" Als wir den Auftrag übernommen haben, waren wir relativ skeptisch. Also die Mitarbeiter und ich."
Ulrich Oevermann, Professor für Sozialisationsforschung und Sozialpsychologie
" Weil wir nach den ersten Ergebnissen so gedacht haben, na ja, da kann eigentlich nicht viel mehr heraus kommen dabei, als dass alle sagen, für die Imagebildung ist das wichtig und brauchen wir das, aber viel investieren wollen wir dafür nicht. Und das ist eben das für uns doch Überraschende eigentlich gewesen, wie wichtig doch die Geschichte selber für die Gestaltung des Alltags in dem Unternehmen ist."
Befragt wurden Erwerbstätige aus den verschiedensten Branchen und mindestens drei Statusebenen. Also zum Beispiel Führungskräfte, dann höher Qualifizierte, etwa aus der Entwicklungsabteilung, und Mitarbeiter mit geringerer Qualifikation. Erwartungsgemäß wussten die Mitarbeiter auf den unteren Statusebenen am wenigsten über die Geschichte ihres Unternehmens.
" Also die machen sich da nicht viel vor, das wichtigste ist immer noch, dass die Lohntüte stimmt, und dass die Arbeitsbedingungen gut sind, und dass das Betriebsklima stimmt, aber da geht es dann schon los. Für ein gutes und erträgliches Betriebsklima ist die Unternehmensgeschichte in ihrer sozusagen lebendigen Erinnerung sehr wichtig. Also wir haben Beispiele, bei der man beobachten kann, wie die Einspeisung sozusagen der Ergebnisse der historischen Forschung in Betriebsaktivitäten selber, also dass zum Beispiel bei Jubiläen entsprechende Ergebnisse mit eingeflochten werden, oder dass bei anderen Veranstaltungen, bei denen Mitarbeiter sich treffen, das mit thematisiert wird, das spielt schon eine große Rolle, und danach, wenn so etwas geschehen ist, möchten die Mitarbeiter darauf auch nicht verzichten."
Eine lebendige Erinnerung könne allerdings nur dann etwas bewirken, wenn eine Firma ein lebendiger Organismus ist, sagt Ulrich Oevermann. In den Interviews wurde deutlich, dass dies für Unternehmen, die nach amerikanischen Methoden gemanagt werden, eher nicht gilt. Dort würden die Mitarbeiter quasi als Schräubchen in einer Maschine betrachtet, an denen man beliebig drehen kann. Wenn es den Führungskräften aber wichtig sei, dass ihr Produkt von lebendigen Arbeitskräften hergestellt wird, dann spielt auch die Unternehmensgeschichte eine große Rolle, hat Ulrich Oevermann heraus gefunden. Sie stärke die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, und in Umbruchzeiten könne sie stabilisierend wirken.
" Das ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Punkt gewesen, dass Unternehmensgeschichte auch Krisengeschichte sein muss. Dass das sofort unglaubwürdig ist, wenn sozusagen Unternehmensgeschichte nur geglättet ist und nur sozusagen eine Erfolgsanreihung konstruiert, das glaubt eh niemand, und das kommt bei den Mitarbeitern überhaupt nicht an, und in Verbindung damit zum Beispiel, in den mittelständischen Unternehmen haben in zunehmendem Maße die in der Führungsetage, die Manager, ein Interesse daran, dass festgehalten ist, wie man zum Beispiel Übergaben gestaltet hat. Also wenn Familienunternehmen ihre Rechtsform ändern. Oder wenn sie verkauft werden. Oder in Aktiengesellschaften überführt werden. Wie man die damit immer verbundenen Konflikte und Konfliktlagen, wie man die konkret bewältigt hat, wie man das damals gemacht hat. Das zu erinnern, ist für Manager in ihrem aktuellen Krisenbewältigungshandeln sehr wichtig."
Überraschend war für die Forscher der große funktionale Nutzen von Unternehmensgeschichte. Die Interviews ergaben: Historische Dokumente können außerordentlich wertvoll für die Rechtesicherung an Produkten sein, oder auch für Haftungsfragen, wenn es etwa um Bodenkontaminationen geht. Außerdem lässt sich rekonstruieren, wie einzelne Verfahrenslösungen entstanden sind, so dass man bei Bedarf zu Gabelungspunkten zurück kehren kann.
