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Mehr Macht für Brüssel

Die Spekulationen um das griechische Hilfspaket haben auch Spanien wieder schwer geschadet. Regierungschef Zapatero fordert daher mehr Verantwortungsbewusstsein von den mächtigen Ländern der Eurozone.

Von Hans-Günter Kellner | 15.07.2011
    Die Botschaft aus Madrid ist klar: Das Hilfspaket für Griechenland muss schnell geschnürt werden, eine Beteiligung der privaten Gläubiger würde als Kreditausfall gewertet werden und eine Kettenreaktion in ganz Südeuropa auslösen, warnt die spanische Regierung. Denn die Spekulationen um Griechenland haben längst auch Spanien wieder mit in den Sog gezogen. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero fordert wörtlich "Verantwortungsbewusstsein besonders von den mächtigen Ländern in Europa":

    "Gibt es neue negative Daten aus Spanien? Nein! Das Problem sind die griechischen Schulden und wie die Debatte um die private Beteiligung daran eröffnet worden ist. Diese Diskussion hat man schlecht begonnen, und man hat sie nicht beendet. Wenn man einen Vorschlag macht, muss der gut definiert sein und man muss die Konsequenzen kennen. In dieser entscheidenden Frage meint Spanien, dass es jetzt nicht der richtige Moment ist, Formeln zur privaten Beteiligung auszuloten. Es sei denn, man hat einen ernsthaften und glaubwürdigen Vorschlag, der Vertrauen schafft. Andernfalls provoziert man neue negative Kosequenzen."

    Die zornige Botschaft ging klar an Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble, der vehement eine Beteiligung von Banken und Versicherungen am neuen Hilfspaket für Griechenland fordert. Spanien sieht einen Zusammenhang zwischen dieser Debatte in Berlin und den Unruhen auf den Finanzmärkten. Der Erfolg der spanischen Anstrengungen könnte in Gefahr geraten, warnt der Regierungschef:

    "Wir, die große Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Eurozone, haben große Anstrengungen unternommen, um die Defizite unserer Haushalte zu senken. Wir haben Strukturreformen durchgeführt. Wir garantieren die Finanzierung unserer Länder und unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Gläubigern. Diese ganze Arbeit machen wir doch nicht umsonst!"

    Weitaus gelassener wirkt José Ramón Pin. Der Wirtschaftsprofessor an der IESE Business School in Madrid fürchtet auch keine gravierenden Konsequenzen, wenn einzelne Sparkassen jetzt den Banken-Stresstest nicht bestehen, wie von der Presse angekündigt. Die hohen Zinsen für spanische Staatsanleihen sieht er sogar positiv – für die Investoren:

    "Die spanischen Bonds sind sehr rentabel. Wir zahlen ja immerhin vier Prozent. Ein Ausfall ist doch eher unwahrscheinlich. Die Frage ist höchstens, ob Spaniens Staatsanleihen so rentabel wie Aktien sind. Sicherer sind sie ganz bestimmt. Man muss wirklich nicht verrückt sein, um jetzt in Staatsanleihen zu investieren."

    Die große Bewährungsprobe komme für Spanien allerdings im Oktober. Da müsse sein Land mehr als 22 Milliarden Euro auf den Märkten refinanzieren – also neue Schulden aufnehmen, um alte bezahlen zu können, erklärt er. Um die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu beenden, müsse Europa endlich die notwendigen politischen Maßnahmen ergreifen:

    "Niemand hat bisher eine Theorie entwickelt, wie ein Territorium mit einer einheitlichen Währung ohne einheitliche Steuerpolitik funktionieren kann. Wir brauchen ein europäisches Wirtschafts- und Finanzministerium, das die Steuern und Ausgaben in ganz Europa festgelegt. Entweder wir lernen, wie man in diesem Chaos eine Währungs- und Finanzpolitik gestaltet, oder wir konzentrieren die Wirtschaftsmacht in einem europäischen Ministerium."

    Chaos oder mehr Macht für Brüssel also. Schon Zapatero hatte 2010 zu Beginn der spanischen Ratspräsidentschaft eine bessere Koordination der Finanzpolitik in Europa gefordert – mit Sanktionen bei Verstößen. Bundeskanzlerin Merkel lehnte den Vorschlag damals ab. José Ramón Pin weiß, dass auch sein Vorschlag auf Widerstände treffen würde, zumal die EU dafür erneut reformiert werden müsste. Denn wenn die EU-Kommission Funktionen einer Regierung übernehme, müsste sie auch vom Europäischen Parlament gewählt werden:

    "Wir müssen doch sehen, dass der Stabilitätspakt 68-mal gebrochen worden ist. Und zuerst von Frankreich und Deutschland. Das ist doch der Beweis für das Demokratiedefizit: Die EU-Kommission hat nicht die Autorität, Sanktionen zu verhängen. Weil sie nicht durch Wahlen legitimiert ist."