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Mehr Geld für Studenten

Die EU bündelt ihre Bildungsprogramme für Schüler, für Erwachsene und Studenten unter dem Begriff "Lebenslanges Lernen" und will mehr Geld dafür locker machen. Profitieren werden besonders die Studierenden, die mit einer Verdoppelung ihrer Stipendien rechnen können.

Interview mit Siegbert Wuttig, Experte für EU-Bildungsprogramme beim DAAD |
    Pfister: Jeder 100. Student in Europa studiert mit Erasmus in einem anderen europäischen Land. Das sind nicht genug, sagt die EU-Kommission, und das sagt vor allem das Europäische Parlament, und nach zähem Ringen um den ohnehin mageren Bildungsetat der Union heißt es jetzt, die EU bündelt ihre Bildungsprogramme für Schüler, für Erwachsene und Studenten unter dem Begriff "Lebenslanges Lernen". Dafür will sie insgesamt mehr Geld locker machen. Die großen Profiteure dieser Entwicklung sollen in den kommenden Jahren die Studenten sein. Mehr über die Details weiß Siegbert Wuttig, Experte für die EU-Bildungsprogramme beim DAAD, beim Deutschen Akademischen Austauschdienst. Herr Wuttig, was bedeuten die neuen Förderrichtlinien, die neuen Förderprogramme für einen deutschen Studenten, der in Europa studieren will?

    Wuttig: Es bedeutet für viele Studierende in Europa, nicht nur für deutsche, aber auch die deutschen, dass sie in den nächsten Jahren wie in den vergangenen Jahren in verschiedene Länder, insgesamt 31 Länder der Europäischen Union für einen gewissen Abschnitt des Studiums - bis maximal 12 Monate - studieren können, und das mit einem besseren Stipendiensatz als bisher.

    Pfister: Bislang liegt ein Stipendium im Schnitt finanziell bei 100 Euro im Monat, so viel bekommt ein Student aus dem Erasmus-Fördertopf. Wie viel kann er jetzt erwarten?

    Wuttig: Wir planen für die nächsten Jahre den Stipendiensatz in Deutschland zu verdoppeln im Monat, das heißt also auf durchschnittlich 200 Euro im Monat zu erhöhen, und gleichzeitig muss man ja in Rechnung stellen, dass die Studierenden nicht nur ein kleines Beiwerk kriegen, sozusagen ein Taschengeld im Monat, sondern auch Studiengebührenbefreiungen an den Gasthochschulen, auch dieses ist ja ein geldwerter Vorteil.

    Pfister: Derzeit nimmt rund ein Prozent aller europäischen Studenten an einem Erasmusaustausch teil. In fünf Jahren sollen es doppelt so viele sein. Was macht sie optimistisch, dass das klappen kann?

    Wuttig: Ja, zunächst für die Studierenden alleine hat sich die Marke Erasmus herumgesprochen, das Studium im Ausland an sich ist ein Wert, das ist ein Karrierebaustein, das ist wichtig für die spätere Beschäftigung im weitesten Sinne, und gleichzeitig sind die Hochschulen immer mehr sozusagen ausgerichtet darauf, ihre Curricula, ihre Studiengänge zu internationalisieren, also mehr Bausteine einzubauen, die auch ein Auslandsstudium ermöglichen für die Studierenden. Also einerseits individuelles Interesse der Studierenden, andrerseits auch ein Interesse der Hochschule, internationaler sich aufzustellen, auch wettbewerbsfähiger dadurch zu sein, und ich glaube, das bisschen Geld, das ich eben erwähnt habe, das es auch mehr gibt, ist ein zusätzlicher Anreiz für die Studierenden.

    Pfister: Allerdings muss man sagen, das wissen Sie als DAAD-Fachmann am besten, im Vergleich zu den recht üppig dotierten Förderprogrammen beispielsweise des DAAD gelten Erasmusstipendien doch als sehr mager. Empfinden Sie das anders?

    Wuttig: Es ist nicht so, wie Sie sagen, weil innerhalb von Europa für deutsche Studierende auch der DAAD nur Teilstipendien vergibt, und der Unterschied zwischen einem DAAD-Stipendium in der Höhe gegenüber einem Erasmusstipendium ist in der Zukunft gar nicht mehr so beträchtlich. Zum anderen ist die Zielsetzung auch der beiden Programmrichtungen ganz unterschiedlich.

