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Mehr Schutz für die ligurische Cinque Terre

Die weltberühmten Cinque Terre, fünf Dörfer im Osten der ligurischen Küste, sind seit fünf Jahren Nationalpark und Weltkulturerbe. Das hat die Tourismuseinkünfte der Einheimischen gesteigert. Leicht verdientes Geld, verglichen mit den Mühen früherer Zeiten, als die Menschen noch ausschließlich von der Landwirtschaft lebten. Aber in den Cinque Terre gehören Landschaft und Landwirtschaft untrennbar zusammen: Wenn sich die Lebensweise der Menschen ändert und niemand mehr etwas anbaut, verfällt die Kulturlandschaft. Bisher beschäftigten sich nur private Initiativen mit diesem Problem. Aber jetzt wollen sich auch Behörden darum kümmern, das berühmte Landschaftsbild zu erhalten. Erste Maßnahme ist ein Pilotprojekt zur Rekultivierung der Weinberge.

Von Dorette Deutsch |
    Von seinem Büro an der Piazza Cavour im ligurischen Levanto blickt Vittorio Rezzano manchmal nachdenklich auf die Hügel der nahen Cinque Terre hinaus. Die Terrassierung der Steilhänge über dem Meer, auf denen seit über tausend Jahren Wein und Oliven angebaut werden, haben die Cinque Terre zu einem einmaligen Landschaftskunstwerk gemacht. Vittorio Rezzano ist Präsident der "Comunità Montana", einer regionalen Behörde zur Unterstützung der Landwirtschaft in Problemgebieten:

    Vielleicht muss man einmal in seinem Leben Land in den Cinque Terre bestellt haben, um zu begreifen, was für ein Mammutunterfangen die Schaffung und der Erhalt dieser Landschaft ist. Seit einigen Jahrzehnten schon werden die Terrassen aufgegeben, und damit auch die Weinberge, häufig aus Altersgründen, und natürlich, weil sich der Anbau unter wirtschaftlichem Aspekt nicht lohnt. Die Menschen leben vor allem von Tourismus, zum Glück, könnte man meinen, weil sie damit nicht mehr gezwungen sind, mühsam Land zu bestellen.

    Vier Millionen Besucher im Jahr kommen inzwischen unter Vittorio Rezzanos Bürofenster auf dem Weg in die berühmten Weinterrassen vorbei: eine Masse, die der gerade fünfzehn Kilometer lange Küstenstreifen kaum noch vertragen kann:

    Wir als Comunità Montana haben, zusammen mit den drei Gemeinden und dem Nationalpark, versucht, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Wir wollen einen Anreiz schaffen, damit Land auch von jungen Leuten wieder bestellt wird. Als öffentliches Amt haben wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, einzugreifen. Mit der Landbestellung ist hier ein viel wichtigerer Faktor, nämlich der gesamte Umweltaspekt verbunden. Der Tourismus verdrängt hier alles andere, aber das ist genau der Teufelskreis. Denn die Landwirtschaft erhält die Landschaft, und wegen der kommen die Besucher hierher. Deshalb mussten wir einfach etwas unternehmen.

    An einer der exponiertesten Stellen, oberhalb des Hafens von Vernazza - für viele das Juwel des ganzen Gebiets - hat die Comunità Montana nun mit einem vorbildlichen Projekt begonnen. Auf insgesamt fünf Hektar Steilhang - angesichts der sonst winzigen Parzellen für ligurische Verhältnisse ein großes Gebiet - wurde die wildwuchernde Macchia gerodet, und die Trockenmauern wurden wiederaufgebaut. Ein weithin sichtbares Gebiet mit atemberaubendem Blick über das Meer, das zwar aufgegeben, aber noch nicht, - wie viele Weinberge und Olivenhaine, - in hoffnungslosem Zustand war, hat man für das Pilotprojekt ausgewählt:

    Besonders bedrohlich ist natürlich die Erdrutschgefahr. Erdrutsche beginnen in dem Augenblick, in dem die Menschen beschließen, dass sie die Terrassen nicht mehr erhalten. Das ist auch ganz verständlich. Denn die Natur nimmt sich auf Dauer einfach zurück, was ihr die Menschen, wenn auch vor tausend Jahren, weggenommen haben. Denn in den Cinque Terre haben die Menschen der Natur das kultivierbare Land in einem ziemlich harten Kampf abgerungen. Zuvor waren die Hänge hier mit Wald bedeckt. Der Mensch hat die Terrassen geschaffen, und jetzt sagt die Natur: "Wenn du dich nicht mehr für mich interessierst, dann nehme ich mir wieder, was mir gehört." Und die Erdrutsche, die sich jetzt mehren, sehe ich manchmal als eine Art böses Abschiedsgeschenk, das die Natur den Menschen macht, bevor sie in ihren Urzustand zurückkehrt.

    Auf der Fläche des Pilotprojekts werden vor allem die weißen Vermentino- und Albarola-Trauben, wie sie hier für die Gegend typisch sind, angebaut, die einzigen Parzellen dürfen auch Hobby-Landwirte bewirtschaften. Zur Zeit der Seerepublik Genua nahm der berühmte weiße Wein von hier aus seinen Weg in die ganze Welt und wurde schon in Boccaccios "Dekameron" erwähnt: ein Wein, wie er der Tafel von Fürsten und Königen angemessen war. Zweihunderttausend Euro hat die Comunità Montana dafür zur Verfügung gestellt - ein erster Versuch, um die Landschaft vor dem Verfall zu retten.
    Agronom Ruggero Moggia leitet das Projekt vor Ort:

    In den letzten Jahren haben vor allem kleinere Winzer auf eigene Faust und erfolgreich die Initiative ergriffen. Aber wir wollen jetzt mit regionaler Unterstützung noch einen zusätzlichen Anreiz schaffen für all diejenigen, die das nicht nur aus Leidenschaft machen, sondern darin eine wirtschaftliche Perspektive neben dem Tourismus sehen. Durch die besondere Qualität ihres Weins und Öls sind diese kleineren Betriebe hier wieder stark im Aufschwung begriffen.

    Wenn man sieht, wie aus einem wilden Dornengestrüpp ein fruchtbarer Weinberg wird, sagt Ruggero Moggia, ist das ein Gefühl, das süchtig macht, aber auch ein schwieriges Unterfangen. Doch an beschwerliche Wege ist man in den Cinque Terre seit tausend Jahren gewohnt.