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Mehr als Siebzigerjahre-Romantik

Nur recht wenige Arbeitnehmer entscheiden sich für einen Bildungsurlaub, auch mancher Arbeitgeber zweifelt am Sinn dieser Einrichtung. Dabei können derartige Seminare sehr sinnvoll sein und sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber neue Vorteile im Job bringen.

Von Britta Mersch |
    Ein Seminar im Kölner Friedensbildungswerk. Die Teilnehmer diskutieren über einen fiktiven Streitfall. Das Kursangebot richtet sich speziell an Architekten, die in der Praxis häufig die Interessen von zwei Parteien berücksichtigen müssen und dabei in Konflikte geraten. Unter den Teilnehmern ist die Denkmalpflegerin Christine Schmidt aus Kempten in Bayern.

    " So eine ganz typische Situation ist, jemand hat ein denkmalgeschütztes Haus geerbt, das steht dann auch leer, das ist meistens in einem sehr schlechten Zustand, schon lange nichts mehr passiert, und muss jetzt irgendwas damit anfangen, hat vielleicht auch eine gute Idee, im besten Fall ist es dann renovieren, ein paar Wände rausreißen, Fenster rein und solche Geschichten, vielleicht auch das Dach aufstocken, und die Denkmalbehörde sagt, ja geht alles nicht. Das kann dann schon dazu führen, dass die sich derartig bekriegen, dass keiner mehr einen Schritt auf den anderen zugehen will. Und das zu vermeiden ist zwar sowieso meine Aufgabe, gelingt auch im Großen und Ganzen, aber es ist schon schön, immer noch mehr Handwerkszeug dazu zu kriegen."

    Als Selbständige entscheidet Christine Schmidt selbst darüber, ob sie einen Bildungsurlaub in Anspruch nimmt oder nicht. In ihrem Bundesland Bayern werden derartige Seminare nicht angeboten. In Nordrhein-Westfalen hingegen, wo sich die Denkmalpflegerin in Sachen Konfliktmanagement schulen lässt, stehen jedem Arbeitnehmer fünf Tage im Jahr für Bildungsurlaube Verfügung.

    " Was mir jetzt besonders bei dem Seminar immer wieder auffällt. Ich muss mich selbst unheimlich zurücknehmen. Und ich denke, das ist nicht ganz verkehrt in so einem Gespräch, auch wenn ich eigentlich als Bezahlte des Bauherrn dessen Partei ergreifen sollte, ist es doch leichter, wenn ich mich raushalte so weit wie möglich und nicht direkt so von Anfang an diesen parteilichen Weg gehe."

    Das Seminar zum Konfliktmanagement im Kölner Friedensbildungswerk ist ein neues Angebot. Den Veranstaltern war es wichtig, mehrere Aspekte unter einen Hut zu bekommen. Zum einen sollte die politische Bildung nicht zu kurz kommen. Außerdem wollten die Organisatoren ein Seminar anbieten, das sich gezielt mit den Bedürfnissen eines Berufsfeldes auseinander setzt. Seminarleiter Roland Schüler:

    " Da, wo viel Kommunikation passiert, wo viel Handlung passiert, entstehen Missverständnisse, entstehen Handlungskonflikte und in einer konstruktiven Art und Weise dann damit umzugehen, das sind so die Inhalte, die in diesem Seminar gelernt werden, so dass die Leute, die hier sind, eine Technik an die Hand bekommen über die Art, wie gehe ich jetzt mit Konflikten um, die bei meiner Arbeit auftreten können."

    Die nordrhein-westfälische Architektenkammer hat Weiterbildungen für ihre Mitglieder zur Verpflichtung gemacht und sie akzeptiert dafür auch entsprechende Bildungsurlaubs-Angebote. Eine sinnvolle Einrichtung, findet Denkmalpflegerin Christine Schmidt.

    " Weil es so immens wichtig ist, mal über den eigenen Tellerrand mal wieder zu gucken, mal wieder mit anderen Leuten zusammen zu kommen und auch wieder aus einem Themenbereich, den man nicht ständig vor Augen hat, neue Sachen zu hören."