Archiv


Mehr Schutz vor teuren Abmahnungen

Internetnutzer sollen künftig besser vor überteuerten Massenabmahnungen für illegal heruntergeladene Musik oder Filme geschützt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Doch Experten bezweifeln die Wirksamkeit der geplanten Regelung.

Von Sebastian Auer |
    Paul Sdralek aus Gelsenkirchen ist sauer. Eine Anwaltskanzlei aus Hamburg hat ihm eine Abmahnung geschickt. Der Vorwurf: Über seinen Internetanschluss sei illegal Musik heruntergeladen worden. Rund 850 Euro solle er bezahlen, so könne man sich gütlich einigen. Sdralek rief die Anwaltskanzlei an, erklärte, seine minderjährige Tochter hätte das Lied heruntergeladen.

    "Dann sagte mir dieser Anwalt, das sei alles kein Thema. Wenn die minderjährig ist, schreiben Sie mir das kurz: Die Tochter ist minderjährig, die hat das runtergeladen, und schicken Sie mir das. Damit ist der Fall erledigt. Keine zwei Tage später kam sofort die einstweilige Verfügung, mit einer Strafe von 1.200 oder 1.300 Euro."

    Paul Sdralek hatte einen folgenschweren Fehler gemacht. Der Brief wurde als Schuldeingeständnis gewertet, dadurch wurde es noch teurer. Sdralek schaltete schließlich einen Anwalt ein. Die Angelegenheit kam vor Gericht. Barbara Rudnick ist Fachanwältin für Internetrecht und hat Paul Sdralek vertreten. Sie sagt, das neue Anti-Abzock-Gesetz hätte Paul Sdralek schützen können. Denn Abmahngebühren sollen in Zukunft maximal rund 155 Euro betragen. Doch Anwältin Rudnick hält die Gesetzesänderung trotzdem für mangelhaft.

    "Auch zu befürchten ist, dass durch diese Kostendeckelung mitunter mehr Klagen zu erwarten sind, weil ja das Risiko für die Anwälte geringer ist, vor Gericht zu gehen. Das heißt, die Gerichtskosten sind geringer, der Streitwert ist gedeckelt, und es wird wahrscheinlich auch einige Kanzleien geben, die sich dann wieder nur auf diese Abmahnungen spezialisieren, weil es sich nur rechnet, wenn man viele davon macht."

    Die Bundesrechtsanwaltskammer kritisiert, dass in der Gesetzesänderung zu viele Schlupflöcher versteckt seien. Das Wichtigste: Wenn die Urheberrechtsverletzung als gewerbsmäßig eingestuft wird, können die Kosten weiterhin viel höher sein. Und gewerbsmäßig wird es schnell. Denn meistens werden Filme und Musik in Tauschbörsen herunter geladen. Das bedeutet, wer ein Lied auf seinen Rechner lädt, stellt es auch sofort allen anderen Nutzern zur Verfügung. Auch wenn der Nutzer damit kein Geld verdient, muss er sich deshalb den Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit gefallen lassen. Paul Sdralek musste am Ende sogar einen Kredit aufnehmen, um alles zu bezahlen.

    "Dann kamen Anwaltskosten von der Gegenseite, der eigene Anwalt, dann kamen die Gerichtskosten und das hat sich dann summiert: Also, dass ich so circa 15.000 Euro bezahlt habe. Man hätte sich von dem Geld ein schönes Leben machen können."

    Bei der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft ist man froh, auch weiterhin höhere Strafen eintreiben zu können. Die Organisation vertritt die Interessen der deutschen Filmwirtschaft. Deren Präsidentin Manuela Stehr sagt, illegale Downloads verursachten, gerade wenn sie professionell geschehen, einfach zu hohe Verluste. Sie glaubt aber, dass vielen Leuten auch nicht bewusst sei, dass Tauschbörsen illegal seien. Um Ärger schon im Voraus zu vermeiden, empfiehlt die Rechtsanwältin Barbara Rudnick, sein WLAN-Netz auszuschalten, wenn man es nicht benutze. Denn wenn sich Fremde darin einwählen und Musik herunterladen, ist trotzdem der Besitzer des Anschlusses verantwortlich. Das helfe es auch nichts, wenn er sein WLAN mit einem Passwort geschützt habe.