Archiv


Mehr Weiblichkeit wagen

Die jungen Frauen in der CSU lehnen sie ab - sie wollen keine Vorzeigeobjekte sein. Die erfahrenen CSU-Politikerinnen glauben, es geht nicht ohne sie. Die Rede ist von der Frauenquote. Aber wer denkt, dass es hier nur um einen Kampf zwischen Männlein und Weiblein geht, der irrt.

Von Michael Watzke |
    Der Horst Seehofer war schon immer für die Frauenquote, spöttelt ein junger Unions-Mann im Hintergrund-Gespräch. Die Quote musste halt nur bei 200 Prozent liegen. Scherze wie dieser zeigen, warum das Thema "Mehr Weiblichkeit in der CSU" vermintes Gelände ist. Junge Parteimitglieder wie Anna Olberding aus Bad Wiessee wollen auf keinen Fall als Quotenfrau gelten:

    "So nach dem Motto: Ich wurde nur eingesetzt, weil mein Geschlecht gebraucht wurde. Diese Gefahr besteht. Ich sehe es so, dass der Bessere den Posten auch bekommen sollte. Sei es eine Frau oder ein Mann – das ist letztlich egal."

    Klingt vernünftig. Doch je länger die Frauen der CSU angehören, desto quotenfreundlicher werden sie. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär ärgert sich gewaltig darüber:

    "Dass gerade in der Jungen Union alle sagen: 'Nein, das kommt für uns nicht infrage'. Klingt ja auch viel besser, man macht sich bei den Männern lieb Kind, wenn man sagt, ich bin absolut dagegen. Ich schaff’s auch so. Nur: je älter man wird, desto feministischer wird man auch. Weil man eben merkt, dass es bis zu einem bestimmten Punkt oft geht, und dann geht’s nicht weiter."

    Die berüchtigte Glasdecke. Jene unsichtbare Grenzlinie, die Männer angeblich eingezogen haben, um ihre Posten und Pöstchen vor Frauen zu schützen. Dorothee Bär glaubt, selbst daran gestoßen zu sein. Und auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer beklagt sich über herablassende männliche Kollegen. Christine Haderthauer:

    "Sie kennen den Satz: 'Mei, da nehmen wir jetzt die und die Frau, die ist fei wirklich gut und die kann das fei wirklich.' Das nenn' ich immer den Zirkuspferd-Effekt. Und das zeigt, dass es noch nicht selbstverständlich ist. Und deshalb kann es uns sehr helfen, wenn wir ein Zugmittel haben, was die guten Frauen ein bisschen nach oben zieht."

    Dieses Zugmittel könnte ihre Kanzlerin Angela Merkel sein. Doch viele CSU-Frauen klagen, dass die Chefin der Schwesterpartei sicher ungewollt das Gegenteil bewirke. Dorothee Bär:

    "Viele benutzen das als Argument und sagen: 'Ihr habt schon die Kanzlerin, also was wollt ihr jetzt eigentlich? Mehr gibt’s nicht, das reicht uns jetzt langsam mal mit den Weibern.' Deswegen wird sie oft als Beispiel genommen, um zu sagen: Es geht doch alles. Weil die Kanzlerin da ist. Aber letztlich kann das nicht dazu führen zu sagen: Wir machen jetzt untendrunter wesentlich weniger."

    Untendrunter – das ist die Basis. Hier hat die CSU ein Problem. Die Christsozialen werden von mehr als 50 Prozent der Frauen gewählt. Aber nicht mal 20 Prozent der CSU-Neumitglieder sind Frauen. Warum? In manchen bayerischen Familien tritt eben immer noch der Herr des Hauses in die CSU ein – die Ehefrau ist sozusagen stilles schweigendes Mitglied. Die CSU-Ortsverbände treffen sich oft in den Hinterzimmern der Dorfkneipen – Frauen fühlen sich beim Bier nicht besonders wohl. Anna Olberding aus der Jungen Union gibt auch den Medien eine Mitschuld: Anna Olberding:

    "Wenn ich Frauenzeitschriften anschaue – da werden politische Themen einfach nicht angesprochen. Viele sind eben einfach noch in diesem Verhaltensmuster: 'Jungs sind wichtig und wie schmink ich mich richtig?’ Und nicht, ob jetzt die Wehrpflicht abgeschafft werden soll oder nicht."

