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Mehr Geld für Medikamente

Die Gesamtausgaben für Medikamente sind in den vergangenen Jahren in Deutschland gestiegen. Dies liegt nicht etwa daran, dass mehr Arzneien eingenommen werden, sondern an den steigenden Preisen für Medikamente, so der Arzneiverordnungs-Report 2009.

Von Philip Banse |
    Die Deutschen schlucken weniger Medikamente - und trotzdem steigen die Ausgaben für Arzneimittel - vor allem, weil patentgeschützte Medikamente immer teurer werden, urteilt der Arzneiverordnungs-Report 2009, der auf über 700 Millionen Rezepten fußt. So mussten die gesetzlichen Krankenkassen 2008 5,3 Prozent mehr an Pharmakonzerne überweisen, erklärt Dieter Paffrath, Chef der AOK Schleswig-Holstein und Herausgeber des Arzneiverordnungsreports.

    "Das ist die größte Ausgabensteigerung bei allen wichtigen Leistungspositionen der Krankenkassen. Deswegen erhöht sich der Anteil der Arzneimittel an unseren Gesamtausgaben auf inzwischen 18,2 Prozent. Das ist also für Arzneimittel mehr, als die Ärzte bekommen. Auch in 2009 werden wir wahrscheinliche eine Steigerungsrate haben, die über fünf Prozent liegt. Damit entwickeln sich die Arzneimittel zu einer immer größeren Ausgabenposition bei den Krankenkassen. Da muss was getan werden."

    Denn 2008 hätten die Kassen 3,4 Milliarden Euro einsparen können, die Beiträge könnten sinken. Aber wie lassen sich diese Einsparungen umsetzen? Den dicksten Posten machen die sogenannten Analogpräparate aus - hier schlummert nach Ansicht der Autoren die Hälfte des Einsparpotenzials: 1,7 Milliarden Euro. Analogpräparate sind patentgeschütze, damit teure Medikamente, die sich von billigen Generika chemisch kaum unterscheiden, auf jeden Fall keinen medizinischen Zusatznutzen bringen. Hier müssten Ärzte - aber auch die Krankenkassen - besser darauf achten, dass das gleich gute, aber viel billigere Generikum verschrieben wird, sagt AOK-Vertreter Paffrath:

    "Bei den Analogpräparaten sehen wir als simpelste Methode schlicht und einfach den Verzicht. Analogpräparate sind ja dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Patent bekommen haben für eine Molekülvariation, die pharmakologisch nicht überzeugend ist. Das heißt also, der Zuwachs an Wert, den dieses Arzneimittel bekommen hat, ist umstritten. Und da ist die einfachste Methode: Man nehme das nächstgelegene Generikum und erreiche einen wahrscheinlich gleich großen Erfolg."

    Doch auch bei den Generika selbst lassen sich über eine Milliarde Euro einsparen, sagen die Autoren. Generika sind ja Nachahmermedikamente von Arzneien, deren Patenschutz ausgelaufen ist. Generika sind daher viel billiger als das Original. Doch gibt es oft sehr viel Generika mit dem gleichen Wirkstoff, etwa bei Kopfschmerztabletten - aber die Preisunterschiede zwischen diesen an sich günstigen Generika mit dem gleichen Wirkstoff sind enorm, sagt Professor Ulrich Schwabe von der Uni Heidelberg, Autor des Verordnungsreports:

    "Bei Generika müssen wir immer das günstigste Arzneimittel nehmen. Nur durch die massiven Preisunterschiede lassen sich 1,1 Milliarden Euro einsparen."

    Würden diese Generika zudem so viel kosten wie im Ausland, ließen sich sogar über drei Milliarden Euro einsparen. Neben Analogpräparaten und Generika gibt es die patentgeschützten sogenannten innovativen Medikamente, also völlige Neuentwicklungen, für die es keinen Ersatz gibt. Auch hier müssten die Kosten gedrückt werden. Die Autoren des Reports halten solche Medikamente für notwendig, allerdings müsse der Preis dieser neuartigen Medikamente gedeckelt werden dürfen, fordert Professor Schwabe, wie es etwa die Schweiz bei einem Impfstoff für Gebärmutterkrebs getan habe.

    "Da haben die Schweizer Kantone sich zusammengesetzt, eine zentrale Kommission beauftragt und gesagt: Verhandelt mal mit der Pharmaindustrie, das zahlen wir nicht, das ist zu teuer. Dann haben die den Preis um 40 Prozent runtergehandelt. Hier darf das nicht gemacht werden. Das ist ein innovatives Arzneimittel und dafür gibt es keine Preisobergrenzen in Deutschland. Das ist allein die Entscheidung der Firma, wie viel sie für ein neues Arzneimittel nehmen will."