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Mehr Nachhaltigkeit mit weniger Geld

Der Erfolg des Autos hat viele Stadtplaner buchstäblich überrollt. Im baskischen Hauptstadt Vitoria-Gasteiz, derzeit amtierende Umwelthauptstadt Europas, diskutieren Experten über nachhaltige Lösungen für urbane Verkehrsprobleme.

Benjamin Hammer im Gespräch mit Georg Ehring | 25.09.2012
    Georg Ehring: Herr Hammer, das Klischee über eine Stadt in Südeuropa besagt: Es ist laut und gibt eine Menge Verkehrsstaus. Und jetzt will die Umwelthauptstadt 2012 besonders nachhaltig sein. Funktioniert das?

    Benjamin Hammer: Also diese Stadt, Vitoria-Gasteiz – die stemmt sich förmlich gegen das Südeuropa-Klischee. Als ich hier vor zwei Tagen angekommen bin, da habe ich viele hupende Mopeds erwartet und viel Stau. Aber die Stadt hat irgendwie mehr von Münster, als von Südeuropa. Es gibt viele Radwege, viele Radfahrer. Es gibt Buslinien und Straßenbahnen, die gut aufeinander abgestimmt sind. Um den Titel Umwelthauptstadt kann man sich bewerben, im vergangenen Jahr durfte übrigens Hamburg diesen Titel tragen. Hier in Nordspanien hat man die Jury unter anderem damit überzeugen können, dass der Wasserverbrauch der Bewohner nur halb so groß ist, wie im Landesdurchschnitt und, dass jeder Einwohner nur 300 Meter laufen muss, bis er in einem Park oder einer Grünfläche ist. Vitoria-Gasteiz, das ist ja die Hauptstadt des Baskenlandes in Nordspanien und hier leben ungefähr eine Viertelmillion Menschen. Und für den Bürgermeister, Javier Maroto, hat das eine Signalwirkung:

    "Wir haben schon große Städte gesehen in der Liste der Umwelthauptstädte Europas, aber Vitoria ist die erste etwas kleinere Stadt, die diesen Titel trägt. Für Europa ist das besonders wichtig, denn 80 Prozent der Europäer wohnen in Städten, die in etwa so groß sind wie Vitoria. Die sind nicht wie Rom, London oder Paris. Und deshalb haben wir auch eine besondere Verantwortung: Unseren Erfolg mit anderen Orten zu teilen."

    Ehring: Und in dieser Umwelthauptstadt gibt es jetzt das Forum CIVITAS, bei dem es unter anderem um den nachhaltigen Verkehr geht. Was ist das genau?

    Hammer: Also, dass die Europäische Union die Umwelt schonen will, dass man den CO2-Ausstoß reduzieren will, das ist ja wirklich nicht neu. Relativ neu ist aber die Erkenntnis, wie wichtig die Städte bei diesem Plan sind. Vor zwölf Jahren hat die EU-Kommission daher das CIVITAS-Programm gegründet, es soll Städten in ganz Europa ein Forum bieten. Die Städte können sich mit besonderen Verkehrsprojekten bewerben und bekommen dann dafür Fördergelder von der EU. Bei CIVITAS geht es um Mobilität. Die Bürger von Europas Städten sollen vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen und es soll öffentliche Leihfahrräder geben. Dazu muss man wissen, dass die meisten Städte in Europa eben nicht Münster oder Vitoria sind – sondern oft ziemliche Automolochs mit großen Abgasproblemen.

    Ehring: Wie sieht es dann mit der Umsetzung aus?

    Hammer: Ja, das ist es, was hier in Vitoria einigen Sorgen bereitet. Die CIVITAS-Projekte seien ja schön und gut, hat mir ein Kongressteilnehmer berichtet, aber die Strategien müssen dann auch in vielen Städten angewendet werden. Und da scheitert es häufig am Geld. In Portugal zum Beispiel fließt nur rund 1 Prozent der EU-Strukturgelder in die sogenannte urbane Mobilität, ein ziemlicher Kleckerbetrag also. Und jetzt kommt auch noch die Euro-Finanzkrise dazu. Ich habe den Bürgermeister von Vitoria gefragt, ob er sich sorge, dass durch die Wirtschaftskrise der grüne Wandel in Städten zum Erliegen kommen wird. Er ist da aber optimistisch.

    "Die Städte, die jetzt grüne, nachhaltige Politik machen, werden die Ersten sein, die die Probleme der Finanzkrise lösen. Es geht jetzt darum, dass wir mit etwas weniger Geld mehr schaffen und Nachhaltigkeit fördern. Und das wiederum hilft uns dann bei den Finanzen. Denn wenn wir Umweltschäden verhindern, dann sparen wir damit Geld und öffentliche Mittel."

    Vielleicht steht der Bürgermeister mit dieser Haltung in Spanien aber ein bisschen alleine da. Javier Maroto gehört der konservativen Regierungspartei an – und die hat in Madrid bei der Energiewende in diesem Jahr ordentlich auf die Bremse getreten. Da wurde zum Beispiel die Solarförderung drastisch gekürzt. Wenn die Regierungen bremsen, das sagen hier auf dem CIVITAS-Kongress viele Teilnehmer, dann müssen eben die Städte versuchen weiter voranzuschreiten. Nantes in Frankreich ist übrigens die Umwelthauptstadt Europas im kommenden Jahr.