    Könnte eine Quote für Führungsposten mehr Damen in die CSU locken? Ja, sagt Frauen-Unions-Chefin Angelika Niebler und verlangt 40 Prozent Frauen in allen CSU-Vorständen – vom Ortsverband bis zur Spitze. Doch woher sollen diese Frauen kommen? An der Basis buhlt man um jedes weibliche Wesen, denn unten ist die Personaldecke zu dünn. Je weiter es die Leiter nach oben geht, desto gläserner wird sie sagt Dorothee Bär:


    "Das Interessante ist, dass dieses Gefühl mit der Glasdecke nicht nur in unserer Partei der Fall ist, sondern in allen Parteien. Ich hab daran auch mal wissenschaftlich gearbeitet. Wenn man sich mit Kolleginnen unterhält, egal ob FDP, SPD oder Grüne, sogar aus der Linkspartei:Wie chauvinistisch und machomässig Lafontaine und Gysi ihre Frauen behandeln, dagegen sind unsere Männer alle Gentlemen."

    Gentleman-like sind die Frauen untereinander allerdings auch nicht gerade. Da wird böse gezischelt und zickig nachgetreten. Die sehr junge und sehr blonde Nachwuchshoffnung Katrin Poleschner etwa präsentiert sich auf facebook und in Interviews als 'Junge Frau gegen Quote.' Zur Freude der Medien, zum Missfallen der Kolleginnen. Dorothee Bär:

    "Ich könnte wirklich einiges darauf verwetten, dass es bei den ganz jungen Junge-Unionlerinnen, die natürlich ganz am Anfang sind und die bis jetzt noch nicht groß was erreichen mussten, wenn sie ehrlich mit sich sind. Und die auch in vielen Positionen sind, weil es zwar noch keine festgeschriebene Quote gibt, aber ne Hinterkopf-Quote: 'Mein Gott, wir können ja nicht gar nicht ohne Frau' – die also auch nur deswegen dabei sind, weil man gesagt hat, na gut, ein, zwei tun wir noch dazu – die denken, Mensch, das war ja einfach. Aber die haben letztlich auch diese Hinterkopfquote gebraucht, um überhaupt mal die Chance zu bekommen, sich beweisen zu können."

    'Liebe Nachwuchs-Mädels', heißt das übersetzt, 'ihr seid doch auch nur Quotenweiber'. Frauen-Networking klingt anders. 'Unsere Damen können ganz schön stutenbissig sein', munkelt man in CSU-Männerkreisen. Und ausgerechnet Horst Seehofer muss den Quotenstreit nun schlichten. Eigentlich wollte er der Frauen-Union morgen in der CSU-Vorstandssitzung einen Kompromiss-Vorschlag unterbreiten: eine Frauenquote von 50 statt 40 Prozent - aber nur für die engere Vorstandschaft. Die CSU-Spitze soll also paritätisch besetzt werden – dafür bleibt Mann an der Basis von der Quote verschont. Für Frauen wie Dorothee Bär eine maßgeschneiderte Lösung. Doch die Stimme der Weiblichkeit, die Frauen-Union will sich damit nicht abspeisen lassen. Der christsoziale Geschlechterstreit wird wohl bis zum Parteitag weiterköcheln. Der ist Ende Oktober.
    Die bayerische Sozial- und Arbeitsministerin Christine Haderthauer
    CSU-Frau Christine Haderthauer beklagt den Zirkuspferd-Effekt. (Deutschlandradio - Bettina Straub)
    Die stellvertretende Generalsekretaerin der CSU, Dorothee Bär
    Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär kann auch ohne Quote. (AP)