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Mehr Frauen in der Wissenschaft

In Berlin tagte dieses Mal die regelmäßig stattfindende Gleichberechtigungskonferenz mit Wissenschaftlerinnen aus aller Welt. Erfreut zeigten sich die Teilnehmerinnen über die Fortschritte der vergangenen Jahre: So konnte der Anteil von Professorinnen erheblich ausgebaut werden. Doch noch hat der Gleichstellungsprozess kein Ende gefunden.

Von Daniela Siebert |
    "Ich war schon mit 15 Feministin",

    sagt Liisa Husu auf die Frage, warum sie sich mit Gleichberechtigung beschäftigt. Vor zehn Jahren hat sie die erste derartige Konferenz organisiert. Heute ist sie Mitglied im Gleichstellungskommitee an der Universität in Helsinki. Eigentlich ist sie auch stolz auf ihr Land:

    "Nach den internationalen Statistiken ist Finnland eines der führenden Länder weltweit, wenn es um die Gleichberechtigung geht. Auch für Schweden gilt das, für alle nordischen Länder!"

    Nur als Beispiel: 22 Prozent der Professoren in Finnland sind weiblich. Den Erfolg führt Liisa Husu auch darauf zurück, dass in ihrem Land Frauen schon früher Universitäten besuchten als anderswo. Spezielle Frauenförderprogramme gebe es nicht, aber Pläne zur Gleichstellung der Geschlechter. 1995 wurde außerdem per Gesetz geregelt, dass alle öffentlichen Gremien, die zum Beispiel über Forschungsgelder entscheiden, mindestens 40 Prozent Frauenanteil haben müssen. Allerdings ist auch in Finnland nicht alles Gold was glänzt:

    "Eigentlich sollten alle Universitäten einen Gleichstellungsplan haben. So steht es im Gesetz. Aber nicht alle haben das gemacht. Immerhin sind die technischen Hochschulen alle dem Gesetz gefolgt."

    Viel Aufmerksamkeit findet auf der Konferenz auch die spanische Professorin Capitolina Diaz. Denn in ihrer Heimat gibt es ein brandneues einschlägiges Gesetz und sie leitet die Abteilung für Frauen und Wissenschaft im Erziehungsministerium:

    "Im März hat die spanische Regierung ein Gesetz verabschiedet, dass an den Universitäten Gleichheit auf allen Ebenen vorschreibt. Das Gesetz ist jetzt in Kraft, d. h. alle Berufungs- oder Fördergremien, alle Ebenen der Professorenschaft müssen ein Verhältnis von 40 Prozent Frauen zu 60 Prozent Männer aufweisen. Gleichberechtigung wird so eine Art Philosophie für alle Uni-Aktivitäten."

    Sanktionsmechanismen, wenn eine Universität das Gesetz nicht implementiert, gebe es nicht, sagt sie. Trotzdem strotzt Diaz vor Zuversicht und Optimismus, dass das nicht passieren werde. Nicht so wie in Deutschland:

    "”Deutschland hatte ja eigentlich auch solche Gesetze. Nur dass die Universitäten sich nicht daran halten. Ich weiß aber nicht, warum das so ist.""

    Auch in der Schweiz guckt man sehr genau, was in Deutschland passiert. Schließlich ist dort die Situation noch schlechter als hier. Aber die Eidgenossen holen auf: Seit 2000 haben sie mit einem speziellen Förderprogramm zur Chancengleichheit den Anteil von Professorinnen auf 14 Prozent verdoppelt. Die neue Zielmarke lautet nun 25 Prozent.

    Mentoren und Kitas an den Unis sind wichtige Faktoren in diesem Programm. Als gute Methode auch für andere Länder empfiehlt Christa Sonderegger das "Win Women into Industry"- Programm, das ihre Baseler Universität mit dem Pharmariesen Novartis betreibt. Denn die Teilnehmerinnen können eigenverantwortlich eigene Projekte realisieren und werden dabei von Mentoren aus der Industrie individuell unterstützt

    "Das ist enorm erfolgreich, weil beide Seiten sehr davon profitieren: die Nachwuchswissenschaftlerinnen, die daran teilnehmen können, weil die einen Einblick bekommen in die Industrie und sich dann besser entscheiden können, welche Richtung wollen sie: weiter in der Akademie bleiben oder in die Industrie? Auf der anderen Seite ist es auch spannend für den Industriebetrieb selbst."

    Sonderegger ist auch Präsidentin der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den Schweizer Universitäten. Den europäischen Bologna-Prozess beobachtet sie mit Sorge:

    "Wie er sich wirklich auswirkt, das kann ich im Moment fast noch nicht beantworten. Wir haben ursprünglich uns mal überlegt: Was sind eigentlich die Gefahren und denken, es ist die ‚leaky pipeline’, also dass das Ausscheiden von Frauen bei jeder Karrierestufe natürlich verschärft werden könnte durch ein zweistufiges Studiensystem."

    Vom Bologna-Prozess hat Lynette Browning auch schon mal gehört. Auf der Konferenz hofft sie mehr darüber zu erfahren. Lynette Browning ist wohl die am weitesten angereiste Teilnehmerin: Sie kommt aus Adelaide in Australien. Frauen hätten überall die gleichen Probleme, beobachtet sie auch am anderen Ende der Welt.

    In Australien habe man gute Erfahrungen mit Förderprogrammen gemacht, die Frauen in Führungspositionen bringen sollen, erzählt Browning, die solche Programme auch selbst betreut. 17 Prozent Frauenanteil bei den Professoren hätten sie damit schon erreicht, 30 sollen es mal werden:

    "Unsere Strategien umfassen die Unterstützung durch die jeweiligen Chefetagen, Abkommen mit der Industrie - etwa, was flexible Arbeitszeiten angeht -, bezahlten Mutterschaftsurlaub. Chefs müssen die Rückkehr in den Beruf nach der Elternpause unterstützen und nicht zuletzt müssen die Frauen unterstützt werden, sich erfolgreich auf Posten zu bewerben."

    Allen Konferenzteilnehmerinnen ist klar: Eine schnelle einfache Lösung für das Problem wird es auch in Berlin nicht geben. Schon 2009 wollen sie sich deshalb in Stockholm wieder treffen und erneut Erfahrungen austauschen.