" Ich glaube, dass man auch betonen muss, dass dabei vieles zum Vorschein kommen wird und aufgeworfen wird, was überraschend ist, und was man vorher gar nicht weiß. Also man kann das ja nicht prognostizieren, ja. Und das vorher nach bloßen betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten einschätzen zu wollen, lohnt sich das oder lohnt sich das nicht, wird gar nicht möglich sein. Es ist wie immer bei der kulturellen Seite der menschlichen Praxis, die ist sozusagen in sich autonom und sie lässt sich nur schwer berechnen, und das gehört eben dazu."
Die Angst vor unliebsamen Entdeckungen ist häufig ein Grund, warum Unternehmer ihre Archive nicht öffnen. Hinzu kommt, dass Unternehmensgeschichte in Deutschland keine wissenschaftliche Tradition hat, erklärt die Historikerin Dr. Andrea Schneider.
" Im Unterschied zum amerikanischsprachigen Raum sind wir eben nicht an den Lehrstühlen angesiedelt. Die business school in Amerika hat eben klassischerweise ihren business historian dabei. Und das gibt es in Deutschland halt nicht, und dadurch, glaube ich, ist sozusagen die Wahrnehmung auf der Management-Ebene eben sehr selektiv."
Andrea Schneider ist Geschäftsführerin der wissenschaftlichen Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Frankfurt. Sie hat Professor Oevermann bei der Studie unterstützt und die Kontakte zu den Unternehmen hergestellt. Ihre Gesellschaft bemüht sich seit den siebziger Jahren, unternehmensgeschichtliche Forschung zu fördern und dem schlechten Ruf von Unternehmenshistorikern entgegen zu wirken.
" Der Kern der Kritik war immer wieder dieses Bezahlen, also dieses berühmte "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing", das hörte man also nach wie vor, und das hat wirklich lange gedauert, bis das vom Tisch war, ja. Und es war ja ein bisschen diese Krux: Durch diese Kritik ist ja letztlich verhindert worden, dass Unternehmensgeschichte professionell betrieben wurde, ja. Weil keiner sich rangetraut hat."
Erst in den neunziger Jahren befassten sich auch renommierte Historiker mit der Vergangenheit großer Unternehmen. Seitdem betrachte man diesen Forschungszweig entspannter, sagt Andrea Schneider. Und das Interesse der Mitarbeiter an Unternehmensgeschichte sei enorm. Eine große deutsche Bank zum Beispiel habe die Autoren ihrer Unternehmensgeschichte monatelang durch ihre Filialen touren lassen, um den Mitarbeitern das Buch vorzustellen, und die Veranstaltungen seien alle gut besucht worden. Der Soziologe Ulrich Oevermann ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine geschriebene Geschichte für ein Unternehmen nicht das Entscheidende ist.
" Viel wichtiger ist es, ein Archiv in welchem Umfang auch immer zu gründen, und anzufangen, die Dokumente zu archivieren, zu sammeln und das zu betreuen, und dann hier und da, auch zu aktuellen Anlässen kleinere Schriften, Broschüren herzustellen, und sobald die reale Geschichte sozusagen, die faktisch ja immer vorhanden ist, auch zur Geschichte gemacht wird, dadurch dass man es bearbeitet, hat dann selber wieder einen enormen Potenzierungseffekt."
Den viele Unternehmer jedoch weit unterschätzen, sagt Andrea Schneider. Häufig falle ihnen erst bei einem anstehenden Jubiläum auf, dass etwa die Gründungsurkunde verschwunden ist, oder dass sie kaum Material für ihre Festschrift finden.
" Denn diese Fälle gibt es auch hundertfach, wo die Akten einfach in den Reißwolf irgendwann gehen. Und das ist ja immer das Traurige, das machen viele Unternehmen noch nicht mal, um jetzt bewusst irgendwie was zu vernichten, sondern es geht schlichtweg um Platzmangel, ne. Dann kommt halt irgendein Registrator und sagt, ach Mensch, der Keller ist voll, das muss weg. Und das ist also natürlich für jeden Historiker ein Alptraum, ja (Lachen), wenn das passiert."
