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Mehr Farbe im Hundeleben

Genetik. - Etwa 3000 Menschen in Deutschland leiden an Achromatopsie und sind von Geburt an farbenblind. Schuld daran ist ein Gendefekt, durch den die Zapfen in ihrer Netzhaut nicht funktionieren. Die Krankheit ist bislang unheilbar. Ein Forscherteam aus den USA hat jetzt eine Gentherapie für Achromatopsie entwickelt. Bei farbenblinden Hunden hat die Therapie funktioniert, bald schon könnten erste klinische Studien mit menschlichen Patienten beginnen.

Von Marieke Degen |
    Farbenblind zu sein, das bedeutet weit mehr als nur keine Farben sehen zu können, sagt Andras Komáromy.

    "Die Patienten können nur Grauschattierungen sehen. Außerdem sehen sie nicht scharf. Sie brauchen eine Lupe, um normale Schriftgrößen zu entziffern. Und an sonnigen Tagen sind sie regelrecht blind, sie können nur mit extrem dunklen Sonnenbrillen vor die Tür gehen. Das Sonnenlicht tut ihnen in den Augen weh."

    Andras Komáromy arbeitet an der Universitätsklinik von Pennsylvania. Er ist Spezialist für Augenkrankheiten - bei Hunden. Auch Vierbeiner leiden an Achromatopsie, vor allem Schlittenhunde und Jagdhunde der Rasse Deutsch Kurzhaar.

    "Farbenblinde Hunde zeigen die gleichen Symptome wie Menschen. Es ist ziemlich einfach, die Hunde zu identifizieren. Wir müssen sie nur an einem sonnigen Tag ins Freie bringen. Im Sonnenlicht sind sie komplett blind und stoßen überall an. Im Dämmerlicht kommen sie dagegen gut zurecht."

    Auch die Krankheitsursache ist bei Mensch und Hund die gleiche: Ein Gendefekt. Durch den Gendefekt funktionieren die Zapfen nicht, das sind die Sinneszellen in der Netzhaut, die für das Farbsehen zuständig sind. Es gebe nur eine Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen, sagt Andras Komáromy: eine Gentherapie.

    "Bei einer Gentherapie nimmt man eine gesunde Kopie des defekten Gens und bringt es ins Zielgewebe ein, in unserem Fall also in die Zapfen der Netzhaut."

    Die Forscher nutzen dafür spezielle Genfähren. Das sind harmlose Viren, die das Gen direkt in die Zapfen schleusen und dafür sorgen, dass es dort im Erbgut eingebaut wird.

    "Das Virus ist wie ein Briefumschlag. Und das Gen, das wir einschleusen wollen, ist der Brief, den wir in den Umschlag stecken und dann in das Zielgewebe schicken."

    Andras Komáromy hat die Gene in die Netzhaut von Hundewelpen injiziert, eine Injektion pro Auge. Vier Wochen später war klar: Die Therapie hat funktioniert.

    "Unsere Tierpfleger, die jeden Tag mit den Hunden rausgehen, haben als erste gemerkt, dass sich etwas verändert hat. Dass die Tiere auch bei Tageslicht wieder sehen konnten. Wir haben die Hunde dann über einen Hindernisparcours geschickt. Vor der Injektion hatten sie damit große Probleme. Nach der Behandlung haben sie den Parcours prima gemeistert."

    Um ganz sicher zu gehen, haben die Forscher dann noch die Netzhaut der Hunde untersucht. Mit einem Elektro-Retinogramm haben sie gemessen, dass die Zapfen tatsächlich auf Lichtreize reagieren. Eine einzige Injektion hat offenbar ausgereicht, um die Sinneszellen dauerhaft wiederherzustellen. Einige Versuchshunde sind mittlerweile drei Jahre alt, sie können immer noch gut sehen. Die Gentherapie könnte bald schon an menschlichen Patienten getestet werden. Es wäre nicht das erste Mal. Seit anderthalb Jahren wird bereits eine andere Augen-Gentherapie am Menschen erprobt, eine Therapie gegen die Leber'sche kongenitale Amaourose. Mit großem Erfolg. Auch diese Therapie war zuerst an Hunden entwickelt worden. Von der Leber'schen kongenitalen Amaourose und von Farbenblindheit sind zwar nur vergleichsweise wenige Menschen betroffen. Aber:

    "Es gibt noch viele Krankheiten, bei denen die Zapfen gestört sind. Zum Beispiel die altersbedingte Makuladegeneration, die eine der Hauptursachen dafür ist, dass ältere Menschen erblinden. Wenn wir eine Therapie für Farbenblindheit entwickeln, dann könnte uns das helfen, auch Therapien für andere, häufigere Erkrankungen beim Menschen zu finden."

    Und was haben die farbenblinden Hunde davon?

    "Der Vorteil für die Hundewelt ist, dass wir den Gendefekt identifiziert haben und dass Züchter den Defekt in Zukunft herauszüchten können."

    Eine Gentherapie für Haustiere, sagt Andras Komáromy, die werde es so schnell wohl nicht geben.