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Mehr Jugendliche mit Bluthochdruck

Bluthochdruck beginnt oft schon im frühen Kindesalter, wird aber meist nicht entdeckt und behandelt, weil bei Kindern gar kein Bluthochdruck vermutet wird. Wissenschaftler der Berliner Charité haben jetzt nachgewiesen, dass Jugendliche mit Bluthochdruck auch eine hohe Konzentration an einem ganz bestimmten Hormon haben. Wenn dies rechtzeitig erkannt und beeinflusst wird, könnte Bluthochdruck wirksamer behandelt werden.

Von William Vorsatz |
    Im Labor der Charité in Berlin steht ein großer Eisschrank. Voll mit Blutproben, tiefgekühlt, bei minus 26 Grad. Die Biochemikerin Vera Jankowski:

    "Wir haben hier in diesem Kühlschrank Proben, die noch weiter analysiert werden müssen, um weitere Informationen zu bekommen, damit wir ein neues Medikament entwickeln können, das gegen diese Volkskrankheit Bluthochdruck helfen kann."

    Die Forscherin ist so optimistisch, weil ihr Team ein Hormon entdeckt hat, das offenbar eine zentrale Rolle für die Entstehung von Bluthochdruck spielt. Uridin-Adenosin-Tetraphosphat, kurz Up4A. Bei Versuchen mit Ratten haben sie herausgefunden, dass ein erhöhter Spiegel dieses Hormons den Blutdruck der Tiere langfristig ansteigen lässt. Daraufhin haben sie verschiedene Proben mit Blutplasma von Jugendlichen untersucht. 40 Proben von gesunden Jugendlichen sowie 40 von Jugendlichen mit Bluthochdruck. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass das Blut der Hochdruckgruppe mehr Up4A enthält. Dadurch haben diese Jugendlichen schlechte Aussichten. Sie werden ohne medizinische Hilfe kaum wieder in einen normalen Blutdruckbereich kommen. Der Biochemiker Joachim Jankowski:

    " Die Ursache, warum eine hohe Up4A-Konzentration beispielsweise dazu führt, dass die Patienten zunehmend an Bluthochdruck und Herz-Kreislaufbedingungen leiden, liegt daran, dass das Hormon dazu führt, dass das Herz vermehrt wächst, und dass die Gefäße vermehrt wachsen. Und dieses vermehrte Wachstum wiederum ist erstmal eine Gegenregulationsmechanismus, aber dieses vermehrte Wachsen der Herzmasse und der Gefäßmasse führt wieder dazu, das der Blutdruck als solches ansteigt. Das ist im Prinzip ein Teufelskreis. "

    Und der wird selten durchbrochen, weil Kinder bisher nicht gezielt auf Bluthochdruck untersucht werden. Noch glauben die meisten Ärzte, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein Problem von Älteren seien. Das stimmt so aber nicht. Schon drei von hundert Kindern haben zu hohen Blutdruck. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher sein. Und es werden immer mehr. Schuld daran sind zunehmendes Übergewicht, Bewegungsmangel und Stress.

    Aber selbst wenn der Bluthochdruck behandelt wird, geschieht das bisher immer nur indirekt. Herkömmliche Blutdruckmedikamente senken nämlich nicht den erhöhten Up4A-Hormonspiegel, sondern aktivieren lediglich Gegenspieler im Körper, die den Blutdruck dann in Schach halten. Werden die Medikamente abgesetzt, steigt der Bluthochdruck sofort wieder.

    Um ihn im Alter wirksam in den Griff zu kommen, muss schon bei den Kindern angesetzt werden, fordern die Charité-Wissenschaftler. Die Lebensumstände der Kinder müssen sich wieder ändern. Konkret heißt das: mehr Sport und Bewegung, leichteres, gesunderes Essen und weniger Stress. Aber das allein reicht nicht, betont Joachim Jankowski:

    "Um diesen Prozess zu stoppen, ist es sicherlich wichtig, ohne Zweifel, den Blutdruck so früh zu erkennen wie möglich, und die derzeitigen Therapieempfehlungen, dass man sagt, man soll Erwachsene screenen, bezüglich ihres Bluthochdrucks, und das wird ja auch in der Regel im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung gemacht, die sollten mit Sicherheit ausgeweitet werden auch auf die Herz-Kreislauf-Entwicklung von Kindern."

    Wenn dazu eines Tages auch noch neuartige Medikamente kommen, die den Blutdruck direkt und nachhaltig verringern können, dann besteht berechtigte Hoffnung: dass der Bluthochdruck als Massenepidemie zurückgedrängt wird.