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Mehr Intelligenz für Herzschrittmacher

Medizin. - In komplexen Fabriken und Produktionsanlagen sind so genannte autonome Systeme schon lange etabliert: Vom Autobau bis zum Hochofen übernehmen sie nicht nur lästige oder gar gefährliche Arbeiten, sondern optimieren auch das Zusammenspiel einer Vielzahl unterschiedlicher Maschinen zu einem reibungslosen und hocheffizienten Fertigungskonzert. Allerdings erst in jüngster Zeit halten die nüchtern kalkulierenden Geräte auch Einzug in ein Gebiet, das einerseits von wechselnder Regulation profitieren kann, andererseits aber auch auf 100prozentige Sicherheit angewiesen ist: die Medizintechnik. Bis Dienstag erörtern Ingenieure und Ärzte die Fortschritte auf diesem Gebiet im Rahmen des Workshop "Automatisierung in der Medizin" an der Universität Bochum.

    Das Einsetzen eines Herzschrittmachers ist heute alltägliche Routine in der Medizin und wird jedes Jahr bei mehreren Tausend Patienten durchgeführt. Dabei entwickelte sich die Technik vom klobigen Lebensretter zum elegant unauffälligen Hightech-Winzling, der nicht nur für einen regelmäßigen Puls sorgt, sondern seine Impulse überdies automatisch an die Erfordernisse, wie etwa sportliche Aktivität, anpasst. Trotzdem sieht Professor Jürgen Werner dabei weiteren Raum für Verbesserungen: "Die Mehrheit der Geräte ist mit einem Beschleunigungssensor versehen, der auf Körperbewegungen reagiert und die Herzfrequenz beschleunigt. Dabei kommt es aber auch zu Fehlinterpretationen." Beispielsweise legten die Apparate eine heftige Bodenwellen während einer Autofahrt mitunter fälschlicherweise als starke Körperbelastung aus und erhöhten dann automatisch die Schlagfrequenz des Muskels.

    Die Bochumer Forscher versuchen solche Nebenwirkungen auszuhebeln, indem sie auch die physiologisch ansteigende Kontraktionskraft des Herzens unter stärkerer Belastung an den Schrittmacher übermitteln. Dazu entwickelten die Wissenschaftler um Jürgen Werner eigens einen faseroptischen Sensor, dessen am Ende verspiegelte Glasfaser zusätzlich in die Schrittmachersonde eingefügt wird. Der Effekt: Bei größerer Herzarbeit wird die Glasfaser stärker verkrümmt und ändert entsprechend auch die Lichtleitung auf dem Weg vom Schrittmacher zum Spiegel und wieder zurück. "Dieses Maß für die Kontraktionskraft der Herzens wird in einer von uns entwickelten optoelektronischen Einheit ausgewertet, die wiederum den Schrittmacher entsprechend reguliert", erklärt Professor Werner. Bislang profitierten allerdings nur Bochumer Versuchsschweine von der raffinierten Neuentwicklung. Bis auch klinische Tests in ausreichendem Umfang absolviert sind, werde es noch eine ganze Weile dauern, betont Werner.

    Auch ein intelligentes Implantat, dass einmal Patienten mit grünem und grauem Star in die Augenlinse eingesetzt werden soll, befindet sich noch in der Testphase: "Dieser Transponderchip ermittelt den Augeninnendruck und überträgt ihn passiv und berührungslos nach außen", erläutert Torsten Eggers vom Herstellerunternehmen. Damit könnte etwa der richtige Zeitpunkt für eine Arzneieinnahme signalisiert werden und so die Schädigung der Linse sowie der neuronalen Augenelemente verringert werden.

    [Quelle: Kay Müllges]