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Mehr Rechte für die Verteidiger

Mehr als sechs Millionen Straftaten werden jährlich von der Polizei in Deutschland registriert. In jedem einzelnen Fall- ganz gleich ob Bankräuber oder Schwarzfahrer - wird erst einmal ermittelt. Von den Ermittlungsergebnissen hängt ganz wesentlich ab, ob es zu einem Gerichtsverfahren und schließlich einem Urteil kommt. Soweit sind sich alle Juristen – und das ist selten genug - einig. Welche Rechte und Pflichten beispielsweise Angeklagte und Verteidiger in diesem Verfahren haben, wird in der Strafprozessordnung, kurz StPO, geregelt. Und die sei dringend reformbedürftig, meinen die einen – das sind die Rechtspolitiker der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnisgrünen und die Experten des Bundesjustizministeriums. Im Februar haben sie einen Diskussionsentwurf zur Reform der Strafprozessordnung vorgelegt, der nun während des Juristentages in Bonn genau unter die Lupe genommen wird. Dort treffen sie auf die anderen - diejenigen, die den Entwurf alles andere als praktikabel finden.

Von Claudia Sanders |
    In den vergangenen drei Jahrzehnten habe es eigentlich immer nur bei einem konkreten Anlass eine Reform der Strafprozessordnung gegeben, analysieren die Verfasser des Diskussionsentwurfs: In den 70er Jahren stand der RAF-Terrorismus im Vordergrund, damals wurden auch Verteidigerrechte eingeschränkt. Schließlich, in den achtziger und neunziger Jahren, reagierte die Politik auf die Gefahren durch die organisierte Kriminalität. Ein "geschlossenes Gesamtkonzept" fehle aber bis heute, und das solle mit Hilfe des Diskussionsentwurfs geändert werden.

    Die gesteckten Ziele sind dabei hoch: Die Rechte aller an einem Strafverfahren Beteiligten müssten in einen "gerechten Ausgleich" zueinander gebracht werden. Mehr Kommunikation soll es geben und – darüber dürften selbst manche Juristen schmunzeln- die Gesetze sollen überschaubarer und verständlicher werden.

    Der beispielsweise auf frischer Tat ertappte und festgenommene Einbrecher wird im Polizeipräsidium abgeliefert. Dort belehren ihn die Beamten, dass er nun verhört wird, aber natürlich einen Anwalt hinzuziehen kann, wenn er möchte. Der gut informierte Ganove wird natürlich sofort anmerken "Ich sage nichts ohne meinen Anwalt." Doch den Satz könnte er sich in Zukunft sparen, wenn der Entwurf Gesetz werden sollte, erklärt der zuständige Abteilungsleiter aus dem Bundesjustizministerium, Bernd Netzer.

    Künftig wäre es so, dass die Polizei von sich aus die Einbrecher nicht vernehmen darf, ohne einen Verteidiger- so sie einen haben, ohne also einen solchen Verteidiger die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.

    Generell soll der Verteidiger mehr in das Ermittlungsverfahren eingebunden werden - also noch während Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln und bevor das eigentliche Hauptverfahren, die Gerichtsverhandlung, eröffnet wird. Während bisher der Verteidiger bestenfalls bei Vernehmungen durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft anwesend sein durfte, soll er nun aktiv mitwirken – er kann Fragen stellen, und hat ein Recht darauf bei Vernehmungen dabei zu sein. Und das ist auch gut so, meint Eberhard Kempf vom Deutschen Anwaltsverein:

    Ich halte den Diskussionsentwurf für einen tatsächlichen Umschwung des Gesetzgebers, jedenfalls der beiden Fraktionen und des Bundesministeriums für Justiz, die diesen Entwurf eingebracht haben. Eine Kehrtwendung gegenüber früheren Gesetzen, die eher die Einschränkung von Verteidigungsrechten zum Ergebnis hatten. Dieser Diskussionsentwurf macht endlich ernst mit der These, dass der Beschuldigte nicht Objekt sondern Subjekt des Verfahrens sein soll, und wie anders soll er Subjekt des Verfahrens werden können als dadurch, dass sein Verteidiger im Verfahren, im Ermittlungsverfahren im vollen Umfang mitwirken kann.

