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Mehr 'Deutsches' im Radio?

Nichts erhitzte die Gemüter der deutschen Medien- und Unterhaltungsbrache gleichermaßen: Die Radioquote für deutsche Musikproduktionen war das Thema Nummer Eins der vergangenen zwei Wochen. Die Ereignisse boten Anlass genug: 600 deutsche Künstler schlossen sich unter dem Motto "Musik in eigener Sache" zusammen und vertraten medienwirksam ihre Forderungen. Am Mittwoch gab es dazu auch eine Anhörung im Bundestag. Was ist neu an dieser alten Forderung, die alle Jahre wieder kurzzeitig heiß gekocht und dann wieder fallen gelassen wird? Und was sind die Argumente mit denen um das Für und Wider einer Quote heftig gestritten wird.

Von Eleni Klotsikas |
    Niemand von uns mag das Wort Quote, gleichwohl muss es eine Forderung geben, die ein Mindestmass an nationalem Produkt in Radioprogrammen verankert.

    Jim Rakete steht nicht allein mit seiner Forderung. "Musik in eigener Sache" ist der größte Schulterschluss deutscher Musiker seit "Band für Afrika". Von den großen Musikkonzernen im Stich gelassen wollen deutsche Künstler nun Radioprogramme in die Pflicht nehmen. Diese, so der Vorwurf, spiegeln den eigentlichen Musikgeschmack der Bevölkerung nicht wieder. Obwohl deutsche LPs die Verkaufslisten hierzulande anführen, werden die Songs im Radio nicht gespielt. Inga Humpe von 2raumwohnung:

    Wir haben uns auch wirklich erstaunliche Sachen anhören müssen von Ostrock das spielen wir nicht auch so Sachen, das ist zu polarisierend, die Deutschen wollen keine deutschen Texte hören.

    Die großen Majors Sony-BMG und Universal setzen derweil auf weltweite Vermarktung internationaler Stars. Deutsche Newcomer haben es deshalb besonders schwer, sich zu behaupten. Urgestein Udo Lindenberg sieht daher deutsche Kreativität und Wirtschaft in Gefahr.

    Wie dusslig kann ein Land sein, das gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeit den eigenen Dichtern und Denkern, Nachwuchs und Erfindern in den Arsch tritt. Das ist ja auch ein Wirtschaftszweig.

    Etwas vornehmer drückt es Xavier Naidoo aus:

    Die deutsche Sprache hat so viel zu bieten. Seelenvolle Musik. Wir kämpfen an gegen Übermächte aus dem Ausland, die das machen was einfach ist.
    Nachwuchsförderung, kulturelle Vielfalt und Unterstützung der einheimischen Musikindustrie. Die Radioquote soll hierbei als Allheilmittel dienen. Breite Unterstützung erhalten die Künstler von Bundestagsabgeordneten der SPD und Grünen im Ausschuss für Kultur und Medien. Sie verweisen mehrheitlich auf den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Auch der private Hörfunk soll nach Meinung vieler nicht verschont bleiben. Dazu: Grünen-Politikerin Claudia Roth, früher Managerin der Rockband Ton, Steine, Scherben.

    Die Rundfunkanstalten haben ja einen kulturellen Auftrag und ihrerseits auch Privilegien über Rundfunkgebühren, die Privaten über Sendelizenzen und ich finde es schwierig, wenn von dieser Seite ein Nein zur Quote kommt.

    Die ARD-Rundfunkanstalten wehren sich vehement gegen die Deutschquote. Der derzeitige Anteil deutscher Musik in den Radios richte sich exakt nach den Hörerwünschen. Dies basiere auf verlässlicher Medienforschung. Sie wollen auf Dialog mit den Musikern und der heimischen Industrie setzen und nicht auf Zwangsverordnung. Dabei berufen sie sich auf die Rundfunkfreiheit. Gernot Romann, Vorsitzender der ARD- Hörfunkkommission:

    Es kann nicht angehen, dass die Musikwirtschaft oder die Parteinen bestimmen, was die Hörer hören müssen. Für die ARD kommt weder eine Quote noch eine Selbstverpflichtung in Frage. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gerne bereit mit der Industrie den Dialog fortzusetzen und Modelle zu entwickeln, die in die Richtung gehen, wie die Industrie sie haben will.

    Weniger gesprächsbereit zeigen sich kommerzielle Hörfunkanbieter und setzen zur Gegenwehr an. Ab Montag soll auf allen Privatradios ein Werbespot gegen die Quote laufen.

    "Achtung ihre Lieblingsmusik ist in Gefahr. Es gibt Politiker, die wollen bestimmen, was in ihren Radios gespielt wird."

    Der Verband privater Rundfunkanbieter VPRT befürchtet mit der Einführung einer Radioquote Attraktivitäts- und Reichweitenverluste und droht mit Abbau von Arbeitsplätzen. Hans-Jürgen Kratz vom VPRT- Verband der privaten Rundfunkanbieter:

    Entscheidend bei der Musikauswahl ist die Qualität des Materials und die Akzeptanz bei der gewünschten Zielgruppe und zwar unabhängig von Sprache oder Herkunft der Produktion.

    Musiker Heinz-Rudolf hatte sich schon 1996 für eine Quote stark gemacht.
    Er weiß, Rundfunk ist Ländersache. Der Bund kann nur eine Empfehlung aussprechen. Was hat die Anhörung im Bundestag ihm gebracht?

    Wenn das versöhnliche Schlusswort der Radioverantwortlichen eintrifft und wenn man über das Thema permanent im Gespräch bleibt und diejenigen vielleicht anfangen nachzudenken, wir haben doch was falsch gemacht, dann wäre schon was erreicht.

    Die Einführung einer Radioquote für deutsche Musik, wie in Frankreich oder der Schweiz - ist hierzulande noch lange nicht in Sicht. Deutsche Künstler müssen daher verstärkt auf Konzerte und eigene Promotion-Strategien setzen. Musik also in eigener Sache.