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Mehr Bürgerbeteiligung im Umweltschutz

Damit die Bürger in Zukunft bei umweltpolitischen Entscheidungen der Behörden leichter mitwirken können, beschloss das Bundeskabinett diese Woche die nationale Umsetzung der so genannten "Aarhus-Konvention" der Vereinten Nationen. Im niedersächsischen Königslutter ist die Bürgerbeteiligung im Sinne der Aarhus-Konvention bereits Realität. Per Internet haben die Bürger ihre Umwelt mitgestaltet.

Von Wulf-Peter Gallasch |
    "Die Idee war, dass wir in der Landschaftsplanung ohnehin sehr stark auf die Mitarbeit der Bevölkerung setzen und auch die Bevölkerung aktivieren wollen. Und insofern ohnehin schon eine intensive information und Beteiligung der Bürger im Sinne der Sache war und nahe lag. "

    Christina von Haaren ist Professorin am Institut für Umweltplanung der Uni Hannover. In Zusammenarbeit mit einem Planungsbüro und dem Bundesamt für Naturschutz in Leipzig erstellte das Institut einen "Interaktiven Landschaftsplan". Für die Bürger einer Gemeinde bedeutet der interkative Landschaftsplan: Sie können von zuhause aus, übers Internet, mitbestimmen bei der Landschaftsplanung ihrer Stadt:

    "Quasi ein Umweltcheck für die Gemeinde, in dem die Bürger sehen können, wie ist der Stand der Dinge, was ist geplant, wo können wir uns einbringen. Das reicht eben von Tieren und Pflanzen bis hin zur Qualität von Wasser und Boden, Luft. Auch kulturhistorische Landschaftselemente, das Landschaftsbild, Erholungmöglichkeiten. Diese Dinge sind im interaktiven Landschaftsplan. "

    Lernspiele, Umweltbildungsangebote, Landkarten der Umgebung, all das bekommt der Bürger von seinem Rathaus übers Internet. Ein Angebot, das sowohl den Bürgern als auch der Stadtverwaltung Vorteile bringen soll:

    "Das ist jetzt eine Informationsbasis, die allen im Internet immer zur Verfügung steht, auf die auch Umweltverbände zugreifen können, um ihre Stellungnahmen zu Umweltprojekten zu verfassen. Im Wesentlichen jetzt auch für die Gemeinde eine Grundlage, um ihre Planung von Anfang an umweltverträglicher zu gestalten. "

    Als Projektstadt bot sich Königslutter am Elm an, knapp 17.000 Einwohner, rund 90 Kilometer östlich von Hannover gelegen. Eine Stadt mit Interesse an Umweltplanung und transparenter Politik. Bürgermeister Ottomar Lippelt begeisterte sich und die Verwaltung für das Pilotprojekt:

    "Es begann damit, dass wir unseren Internetauftritt entsprechend ausrichten mussten. Denn wir wollten ja erreichen, dass über die Interaktivität die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar an dem Diskussionsprozess beteiligt sein können. Wir haben viele Termine auch vor Ort gehabt. Wir haben darüber diskutiert, wie man Bodenerosion in den Griff kriegen könnte, wir haben über Gewässerrenaturierung gesprochen, über Pflanzaktion an Gräben. "

    Aktive, Natur und Umwelt schützende Bürger, das ist ein Ziel der Aarhus-Konvention. Folgt die Verwaltung diesem Ziel der Konvention, animiert sie die Bereitschaft der Bürger, vor allem mittels neuer Medien:

    "Die Aarhus-Konvention soll im Wesentlichen das Amtsgeheimnis aufheben und den Bürgern mehr Rechte auf Informationszugang im Umweltbereich bringen. Neben Information soll auch die Beteiligung der Bürger in Umweltangelegenheiten gestärkt werden, sowie ein altruistisches Klagerecht in Umweltangelegenheiten eingeführt werden. "

    Altruistisches Klagerecht, das heißt: Unabhängig davon, ob persönlicher Besitz oder Eigentum betroffen ist, können Bürger klagen, quasi als Anwalt der Natur, etwa gegen ein Bauprojekt. Dieses Klagerecht würde auch für Naturschutzverbände gelten. Die kritisieren die zögerliche Umsetzung der Aarhus-Konvention, sagt Marita Wudtke, Leiterin des Referats Naturschutz beim BUND-Niedersachsen:

    "Es fehlen noch etliche Schritte zur Umsetzung, sowohl auf der EU-Ebene als auch auf der Bundesebene, wo es Gesetzesentwürfe gibt, aber die seit über einem Jahr auf Halde liegen. Und Landschaftsplan ist sicherlich ein Beispiel und ein Anfang. Gravierende Beeinträchtigungen gibt es ja aber zum Beispiel durch Industrieprojekte, wo große Beeinträchtigungen der Umwelt stattfinden. "

    Das Recht auf Umweltinormationen ist zwar Teil des neu gefassten Umweltinformationsgesetzes, UIG. Aber es gilt nur auf Bundesebene. Die Länder verabschieden eigene Informationsgesetze. Getan haben dies bisher vier der sechzehn Länder: Berlin, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz. Weshalb die EU-Komission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat gegen den Bund.
    Der in der Aarhus-Konvention geforderte Zugang zu Gerichten, sagt Christina von Haaren, hat selbst auf EU-Ebene bisher nur Entwurfscharakter. Wesentlich greifbarer für Bürger und Kommunen ist da der interaktive Landschaftsplan:

    "Wir haben den interaktiven Landschaftsplan bewusst als ein Baukasten konstruiert. All die von uns entwickelten Werkzeuge sind open source. Das heißt, eine Kommune könnte sie direkt nehmen, an ihre Bedürfnisse anpassen und sie dann kostenfrei benutzen. "