    Bei anderen allerdings hält sich die Begeisterung über die Reformvorschläge in Grenzen. Anwälte und damit auch die Beschuldigten sollen in Zukunft aktiv daran mitwirken den Sachverhalt aufzuklären, heißt es im Entwurf. Der Verteidiger solle aus "der Reserve gelockt werden", um möglichst früh alle relevanten Informationen auf den Tisch zu legen – damit er die Beweise also nicht erst während einer Gerichtsverhandlung präsentiert, sondern schon früher, im Ermittlungsverfahren. Diesem Gedanken kann Christoph Frank, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes überhaupt nichts abgewinnen. Ein guter Verteidiger, meint der Oberstaatsanwalt, würde seine besten Beweise oder Zeugen nicht schon im Vorfeld verpulvern, und:

    Die Idee, die hinter der Formulierung steht, macht uns Sorgen, nicht die Formulierung an sich. Denn in der Tat wird insgesamt durch die Konzeption dieser Mitwirkung diese Erwartung an den Verteidiger, an den Beschuldigten, mindestens mittelbar Druck auf den Beschuldigten ausgeübt, sich zu äußern, und das widerspricht eklatant dem Verfassungsgrundsatz, dass sich kein Beschuldigter im Ermittlungsverfahren, im Strafverfahren äußern muss und sich dabei belasten muss.

    Diesen Grundsatz in der Verfassung wolle man selbstverständlich unangetastet lassen, sagt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Stünker.

    Also, die freie Entscheidung bleibt doch bei jedem Beschuldigten, sich einbinden zu lassen oder nicht, wir zwingen doch keinen dazu, sondern jeder Beschuldigte in Absprache mit seinem Verteidiger kann je nach Verfahrenssituation sich genau überlegen, was er denn macht. Es ist doch heute schon in vielen Fällen für den Beschuldigten günstig, möglichst frühzeitig oder in einem bestimmten Verfahrensstadium ein Geständnis abzulegen.

    Die Reform beinhaltet auch, dass der Verteidiger in Zukunft bei staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmungen von Mitangeklagten, Zeugen oder Sachverständigen dabei sein darf. Hat der Einbrecher gleich mit mehreren Kumpels das Haus leer geräumt, dürften alle Anwälte bei jeder Vernehmung der beteiligten Tatverdächtigen dabei sein. So manch gewiefter Anwalt könnte das nutzen, um das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen, meinen Kritiker - schließlich muss hier erst einmal ein gemeinsamer Termin gefunden werden. Man stelle sich ein Verfahren vor, wo gleich ein halbes Dutzend Täter im Spiel sind – was für ein Chaos. Na ja, meint ein anderer Kritiker der Reformpläne, Christoph Frank vom Deutschen Richterbund. In der Theorie wäre das möglich, doch die Praxis würde wohl ganz anders aussehen – es bliebe Staatsanwälten eh kaum Zeit, selber Vernehmungen durchzuführen. Das gibt es nur bei den ganz großen Fällen, kleine Fische wie Einbrecher gehören nicht dazu.

    Wir haben allerdings ein Ressourcenproblem in dem Bereich: Wir können staatsanwaltliche Vernehmungen jetzt schon oder künftig immer nur als Ausnahme selbst durchführen. Die Staatsanwaltschaft hat zwar Ermittlungsbeamte zur Verfügung, Polizeibeamte, hat aber selbst eine Personalausstattung, die diese auf Leitungsfunktionen reduziert, so dass sie nur ausnahmsweise und in besonders schwerwiegenden Verfahren oder wo besondere Fragestellungen oder Interessen vorliegen, etwa im Bereich der Sexualdelikte, der Tötungsdelikte, die Möglichkeit hat, durch ihre Personalausstattung selbst Ermittlungen durchzuführen.

