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Mehr Schutz für das wundersame Filterwerk

Medizin. – Während über Herz und Leber auch Laien oft gute Grundkenntnisse besitzen, gehören die Nieren bei vielen eher zu den weißen Flecken im medizinischen Grundschatz. Trotzdem sind die beiden Organe unerlässlich für jeden Körper, entgiften sie ihn doch von Schadstoffen. Fallen die Biofilter aus, ist eine maschinelle Blutwäsche überlebenswichtig. Weil der Aufwand und die damit verbundenen Kosten enorm sind, fordern Fachärzte und Wissenschaftler anlässlich des noch bis Donnerstag in Berlin stattfindenden Weltkongresses für Nierenheilkunde verstärkte Anstrengungen bei der Vorsorge zum Schutz der Organe.

    Das wohl am tiefsten im Bewusstsein verankerte Organ ist das Herz, dessen Schlag uns stets an seine Arbeit erinnert. Von der Niere dagegen merken wir dagegen in der Regel erst dann, wenn sie ihre Aufgabe – das ständige Abfiltern von Schadstoffen aus dem Blut – nicht mehr einwandfrei erfüllt. Weil der Blutdruck eine entscheidende Größe auch für die Nieren darstellt, lautet quasi das Motto der Nephrologen denn auch "Auf Herz und Nieren prüfen". Angesichts eines Anteils von fünf Prozent der Gesundheitsausgaben, der hierzulande für Nierengeschädigte ausgegeben wird, drängen die rund 7000 internationalen Teilnehmer des Weltkongresses für Nierenheilkunde, der Vorsorge wesentlich mehr Beachtung zu schenken. Dabei fördern bereits einfache Untersuchungen erste Warnhinweise auf Fehlfunktionen an den Zwillingsorganen zutage. So weist ein schlichter Urintest etwa sofort Eiweiß nach und zeigt damit erste Schäden im Bio-Filter an. Doch die Nierenfunktion kann auch Hinweise zu drohenden Herzinfarkten liefern, betont Professor Johannes Mann vom Klinikum München–Schwabing: "Der so genannte Kreatinin-Wert stellt ein Maß für die Entgiftungsfunktion der Niere dar. Ist sie auch nur minimal gestört, dann besteht bereits ein wesentlich erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko." So verdoppele sich für betroffene Patienten die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

    Hintergrund für diese enge Verflechtung ist der große Einfluss der Niere auf den Blutdruck. So entwickeln Empfänger von Nierentransplantaten schon kurz nach der Verpflanzung jenen Blutdruck, den der Organspender besaß. Hervorgerufen wird dies durch bestimmte Botenstoffe, die von dem Organ gebildet werden und eine stark Gefäß verengende und Blutdruck steigernde Wirkung hervorrufen. Umgekehrt aber leiden die Nieren selbst unter zu hohem Blutdruck. "Die Filter selbst, die Millionen so genannter Nierenkörperchen, benötigen einen relativ hohen Druck, um den Harn aus dem Blut abzupressen. Doch übersteigt der Blutdruck diesen Wert noch, dann reagieren die feinen Gefäße des Filters darauf mit der Bildung von Narbengewebe", erklärt Mann. Das feste Bindegewebe aber verstopfe dann quasi den Filter und Abfallstoffe könnten nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden – es droht die innere Vergiftung. Überdies wird der Blutfilter mit Fortschreiten der Nierenerkrankung zunehmend undicht und entlässt Stoffe in den Harn, die eigentlich im Blut bleiben sollen, darunter etwa wichtige Eiweiße, die für die Flüssigkeitsverteilung im Körper wichtig sind.

    Experten unterstrichen auf der Berliner Tagung nochmals die Wichtigkeit von rechtzeitigen Nierenfunktionsprüfungen. Wer über 60 Jahre alt sei, unter Bluthochdruck leide oder zuckerkrank sei, solle seinen Hausarzt daran erinnern, Kreatininwertbestimmung und Eiweißtest einmal im Jahr durchzuführen, raten die Nierenfachärzte. Denn bei etwa jedem siebten Patienten aus diesen Gruppen finde sich dann tatsächlich ein Nierenproblem. Bei ihnen galt bislang, dass sie nicht mit Arzneien gegen Bluthochdruck zusätzlich belastet werden sollten. Doch von dieser Lehrmeinung sei man wieder abgerückt, erklärt Professor Thomas Philipp von der Universität Essen: "Mit einer ausgezeichneten medikamentösen Einstellung des Blutdrucks auf einen Wert von 120 zu 80 mmHg kann man mehr erreichen als mit allen anderen Therapien." Besonders geeignet seien dafür die so genannten ACE-Hemmer, die die Wirkung der Blutdruck steigernden Nieren-Botenstoffe unterbinden. Zwar seien die schützenden Substanzen nicht eben preiswert, räumt Kongresspräsident Professor Eberhard Ritz ein, doch wenn sich aus einer eingeschränkten Nierenfunktion schließlich ein Nierenversagen entwickele, müssten die Patienten sich regelmäßig einer wesentlich teureren künstlichen Blutwäsche unterziehen.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]