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Mehr Werbung, weniger Kontrolle

Seit 1989 gibt es innerhalb der Europäischen Union eine so genannte Fernsehrichtlinie. Angesichts der Entwicklungen im Mediensektor steht für dieses Jahr eine Novellierung an. Doch an dem vorliegenden Entwurf gibt es Kritik: Produktplatzierungen und liberalere Werberegelungen sind für Medienaufseher und Medienpolitiker Grund zur Besorgnis.

Von Michael Meyer |
    "Wenn wir zu keinem Ergebnis kommen, dann wird es in Zukunft so sein, dass es Europäisches Medienrecht, gemeinsames Medienrecht für grenzüberschreitendes Fernsehen, nur noch für solche Programme gibt, die identisch sind mit dem heutigen analogen Fernsehen."

    Ruth Hieronymi, Berichterstatterin des Europäischen Parlaments fasste die Problematik in klare Worte: Die EU tut sich schwer mit der künftigen Ausgestaltung der neuen Medienordnung. Vereinfacht gesagt unterscheidet die neue Fernsehrichtlinie zwischen klassischen Programmen, den so genannten linearen Diensten und dem Abruffernsehen per Internet oder Pay-Per-View, in der Juristensprache sind das so genannte nicht-lineare Dienste.

    Um diese Unterscheidung gibt es bereits Streit: Denn das Abruffernsehen soll künftig deutlich großzügiger behandelt werden – eine vernünftige Regelung, findet Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz:

    "Das ist eine andere Art von Fernsehen, das eine andere Regulierung erforderlich macht aus unserer Sicht, das eine ist ein Vollprogramm, dem man sich nicht entziehen kann, das andere sind Programmteile, die man sich bestellen kann. (...) Was die Frage der Menschenrechte beispielsweise angeht, was die Frage des Jugendschutzes angeht, sollen sie derselben Regulierung unterliegen, was die Frage der Werbung angeht, sollen andere Prinzipien gelten, das ist völlig klar, wenn ein Vollprogramm da ist, dann kann man in einer anderen Form werben, als in einem Abrufdienst, und kann dort Dinge erlauben, die man in einem Fernsehprogramm den Tag über in dieser Form für schädlich hält."

    Die Unterscheidung zwischen Vollprogramm und Abruffernsehen leuchtet jedoch nicht jedem Medienexperten ein – es fehle nach wie vor eine Definition, was überhaupt alles unter den Begriff Rundfunk falle, moniert etwa Norbert Schneider, Chef der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.

    Gerade auch der Punkt der Werbeliberalisierungen ist für die Medienwächter eine bittere Pille. Künftig wird es in europäischen Programmen zwar nicht mehr Werbung, dafür aber in kürzeren Abständen geben. Und: Auch Produktplatzierungen werden erlaubt sein. Diese Regelung wird von der zuständigen EU-Kommissarin Viviane Reding mit der größeren Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Medienwirtschaft begründet. Dieses Argument sei aber auch ein wenig unehrlich, monierte der Justitiar des ZDF, Carl-Eugen Eberle:

    "Gucken wir uns jetzt mal an, wie die Sache aussieht: Produzenten soll Product Placement zukommen. Aber, bitte schön, Produzenten können heute schon Product Placement machen, das ist durch die Fernsehrichtlinie nicht ausgeschlossen. Produzenten können heute schon Product Placement machen und haben im Prinzip die gleichen Chancen, wie sie die amerikanischen Majors haben, was das Product Placement anlangt, dafür brauchen wir es also nicht."

    Auch die kommerziellen Fernsehsender bräuchten es angesichts satter Umsatz- und Gewinnsteigerungen wohl kaum – es ginge eher um die Erschließung zusätzlicher Erlösquellen, auf die man nicht verzichten wolle.

    Gestritten wird noch immer über die Kennzeichnungspflicht, wie man gegebenenfalls Produktplatzierungen im Programm kenntlich macht. Der Zuschauer müsse sie zumindest klar erkennen können, das sei die Mindestanforderung, betont Martin Stadelmaier:

    "Zum Zweiten muss er sich darauf verlassen können, dass Nachrichtensendungen, Kindersendungen, Magazine, Beratungssendungen sind frei von solchen Produktplatzierungen. Das war das Entscheidende, und das wird mit der Richtlinie so geregelt, dass es akzeptabel ist."

    Bis zur endgültigen Verabschiedung der Fernsehrichtlinie ist es noch ein weiter Weg: Bei der letzten Lesung im Parlament gab es über 150 Änderungsanträge. Wie streng die Fernsehrichtlinie in den EU-Mitgliedsstaaten gehandhabt wird, darüber wird es ohnehin noch Debatten in den Parlamenten der jeweiligen Länder geben, denn die Umsetzung in nationales Recht lässt in vielen Punkten Spielräume.