    Ein besonders wichtiger Punkt ist für die Verfasser des Diskussionspapiers, das die Kommunikation zwischen allen Verfahrensbeteiligten verbessert wird. Dazu gehöre beispielsweise auch die schon genannte stärkere Einbindung des Verteidigers in das Ermittlungsverfahren. Denn - so der Gedanke – wo der Austausch vorgeschrieben ist, da kommt es auch schneller zu Lösungen, was die Verfahren erheblich verkürzen könnte. Bernd Netzer vom Bundesjustizministerium sähe zwar lieber, wenn sich alle Beteiligten auch ohne ein Gesetz daran halten würden, aber:

    Es ist ja nicht so, dass wir in allen Fällen bei allen Beteiligten immer diese Vernunft haben, sondern wir wollen auch schon bei denjenigen, die im Moment etwas zögerlich sind bei der Kommunikation, einen gesetzgeberischen Anstoß geben, dass sie sich in die Kommunikation hineinbegeben.

    Grundsätzlich hat Christoph Frank vom Deutschen Richterbund dagegen nichts einzuwenden.

    Unsere Bestandsaufnahme, und das sage ich jetzt auch aus meiner beruflichen Praxis, ist, dass diese Kommunikation natürlich jetzt schon stattfindet. Sie findet schon deshalb statt, weil die Ressourcen aller Verfahrensbeteiligten alle dazu zwingen, miteinander zu kommunizieren. Das ist sachgerecht, dafür hat die Rechtsprechung Regeln aufgestellt, und diese Kommunikation findet in allen Phasen statt.

    Wobei auch Christoph Frank einräumt, dass einige Polizisten, Staatsanwälte, Verteidiger und Richter nicht gar so kommunikationsfreudig sind:

    Es finden dem Kommunikationsgedanken folgend Gespräche statt, vielleicht mag da dem ein oder anderen Kollegen durch gesetzliche Klarstellungen auch ein gesetzgeberischer Wille vermittelt werden können, dass Kommunikation gewünscht ist, erzwungen werden kann sie aber nicht.

    Relativ unstrittig ist ein anderer Reformvorschlag. Bis heute ist es so, dass die Polizei gegen einen möglichen Täter wochenlang ermitteln kann, ohne dass derjenige das überhaupt erfährt. Auch wenn die Ermittlungen im Sande verlaufen, die Akten geschlossen werden, heißt das noch lange nicht, dass der Betroffene informiert wird. Auch das soll sich ändern.

    Wird die Untersuchung nicht gefährdet, dann halten wir es für ein rechtsstaatliches Gebot, dass man einem Beschuldigten sagt: "Gegen dich läuft ein Ermittlungsverfahren".

    Geregelt werden soll auch etwas, was bisher nur durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eingeschränkt und nicht verboten ist: die sogenannten Deals, Absprachen aller Verfahrensbeteiligten untereinander. Wobei es diese Absprachen eigentlich nur bei sehr großen Fällen gibt, erklärt Bernd Netzer vom Bundesjustizministerium.

    Dass es solche Dinge gibt, das weiß man, insbesondere in großen Strafsachen, in Wirtschaftsstrafsachen notwendig sind, weil sonst die Justiz mangels Ressourcen ihren Aufgaben gar nicht mehr nachkommen könnte.

    Es sei aber nicht nur die bescheidene Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden, die "Deals" notwendig mache, meint der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion Joachim Stünker.


    Weile viele Verfahren gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität, des Wirtschaftsstrafrechtes, weil die einfach so komplex geworden sind. Wenn Sie also in zig Millionenhöhe Steuerhinterziehung haben, dabei dann noch Betrugshandlung, Untreuehandlung usw., dann müssen Sie in solch einem großen Prozess abschichten irgendwann, also ganz einfach: Abschichten heißt, dass man bestimmte Tatvorwürfe einstellt, die kann aber das Gericht nur einstellen, wenn andere gravierende Tatvorwürfe in der Gesamtschau dann auch eingeräumt werden. Das ist ja dann sozusagen dieses Geben und Nehmen beim Deal.