Ulrich Oevermann, Professor für Sozialisationsforschung und Sozialpsychologie
" Weil wir nach den ersten Ergebnissen so gedacht haben, na ja, da kann eigentlich nicht viel mehr heraus kommen dabei, als dass alle sagen, für die Imagebildung ist das wichtig und brauchen wir das, aber viel investieren wollen wir dafür nicht. Und das ist eben das für uns doch Überraschende eigentlich gewesen, wie wichtig doch die Geschichte selber für die Gestaltung des Alltags in dem Unternehmen ist."
Befragt wurden Erwerbstätige aus den verschiedensten Branchen und mindestens drei Statusebenen. Also zum Beispiel Führungskräfte, dann höher Qualifizierte, etwa aus der Entwicklungsabteilung, und Mitarbeiter mit geringerer Qualifikation. Erwartungsgemäß wussten die Mitarbeiter auf den unteren Statusebenen am wenigsten über die Geschichte ihres Unternehmens.
" Also die machen sich da nicht viel vor, das wichtigste ist immer noch, dass die Lohntüte stimmt, und dass die Arbeitsbedingungen gut sind, und dass das Betriebsklima stimmt, aber da geht es dann schon los. Für ein gutes und erträgliches Betriebsklima ist die Unternehmensgeschichte in ihrer sozusagen lebendigen Erinnerung sehr wichtig. Also wir haben Beispiele, bei der man beobachten kann, wie die Einspeisung sozusagen der Ergebnisse der historischen Forschung in Betriebsaktivitäten selber, also dass zum Beispiel bei Jubiläen entsprechende Ergebnisse mit eingeflochten werden, oder dass bei anderen Veranstaltungen, bei denen Mitarbeiter sich treffen, das mit thematisiert wird, das spielt schon eine große Rolle, und danach, wenn so etwas geschehen ist, möchten die Mitarbeiter darauf auch nicht verzichten."
Eine lebendige Erinnerung könne allerdings nur dann etwas bewirken, wenn eine Firma ein lebendiger Organismus ist, sagt Ulrich Oevermann. In den Interviews wurde deutlich, dass dies für Unternehmen, die nach amerikanischen Methoden gemanagt werden, eher nicht gilt. Dort würden die Mitarbeiter quasi als Schräubchen in einer Maschine betrachtet, an denen man beliebig drehen kann. Wenn es den Führungskräften aber wichtig sei, dass ihr Produkt von lebendigen Arbeitskräften hergestellt wird, dann spielt auch die Unternehmensgeschichte eine große Rolle, hat Ulrich Oevermann heraus gefunden. Sie stärke die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, und in Umbruchzeiten könne sie stabilisierend wirken.
" Das ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Punkt gewesen, dass Unternehmensgeschichte auch Krisengeschichte sein muss. Dass das sofort unglaubwürdig ist, wenn sozusagen Unternehmensgeschichte nur geglättet ist und nur sozusagen eine Erfolgsanreihung konstruiert, das glaubt eh niemand, und das kommt bei den Mitarbeitern überhaupt nicht an, und in Verbindung damit zum Beispiel, in den mittelständischen Unternehmen haben in zunehmendem Maße die in der Führungsetage, die Manager, ein Interesse daran, dass festgehalten ist, wie man zum Beispiel Übergaben gestaltet hat. Also wenn Familienunternehmen ihre Rechtsform ändern. Oder wenn sie verkauft werden. Oder in Aktiengesellschaften überführt werden. Wie man die damit immer verbundenen Konflikte und Konfliktlagen, wie man die konkret bewältigt hat, wie man das damals gemacht hat. Das zu erinnern, ist für Manager in ihrem aktuellen Krisenbewältigungshandeln sehr wichtig."
Überraschend war für die Forscher der große funktionale Nutzen von Unternehmensgeschichte. Die Interviews ergaben: Historische Dokumente können außerordentlich wertvoll für die Rechtesicherung an Produkten sein, oder auch für Haftungsfragen, wenn es etwa um Bodenkontaminationen geht. Außerdem lässt sich rekonstruieren, wie einzelne Verfahrenslösungen entstanden sind, so dass man bei Bedarf zu Gabelungspunkten zurück kehren kann.
