Leiter des Kultursekretariats Nordrhein-Westfalen Christian Esch:

    "Das Klischee vom Gamer war ja – und ist immer noch zum Teil: Das ist der Nerd, der völlig sozial abgekapselt ist, mit der ganzen Welt sozusagen nichts mehr zu tun hat. – Das hat sich total geändert."

    Wie sich auch die Konzepte hinter Computerspielen geändert haben: Man kann in diesen Spielen nur Erfolg haben, wenn man kooperiert und – pädagogisch wertvoll – mit anderen Spielern via Netzwerk verhandelt.

    Aktuell rund 40000 Teilnehmer deutschlandweit spielen Mittelalter, online, in "Empire": der Reiz, die eigentliche Befriedigung ist nicht, fremde Burgen totzuballern, sondern, mit anderen Spielern Allianzen einzugehen, Rohstoffe zu tauschen oder – Einschlag der wirklichen Wirklichkeit – am Feierabend über den Arbeitstag zu chatten, so wie in anderen sozialen Netzwerken auch.
    Die Medien-Kunst-Professorin Margarethe Jahrmann aus Zürich programmiert in der internationalen Avantgarde und schlägt den Bogen zur Kunst.

    "Ein aktuelles Projekt ist ein Participatory Play."

    In diesem Spiel fließt alles zusammen zum Gesamtkunstwerk: Apps für das Smartphone, Installation im Kunstraum, medienkritisches Statement.

    "Das sind eigentlich verzerrte Logos von Firmen, die zunächst normal aussehen, sobald man sie aber mit einer App einscannt, die darunterliegenden – subliminal – Messages kommunizieren."

    Die Spieler gestalten erst gemeinsam die Regeln des Spiels, definieren und entdecken erst allmählich seine Wirklichkeit, die dann eben nichts Virtuelles mehr ist: der Metatrend. – Die "Next Level Conference" ist so, von der Ausstellung einer restaurierten Version des ersten Computerspiels für die Öffentlichkeit überhaupt – "Tennis for two" – von 1958 - bis zur Diskussion der neuesten Phänomene: eine überaus spannende Veranstaltung.

    Mehr zum Programm der Messe unter:
    www.nextlevel-conference.org