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Mehr als nur Verpackungen

Seit April 1992 gilt in Deutschland: Verpackungen mit dem "Grünen Punkt" gehören in die gelbe Tonne. Das Lizenzzeichen signalisiert dem Verbraucher: Diese Verpackung geht zurück an den Absender. In der gelben Tonne landen aber immer wieder Sachen, die da eigentlich nicht reingehören - vom Plastikspielzeug bis zum Handy. Die Entsorgungsunternehmen haben aus dieser Not eine Tugend gemacht und in einigen Regionen das Projekt "Gelbe Tonne plus" gestartet.

Von Philip Banse |
    " Der Vorderradlader nimmt die Wertstoffe hier auf und bringt sie auf die zwei Förderstrecken auf. "

    Eine Abfallsortieranlage im Osten Berlins, nach Angaben des Entsorgers ALBA eine der modernsten ihrer Art. Ein Bagger kippt tonnenweise Tüten, Verpackungen, PET-Flaschen und Jogurtbecher auf ein Förderband: Der Inhalt von gelben Säcken und gelben Tonnen. Zwei Männer stehen am Band und sortieren aus, was definitiv nicht hierher gehört: Fahrräder, Matratzen, Staubsauger. Doch viele andere Dinge, die Berliner seit Jahren zu unrecht in die Gelbe Tonne werfen, weil sie keinen grünen Punkt tragen, sind bei Entsorgern begehrte Güter geworden: Messbecher, Plastikspielzeug, Alu-Papier. Diese Wertstoffe lassen sich - sauber sortiert - mit Gewinn weiterverkaufen. Denn der hohe Ölpreis sorgt für hohe Kunststoffpreise. Um an diese wertvollen Rohstoffe zu kommen, haben sich Entsorger und Grüne-Punkt-Unternehmen wie Interseroh und Duales System Deutschland die Gelbe Tonne plus ausgedacht. In diese Gelbe Tonne plus darf alles rein, was aus Plastik ist, egal ob mit oder ohne Grünem Punkt. Außerdem dürfen kleine Elektrogeräte in die Gelbe Tonne plus: Rasierer, Kaffeemaschine, Walkman. Bei Pilotprojekten In Leipzig und Berlin mit mehreren hunderttausend Haushalten hat sich gezeigt: Mit der Gelben Tonne Plus werden 30 bis 40 Prozent mehr Plastikabfälle gesammelt, gleichzeitig ist weniger Restmüll in der Gelben Tonne Plus als bisher. Das liegt daran, dass bis heute viele nicht verstehen, was nun in die gewöhnliche Gelbe Tonne darf und was nicht, sagt Roland Stroese, Vorstand des Dualen Systems Interseroh.

    " Wenn man das System logischer gestaltet, indem man sagt, es geht jetzt nicht darum, ob was Verpackung ist oder nicht Verpackung ist, sondern es geht darum, was Plastik ist oder ein Elektrokleingerät, das kann alles da rein, alles wird verwertet, dann erhöht das die Akzeptanz des Systems und der Verbraucher geht insgesamt sorgfältiger mit dieser gelben Tonne um. "

    Der Vorteil für den Verbraucher: Er muss nicht mit jedem kaputten Rasierer zur kommunalen Entsorgungsstelle für Elektronikschrott laufen. Außerdem zahlt er weniger Müllgebühren, weil weniger Restmüll in die graue Tonne wandert. Zwar müssen Mieter auch etwas für die Gelbe Tonne plus zahlen. Unterm Strich bleibe jedoch eine Ersparnis, so die Entsorger. Messbecher, Plastiktüten und Plastikspielzeug sind keine neuen Kunden in Sortieranlagen, können im Prinzip genauso von einander getrennt werden, wie Verpackungen mit Grünem Punkt. Kleines wird gesiebt, leichtes raus geblasen, Metall von Magneten abgegriffen. Für die kleinen Elektrogeräte, die auch in die Gelbe Tonne plus wandern dürfen, müssen Scanner wie am Flughafen installiert werden, die anhand der Platinen das Elektrogerät genau erkennen, sagt Jürgen Jaschke vom Entsorger Alba:

    " Es nützt nichts, dass alle Elektrogeräte auf einen Haufen geworfen werden, sondern wir brauchen ja gleich den Sortierschritt in die fünf Sammelgruppen. Und dort sind derzeit die Programmierer dran, die so genannte Erinnerungsbilder abspeichern, damit der Rasierapparat unterschieden werden kann von dem Walkman beispielsweise. "

    Die Hersteller holen den Elektroschrott dann zentral hinter der Sortieranlage ab. Bei so fähigen Müllsortieranlagen stellt sich die Frage, ob die Verbraucher nicht einfach alles in eine Tonne werfen können. Dann hätten die Entsorger die maximale Menge an Wertstoffen, die im Haushalt anfallen. Dem entgegnet Roland Stroese von Interseroh:

    " Sie haben nicht nur die maximale Wertstoffmenge in dieser Tonne, sondern sie haben dann auch den maximalen Müll in dieser Tonne, den Restmüll und das ist das eigentliche Problem. Das Heißt sie kriegen dann einen großen Brei, der dann nur mit extrem hohem technischem Aufwand überhaupt auseinander zu sortieren ist. "

    Die Gelbe Tonne plus wird es bis auf weiteres nur in Ballungszentren geben, weil sich das System nur dort rechnet. Auch muss die Verpackungsverordnung geändert werden, weil die Dualen Systeme bis heute eigentlich nur Verpackungen mit Grünem Punkt einsammeln dürfen, nicht aber Restmüll - auch wenn er aus Plastik ist.