    Bisher werden diese Absprachen eher in Hinterzimmern getroffen. Mit Transparenz hat das wenig zu tun. Statt dessen schüttelte mancher Beobachter staunend den Kopf- je nachdem wie das Urteil dann später ausfiel. Eine unbefriedigende Situation, sagt auch Eberhard Kempf vom Deutschen Anwaltverein.

    Es ist zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber solche Absprachen aus der Dunkelheit von Gerichtsfluren in die öffentliche Hauptverhandlung verpflanzt und alle Beteiligten verpflichtet, über das, was bisher auf Gerichtsfluren abgesprochen worden ist, ganz offen mit Protokollierungspflicht zu sprechen. Das ist die einzige Vorkehrung dagegen, das schmutzige Deals gemacht werden. Alles was ich im Saal in der Öffentlichkeit sagen kann, ist es wert gesagt zu werden, und was ich dort nicht sagen kann, darüber soll ich schweigen.

    Würden die Vorschläge aus dem Diskussionspapier von SPD, Bündnis90/Die Grünen und dem Bundesjustizministerium umgesetzt, würden solche Absprachen künftig nur noch im Gerichtssaal getroffen werden, damit wirklich alle Verfahrensbeteiligten auch davon wissen und dem zustimmen können – oder den Deal ablehnen. Auch solle dann ein Beschuldigter nicht mehr dazu gedrängt werden können, auf weitere Rechtsmittel zu verzichten.

    Auch von Seiten des Deutschen Richterbundes ist die Kritik an diesem Punkt eher dezent – die Deals gesetzlich zu regeln, sei zwar nicht besonders nützlich aber auch nicht unbedingt schädlich, meint Christoph Frank:

    Absprachen sind gängige Praxis und durch die Rechtssprechung in ihren Bedingungen klar festgelegt, diese Bedingungen sind auf Transparenz angelegt, so dass der Entwurf wesentlich nichts Neues bringt. Er schreibt nur die Rechtssprechung fest.

    Viel mehr Positives findet Christoph Frank nicht in dem Diskussionsentwurf. Dabei soll doch durch die Reform der Strafprozessordnung auch eine höhere Akzeptanz des Verfahrens und eines möglichen Urteils erreicht werden. Akzeptanz des Urteils? Christoph Frank:

    Da haben wir erhebliche Bedenken, die Akzeptanz kann nicht Ziel des Verfahrens sein, es soll transparent sein und die Beschuldigtenrechte sichern, es muss und kann aber nur das alleinige Ziel haben, schnell zu einem gerechten Ergebnis zu kommen.

    Insgesamt, so die Hoffnung der Verfasser, könnte man durch diese Reform der Strafprozessordnung sogar Kosten einsparen: Denn durch die Reform gäbe es ein viel ausführlicheres Ermittlungsverfahren – manches Gerichtsverfahren könne damit eingespart oder aber wenigstens deutlich verkürzt werden, hofft Bernd Netzer vom Bundesjustizministerium:

    Wenn wir eine qualitative Verbesserung des Ermittlungsverfahrens haben, es ist in nicht wenigen Fällen so, dass wir dadurch im Hauptverfahren einen Aufwand einsparen und dort entsprechend Ressourcen einsparen, d.h. man kann nicht generell sagen, dass es einen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

    Das würde zutreffen, aber nur wenn es tatsächlich immer eine Gerichtsverhandlung geben würde, argumentieren die Kritiker. Christoph Frank:
    Der Gedanke bei uns, der ausgesprochen wichtig ist, dass 70 Prozent aller Verfahren ohnehin eingestellt werden und von den verbleibenden 30 Prozent der Verfahren siebzig Prozent durch Erlass von Strafbefehlen erledigt wird und man dann sieht, dass nur der verbleibende Rest einer sehr großen Zahl von Verfahren in einer Hauptverhandlung mündet, dann meine ich, ist es gerechtfertigt und geboten, für die dann auch schwerwiegenden Fälle eine Hauptverhandlung zur Verfügung zu stellen, die keinerlei Beschränkungen, Restriktionen unterliegt.

