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Mehr Zeit für sich

    Die deutsch-französischen Unterschiede beim Umgang mit Arbeitszeit, Freizeit und sozialer Zeit stehen am 25. und 26. Januar im Mittelpunkt eines Kolloquiums, das vom französischen Bureau international de liasion et de documentation und seinem deutschen Gegenstück dem Büro für übernationale Zusammenarbeit organisiert wird. Der Soziologe Joffre Dumazedier, der seit rund 50 Jahren als einer der Vordenker der Berufsausbildung in Frankreich gilt, stimmte mit einigen Fakten auf das Thema ein. Er verwies darauf, dass wohl erstmals in der Geschichte der Menschheit die Freizeit länger ist als die Arbeitszeit. Seit 1830 hätten die Arbeitnehmer 2000 Stunden Freizeit im Jahr gewonnen. Noch mehr freie Zeit schaffen Maßnahmen wie die 35-Stunden-Woche, die in Frankreich seit zwei Jahren sukzessive in allen Betrieben umgesetzt wird, sagte Annie Gauvin vom Ministerium für Arbeit und Soziales: "Die freie Zeit kann auf die Woche verteilt werden, auf den Monat oder das Jahr. Die meisten Arbeitnehmer nutzen ihre zusätzliche freie Zeit für die Familie, die Hausarbeit, um sich auszuruhen." In einigen Betrieben seien aber Abkommen ausgehandelt worden, um Aktivitäten in Vereinen oder gemeinnützigen Organisationen anzuregen. Frankreich ist in der Diskussion über eine neue Zeitverteilung weiter als Deutschland - das zeigt sich in den Diskussionen. In beiden Ländern nimmt die Zahl derjenigen zu, die Schule oder Uni ohne Abschluss verlassen. In Frankreich allerdings kann man nach einem vergangene Woche verabschiedeten Gesetz auch ohne offizielle Ausbildung einen anerkannten Abschluss erhalten, wenn man die entsprechenden Fähigkeiten in einer Prüfung nachweist. Der Politikwissenschaftler Professor Jean Francois Chosson begrüßt die Neuerung, weil sie auch zu Einsparungen verhilft: "Sagen wir, eine herkömmliche Berufsausbildung dauert 900 Stunden. Aber wenn die Kompetenzen gewürdigt werden, die jemand außerhalb der Schule erworben hat, braucht er vielleicht nur 600 Stunden, um seine berufliche Befähigung qualifiziert zu bekommen."