    Der DAAD will die Besten fördern, er will eine Eliteförderung machen, Talente schmieden sozusagen. Erasmus will möglichst viele Studierende in Europa erreichen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, in andere Länder zu gehen. Es hat auch eine politische Zielsetzung natürlich mit dem Programm, Europa den Bürgern näher zu bringen, die Studierenden einander näher zu bringen, Kulturen aneinander näher zu bringen usw. Es ist ein Massenprogramm, und deswegen sind die Sätze auch ein bisschen niedriger, die Auswahlen sind nicht so selektiv, wie das zum Beispiel bei den DAAD-Programmen der Fall ist.

    Pfister: Die Erasmusaufenthalte können zwischen drei und zwölf Monate dauern. Jetzt sind die neuen Studiengänge Bachelor und Master aber eher auf kürzere Studienzeiten angelegt. Rechnen Sie damit, dass sich die Erasmuszeiten künftig auf ein Semester dann eher beschränken werden?

    Wuttig: Was wir im Moment in der Tat schon in den letzten Jahren sehen, ist eine kleine Reduktion der Auslandsaufenthaltsdauer. Wir sind jetzt etwa bei sechs Monaten, und das ist im Prinzip das, was wir aus Umfragen bei den Hochschulen auch wissen, dass sich der Auslandsaufenthalt von Studierenden in dem dreijährigen Bachelor zum Beispiel bei einem Semester einpendeln kann. Zudem kann man sagen, dass es natürlich auch eine ganze Reihe von abgesprochenen, integrierten Programmen gibt, zum Teil mit Doppeldiplom, in denen dann auch eine längere Aufenthaltsform von bis zu einem Jahr auch möglich sein wird.

    Pfister: Was wenig bekannt ist, ist, dass auch Hochschullehrer über Erasmus ins Ausland gehen können. Jetzt wird das Programm aber auch noch auf andere Hochschulangehörige ausgeweitet.

    Wuttig: Das ist richtig. Die Hochschullehrer können nach wie vor Kurzzeitdozenturen im europäischen Ausland mit dem Programm absolvieren. Neu ist in der Tat, dass jetzt auch das Verwaltungspersonal der Hochschulen mit dem Programm erreicht wird, und wie ich immer sage, dann der Hausmeister genauso wie der Kanzler eine gewisse Zeit lang im Ausland verbringen kann. Letztlich ist es ein Beitrag dazu, die Internationalisierung auf alle Teile der Hochschulen zu erstrecken.

    Pfister: Was ist noch neu an diesem Programm für lebenslanges Lernen?

    Wuttig: Neu ist für uns im Hochschulbereich natürlich auch, dass die so genannten Intensivprogramme, das sind Sommerschulen, Blockseminare von zwei bis sechs Wochen, dass die sozusagen dezentral auch bei DAAD beantragt werden können, das ist eine Verwaltungsvereinfachung auch für die Hochschulen, das sind internationale Sommerschulen und Blockseminare, an denen wenigstens drei Länder beteiligt sind.

    Pfister: Wir haben vor einer ganzen Weile schon mal im Vorausblick über dieses Programm berichtet, damals war der Tenor unseres Berichterstatters, das Budget für den Studentenaustausch wird erhöht, das für andere Bereiche, Schüler, Erwachsene, Berufstätige aber gekürzt. Was ist da dran?

    Wuttig: Es ist nichts daran. Es ist im Gegenteil so, dass Gott sei Dank nach den Budgetnachverhandlungen im Zusammenhang mit der Budgetbestimmung für die nächsten sieben Jahre der EU der Bildungsbereich insgesamt eine beträchtliche von Zahl von Euro, und Hunderte Millionen von Euro mehr bekommen hat, und dass alle Bildungsbereiche, der Schulbereich genau so wie der Hochschulbereich, aber auch der Berufsbildungsbereich und der Erwachsenenbildungsbereich davon profitieren. Es ist in der Tat aber richtig, dass der Hochschulbereich Erasmus mit mindestens 40 Prozent Budgetanteil der größte Teil in diesem großen neuen Programm "Lebenslanges Lernen" ist.

    Pfister: Vielen Dank an Dr. Siegbert Wuttig, Experte für die EU-Bildungsprogramme bei Deutschen Akademischen Austauschdienst.