" Ich glaube, dass man auch betonen muss, dass dabei vieles zum Vorschein kommen wird und aufgeworfen wird, was überraschend ist, und was man vorher gar nicht weiß. Also man kann das ja nicht prognostizieren, ja. Und das vorher nach bloßen betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten einschätzen zu wollen, lohnt sich das oder lohnt sich das nicht, wird gar nicht möglich sein. Es ist wie immer bei der kulturellen Seite der menschlichen Praxis, die ist sozusagen in sich autonom und sie lässt sich nur schwer berechnen, und das gehört eben dazu."
Die Angst vor unliebsamen Entdeckungen ist häufig ein Grund, warum Unternehmer ihre Archive nicht öffnen. Hinzu kommt, dass Unternehmensgeschichte in Deutschland keine wissenschaftliche Tradition hat, erklärt die Historikerin Dr. Andrea Schneider.
" Im Unterschied zum amerikanischsprachigen Raum sind wir eben nicht an den Lehrstühlen angesiedelt. Die business school in Amerika hat eben klassischerweise ihren business historian dabei. Und das gibt es in Deutschland halt nicht, und dadurch, glaube ich, ist sozusagen die Wahrnehmung auf der Management-Ebene eben sehr selektiv."
Andrea Schneider ist Geschäftsführerin der wissenschaftlichen Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Frankfurt. Sie hat Professor Oevermann bei der Studie unterstützt und die Kontakte zu den Unternehmen hergestellt. Ihre Gesellschaft bemüht sich seit den siebziger Jahren, unternehmensgeschichtliche Forschung zu fördern und dem schlechten Ruf von Unternehmenshistorikern entgegen zu wirken.
" Der Kern der Kritik war immer wieder dieses Bezahlen, also dieses berühmte "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing", das hörte man also nach wie vor, und das hat wirklich lange gedauert, bis das vom Tisch war, ja. Und es war ja ein bisschen diese Krux: Durch diese Kritik ist ja letztlich verhindert worden, dass Unternehmensgeschichte professionell betrieben wurde, ja. Weil keiner sich rangetraut hat."
Erst in den neunziger Jahren befassten sich auch renommierte Historiker mit der Vergangenheit großer Unternehmen. Seitdem betrachte man diesen Forschungszweig entspannter, sagt Andrea Schneider. Und das Interesse der Mitarbeiter an Unternehmensgeschichte sei enorm. Eine große deutsche Bank zum Beispiel habe die Autoren ihrer Unternehmensgeschichte monatelang durch ihre Filialen touren lassen, um den Mitarbeitern das Buch vorzustellen, und die Veranstaltungen seien alle gut besucht worden. Der Soziologe Ulrich Oevermann ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine geschriebene Geschichte für ein Unternehmen nicht das Entscheidende ist.
" Viel wichtiger ist es, ein Archiv in welchem Umfang auch immer zu gründen, und anzufangen, die Dokumente zu archivieren, zu sammeln und das zu betreuen, und dann hier und da, auch zu aktuellen Anlässen kleinere Schriften, Broschüren herzustellen, und sobald die reale Geschichte sozusagen, die faktisch ja immer vorhanden ist, auch zur Geschichte gemacht wird, dadurch dass man es bearbeitet, hat dann selber wieder einen enormen Potenzierungseffekt."
Den viele Unternehmer jedoch weit unterschätzen, sagt Andrea Schneider. Häufig falle ihnen erst bei einem anstehenden Jubiläum auf, dass etwa die Gründungsurkunde verschwunden ist, oder dass sie kaum Material für ihre Festschrift finden.
" Denn diese Fälle gibt es auch hundertfach, wo die Akten einfach in den Reißwolf irgendwann gehen. Und das ist ja immer das Traurige, das machen viele Unternehmen noch nicht mal, um jetzt bewusst irgendwie was zu vernichten, sondern es geht schlichtweg um Platzmangel, ne. Dann kommt halt irgendein Registrator und sagt, ach Mensch, der Keller ist voll, das muss weg. Und das ist also natürlich für jeden Historiker ein Alptraum, ja (Lachen), wenn das passiert."