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Mehr Demokratie und Raum im Internet

Parallel zum Treffen der G8-Staaten auf Okinawa fand in Yokohama eine Konferenz der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), dem jüngst aus der Taufe gehobenen, höchsten Verwaltungsgremium des Internets, statt. Bei der anstehenden Wahl der Direktoriumsvertreter durch die breite Schar der Internetbenutzer und der Einrichtung neuer Adressräume und –endungen zeigten sich die Teilnehmer allerdings uneinig.

Peter Welchering |
    Im Vordergrund der Auseinandersetzungen auf dem Treffen der ICANN in Yokohama standen vor allem zwei Themen: So konnten sich die Teilnehmer nicht einigen, wie die Systematik der Web-Adressen um neue, so genannte Toplevel-Domains erweitert werden soll. Überdies entbrannten heftige Diskussionen um die erste freie Wahl von ICANN-Direktoren durch die Benutzer selbst. Weil allerdings nur fünf der insgesamt 18 Posten durch die Wähler bestimmt werden sollen, stellten Kritiker die Demokratie des Verfahrens, das der ICANN die Legitimation als globale Internetverwaltung verschaffen soll, in Frage.

    Noch bis 1998 hielt die US-Regierung selbst die Fäden der Internetorganisation fest in der Hand: Erst auf erheblichen internationalen Druck übertrug sie die Hauptdatenbank, in der alle Internetrechner mit Protokollnummer und Webnamen gespeichert sind, auf die neu gegründete Instiution der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers. Weil aber auch die ICANN durch die USA selbst gegründet wurde, forderten Experten eine internationale Mitbestimmung am Internet: In einer freien Online-Wahl sollen jetzt Mitglieder des ICANN-Verwaltungsrates ermittelt werden.

    Allerdings herrschte in Yokohama noch Uneinigkeit über das eigentliche Wahlverfahren, die Art der Kandidatenauswahl sowie die Wahlberechtigung. Von den 18 Verwaltungsratsmitgliedern, so sieht der vorläufige Entwurf der ICANN vor, sollen lediglich fünf durch die Internet-Wahl bestimmt werden. Dabei soll jeweils ein Kandidat in Afrika, Asien, Europa, der Karibik und Lateinamerika sowie in Nordamerika gewählt werden. In zwei Jahren sollen dann weitere vier Direktoren in den Verwaltungsrat gewählt werden. Wahlberechtigt ist jeder Internetbenutzer über 16 Jahren mit einer gültigen Mailadresse, wenn er sich bis zum 31. Juli bei der ICANN zur Wahl registieren lässt. Gewählt werden kann dagegen nur, wer als Kandidat vom ICANN-Nominierungsausschuß bestimmt wurde. Die Namen der Kandidaten sollen in zwei Wochen bekannt gegeben werden. Erst danach sollen dann auch Kandidatenvorschläge aus der Internetgemeinde selbst kommen dürfen.

    Auch hinsichtlich neuer Adressräume und –endungen konnten sich die ICANN-Mitglieder nicht einigen. Allerdings gilt zumindest die Einrichtung einiger neuer Toplevel-Domains als nahezu sicher: So könnte schon ab dem nächsten Jahr die Endung .shop für Internet-Läden, .bank für die Kreditwirtschaft und .travel für Reisibüros freigegeben werden. Ob dagegen auch das Rotlichtviertel des Datennetzes mit einer eigenen Toplevel-Domain versehen werden soll, blieb in Yokohama offen.