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Mehr Platz für Hühner

Die Agrarminister der Bundesländer reden am Donnerstag nicht nur über die Reform der Europäischen Agrarpolitik, heiß umstritten ist auch ein weiteres Thema, das am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung steht: Die Frage, wie Legehennen künftig gehalten werden sollen. Die Käfighaltung soll ab dem Jahr 2007 verboten werden, doch eine ganze Reihe von Bundesländern will dieses Verbot wieder kippen - unter anderem mit dem Verweis auf Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Ausland. Am Donnerstag haben sich Tier- und Umweltschutzverbände dazu geäußert.

Autor: Andreas Baum | 27.11.2003
    Zunächst hat sich heute in Berlin der deutsche Tierschutzbund geäußert. Dessen Präsident, Wolfgang Apel, fordert, dass die Bundesregierung bei ihrer Absicht bleibt, die Käfighaltung für Legehennen zu beenden, und zwar bis zum 1.1. des Jahres 2007. Leider aber gibt es aus Sicht des Verbandes Grund zur Sorge, dass einige Bundesländer dieses Vorhaben im Bundesrat torpedieren werden:

    Man muss bis zuletzt befürchten, dass die Bundesländer das Legehennenhaltungsverbot, also das Käfighaltungsverbot, das zum 1. Januar 2007 in Kraft tritt, aufheben wollen. Hier gibt es Bestrebungen, und wir sehen einen erheblichen Gegenwind seitens der Eierindustrie, das sieht man heute auch wieder in allen Zeitungen. Insofern müssen wir sehen, dass wir die Bundesländer davon abbringen, Niedersachsen und Sachsen zu folgen und den so genannten strukturierten Käfig oder auch Kleingruppenhaltung umzusetzen. Das würde bedeuten, wir ersetzen Käfig durch Käfig, das wollen wir nicht, wir wollen die Zeit nutzen, um jetzt eine vernünftige Lösung, ein vernünftiges Management in der Boden- und Freiland- und Volierenhaltung zu bekommen.

    Die genannte Kleingruppenhaltung ist nach Ansicht der Tierschützer kein Fortschritt: Denn immer noch sehe dieser Vorschlag zu wenig Platz pro Legehenne vor, nämlich kaum mehr als die Fläche eines Din-A-4-Blattes. Das Nester-Bauen, das Sitzen auf Stangen, das Sandbaden, all diese natürlichen Verhaltensweisen könnten die Tiere in der Kleingruppenhaltung nicht ausüben. Genau das aber, die artgerechte Haltung, hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vorgeschrieben, ohne aber genau genug zu definieren, was dies im Fall der Legehennen bedeutet. Die Vorstellungen von Tierschutzbund-Präsident Apel, sind dagegen klarer:

    Also normalerweise wär's die Freilandhaltung. Aber ich bin ja nun auch nicht so vermessen zu sagen, das können wir morgen umsetzen, und deshalb haben wir ja schon große Kompromisse dahingehend gemacht, dass wir gesagt haben: Bodenhaltung, eine vernünftige Haltung, so dass das Tier sich wenigstens artgerecht bewegen kann, dass es das Nest bauen kann, aufsuchen kann und dass es n gewisses Sandbad hat und dass das natürliche Pickverhalten der Hennen möglich ist, es gibt die Volierenhaltung, die sieht ähnlich aus, mit Sitzstangen, und das wäre eine zumindest Kompromissalternative zur Freilandhaltung.

    Die Tierschützer befürchten nun, dass es im Bundesrat einen Deal geben könnte: Bundesministerin Renate Künast hat nämlich auch vor, die Bedingungen von Mastschweinen zu verbessern, die bisher teilweise im Dunkeln und beengt leben müssen. Einige der Bundesländer haben im Vorfeld angedeutet, dass sie bereit seien, Renate Künast in Sachen Schweinehaltung entgegenzukommen, wenn sie dafür die Käfighaltung von Legehennen weiter hinnehme. Der Tierschutzbund spricht in diesem Zusammenhang von einem Basar der Tierquälerei und appelliert an die Bundesregierung, hart zu bleiben:

    Letztendlich hat die Bundesregierung das letzte Wort. Dies sind Empfehlungen des Bundesrates, und ob die Bundesregierung dem folgt und eine Tierquälerei durch die andere ersetzt, das weiß ich nicht.

    Unabhängig von der Frage, ob Eier aus Freilandhaltung wirklich gesünder sind als solche aus Käfighaltung seien 85 Prozent der Deutschen gegen Produkte, die tierquälerisch erzeugt würden. Sie entscheiden sich also vor allem aus ethischen Gründen. Die Regierung soll den Mehrheitswünschen folgen und nicht den Interessen der Agrarindustrie:

    Wir wollen doch nicht Tiere unmöglich und unersättlich quälen, damit wir unser Frühstücksei bekommen, sondern wir wollen doch mit gutem Gewissen das Ei essen, und das ist eine ethische Frage, der Verbraucher will das so nicht, und der Verbraucher bekommt es dann nicht, wenn wir die Käfighaltung beenden.

    Gleich lautend hat sich heute auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, B.U.N.D., geäußert. Der Verband argumentiert ökonomisch: Bei den großen Handelsketten sei der Anteil an Freiland-Eiern in den letzten fünf Jahren von zehn auf fast vierzig Prozent sprunghaft gestiegen. Wenn die deutschen Eierproduzenten nun stur auf der Käfighaltung beharrten, dann verbauten sie sich den Markt der Zukunft. Wenn der Bundesrat morgen über die Legehennenverordnung entscheide, dann tue er dies auf Grundlage einer Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Diese Studie, so der B.U.N.D., sei wissenschaftlich unseriös und basiere auf nicht repräsentativem Datenmaterial. Auch das Hauptargument der Hühnerbarone, sie würden bei einem Käfigverbot ins Ausland gehen, sei falsch. Denn schon jetzt würden Milliarden von Eiern aus Ländern importiert, die höhere Freihaltungsraten hätten als Deutschland. Wenn Deutschland in Sachen Umwelt- und Verbraucherschutz vorne bleiben wolle, gebe es nur eine Konsequenz: Die Käfighaltung für Legehennen müsse ab 2007 verboten bleiben.