    Soweit die Praxis. Doch müssten in der Rechtspolitik noch andere Dinge eine Rolle spielen, mahnt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Stünker.

    Eine ähnliche Aufrechnung hat die Justizministerkonferenz der Länder gemacht, ich kann dem nicht folgen, und man kann es auch nicht belegen. Und vor allen sollte man nicht wirklich rechtspolitische Ansätze immer nur unter fiskalischen Gesichtspunkten diskutieren.

    Der Abteilungsleiter im Bundesjustizministerium, Bernd Netzer, sieht das ganz ähnlich:

    In den Fällen, in denen tatsächlich zusätzlicher Aufwand entsteht, ist das der Preis für einen Ausbau der Rechtsstaatlichkeit. Wenn man dann sagt "Eure Vorschläge sind zwar sinnhaftig und würden zu einer Qualitätsverbesserung führen, aber wir können es nicht finanzieren, dann ist es eine Frage der Ressourcen.

    Nur: Tatsächlich wird das Handeln in der Strafrechtspflege ganz stark dadurch bestimmt, was die derzeitige Haushaltskasse hergibt. Die Ausstattung der Justiz ist Ländersache, und kein einziges Bundesland zeichnet sich dadurch aus, dass Polizei, Richter oder Staatsanwälte besonders viel Geld zur Verfügung hätten - überall sind die Kassen leer. Um nur ein Beispiel zu nennen: Deutsche Richter und Staatsanwälte können in der Regel noch nicht einmal ohne Voranmeldung und Begründung ins Ausland telefonieren. Angesichts solch bescheidener Verhältnisse reiche eine Strukturreform alleine nicht aus, sagt der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Norbert Röttgen:

    Ich glaube, wir brauchen keine Strukturreform des Strafverfahrens, aber es gibt Missstände, denen wir uns stellen müssen. Eines der Probleme, das wir haben, ist zum Beispiel und insbesondere, dass große Strafverfahren in unserem Land praktisch nicht mehr durchführbar sind, der Staat in praxi seinen Anspruch Wahrheit zu vermitteln und auch in solchen schweren Strafverfahren häufig Wirtschaftskriminalität nicht mehr diesen Anspruch einlösen kann, zu einem angemessenen Schuldspruch zu kommen.

    Und eben weil die Ressourcen so knapp sind, werden beispielsweise Deals nötig, möglich und legal. Doch was Recht ist, erscheint so manchem Bürger "ungerecht" - warum kann der millionenschwere Steuerbetrüger einen Deal bekommen, und warum nicht der Ganove, der eine Villa leergeräumt hat?

    Ich glaube es ist so, dass solche Verfahren so kompliziert sind vom Tatsächlichen her, vom Rechtlichen her, dass staatliche, richterliche und staatsanwaltliche Ressourcen nötig wären, die wir im Moment nicht mehr in der Lage sind aus finanziellen, fiskalischen Gründen zur Verfügung zu stellen. Wir könnten in bestimmten Bereichen die Inanspruchnahme der Ressourcen des Staates reduzieren, indem wir Instrumente wie zum Beispiel die Annahmeberufung ausweiten, indem wir das Strafbefehlsverfahren ausweiten, indem wir andere Instrumente einsetzen, die das Strafverfahren entlasten, entschlacken, beschleunigen, um damit - ich würde es auch so benennen - um auch Kosten zu sparen, ohne allerdings die rechtsstaatliche Qualität zu berühren. Die muss gewährleistet sein.

    Wie heißt es doch so schön? "Vor Gericht und auf hoher See sind alle in Gottes Hand". Wer auch immer diese Redensart geprägt hat - er hat die Macht und Not der Finanzminister und ihre Auswirkung auf die Justiz eindeutig unterschätzt. Und daran wird auch eine Reform der Strafprozessordnung kaum etwas ändern. Während des Juristentages in Bonn werden die Fachleute den Entwurf auf jeden Fall offiziell bewerten. Danach werden die Politiker in Berlin das Papier überarbeiten und es auf den parlamentarischen Weg bringen.