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Mehr als nur Teutonengrill

Theater, reiche Villen und Triumphbögen: Rimini war eine der wichtigsten Römerstädte Italiens, doch erst jetzt erhält sie ein eigenes archäologisches Museum. Die Ausstellung zeigt Funde von der Republik bis zur Spätantike.

Von Thomas Migge |
    In verschiedenen Vitrinen liegen 150 chirurgische Instrumente. Darunter kleine Sägen und Zangen aller Größen, Pinzetten und Scheren für Operationen aller Art. Sie sind so gut erhalten, dass sie nach einer sorgfältigen Reinigung wieder benutzt werden könnten. Wie damals, im zweiten Jahrhundert nach Christus.

    Es handelt sich um die größte Sammlung antiker medizinischer Instrumente. Die Ruinen eines altrömischen Hauses, in denen sie gefunden wurden, nennen die Archäologen deshalb "Haus des Chirurgen". Dieses antike Gebäude kann seit einiger Zeit besichtigt werden. Eine Anlage, die in ihren Grundsteinen erhalten geblieben ist. Falls sein Besitzer tatsächlich Mediziner war, ein zu seiner Zeit hoch angesehener Berufsstand, wird er mit seiner Heilkunst viel Geld gemacht haben, denn das antike Haus verweist auf beachtlichen Wohlstand.

    Viele der Funde sind einmalig, berichtet Ralph Jackson, in Rimini forschender Medizin-Historiker des British Museum in London:

    "Solche Instrumente sind schon von Galenus beschrieben worden, dem nach Hippokrates bedeutendsten Arzt der Antike. Er lebte im vierten vorchristlichen Jahrhundert. Viele der chirurgischen Gegenstände kennen wir nur aus antiken Schriften. Genau das macht die enorme Bedeutung der jetzt endlich ausgestellten Funde aus. Wir haben hier sogar Instrumente, mit denen Teile der Schädeldecke entfernt werden konnten."

    Bis vor Kurzem lagerten die Funde in einem Magazin des Stadtmuseums von Rimini. Und nicht nur die chirurgischen Instrumente. Sämtliche archäologischen Sammlungen aus Rimini und Umgebung, die in den letzten 100 Jahren ausgegraben wurden, waren noch nie zu sehen. Erst jetzt, mit der Eröffnung von 40 Sälen im Stadtmuseum, erhält eine der einstmals wichtigsten römischen Städte in Italien ein eigenes archäologisches Museum.

    Das neue Antikenmuseum nimmt den Platz eines gesamten Stockwerkes im ehemaligen Colleggio dei Gesuiti ein. Ein gigantischer Bau aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in dem damals ein Jesuitenkolleg untergebracht war.

    Direktor des Museums ist der Architekt Pier Luigi Foschi:
    "Wir können hier in Rimini auf eine lange Besiedelung zurückschauen, Menschen gab es hier schon seit dem Paläolitikum. Archäologische Funde aus dem antiken Ariminum weisen auf die Präsenz von Etruskern, Griechen und Kelten hin. Ab dem dritten vorchristlichen Jahrhundert war die Stadt römisch und besaß eine eigene Verteidigungsmauer, ein Straßennetz und zahlreiche öffentliche Bauten und private Villen. Unsere wichtigsten Ausstellungstücke stammen vor allem aus diesen Gebäuden."

    Während des Kaiserreiches wurde die Stadt prächtig ausgebaut, mit Repräsentationsbauten, darunter einem Triumphbogen von Kaiser Augustus, einem Theater für 14.000 Zuschauer und einem ausgeklügelten Abwassersystem.

    Im letzten Weltkrieg wurde fast das gesamte Stadtzentrum von Rimini dem Erdboden gleich gemacht. Bei Ausschachtungsarbeiten für Neubauten stießen Archäologen auf zahlreiche Funde, darunter auch das "Haus des Chirurgen".

    Doch man brauchte über 60 Jahre, um eine eigene archäologische Sektion für diese antiken Gegenstände einzurichten. Als Grund für diese lange Zeit wird bürokratischer und logistischer Schlendrian sowie Geldmangel angeführt.

    Pier Luigi Foschi: "Seit den 80er Jahren bemühte man sich dann ernsthafter um die Schaffung einer eigenen archäologischen Sektion, um zum Beispiel altrömische Einrichtungsgegenstände wie Möbelreste und Geschirr aus Silber und Keramik, Skulpturen und Goldschmuck ausstellen zu können. Die Sammlungen umfassen den Zeitraum von der römischen Republik bis zur Spätantike im 5. Jahrhundert."
    Aus der Zeit der Spätantike stammen die außergewöhnlich gut erhaltenen, bilderreichen, mehrfarbigen Mosaikfußböden aus verschiedenen römischen Villen. Interessant ist, dass Rimini in dieser Epoche einen neuen städtebaulichen Impuls erlebte. Die Kaiser investierten, da sie nun vor allem in Norditalien residierten, in der neuen Hauptstadt Ravenna. Die Mosaiken spielten dabei als schmückende Elemente in öffentlichen Räumen und privaten Residenzen eine besonders wichtige Rolle. Auf vielen Mosaiken fließen heidnische und christliche Bildelemente zusammen. So ist auf einem Mosaik die antike Liebesgöttin Venus zu erkennen. Sie nimmt an einer eindeutig christlich inspirierten Prozession teil.