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Mehrheit für Präimplantationsdiagnostik

Wissenschaftspolitik. – Heute hat der nationale Ethikrat, ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes Beratungsgremium für ethische Belange, seine Stellungnahme zur so genannten Präimplantationsdiagnostik (PID) veröffentlicht. Damit sollen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung auf eventuelle Erbschäden und –krankheiten überprüft werden können. Eine einheitliche oder auch nur mehrheitliche Entscheidung gab es nicht, der Rat verzichtete auf eine Abstimmung und veröffentlichte das Mehrheitsvotum pro PID, das Minderheitsvotum contra PID und ein abweichendes Minderheitsvotum contra PID, außer in streng begrenzten Ausnahmefällen.

    15 Mitglieder des Rates plädierten in der 81 Seiten umfassenden Stellungnahme für die Zulassung der PID unter strengen gesetzlichen Auflagen. Die Ratsmitglieder wiesen die Sorge, PID könnte die Entstehung von Babys nach den Wünschen der Eltern begünstigen, als unbegründet zurück. PID solle nur bei Hochrisikopaaren eingesetzt werden, deren Kinder sehr wahrscheinlich an einer Erbkrankheit leiden. Die Medizinethikerin Christiane Woopen vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln erklärte dazu: "Mit einer solchen eng begrenzten Zulassung der PID ist keinesfalls der Weg beschritten, der schlagwortartig mit Designerbaby oder Menschenzüchtung charakterisiert wird. Es geht nicht um die positive Auswahl einer Vielzahl an gewünschten Eigenschaften des zukünftigen Kindes nach der beliebigen Vorstellung der Eltern." Stattdessen sollen mit der PID mögliche Erbschäden eines künstlich befruchteten Embryos festgestellt werden, der allerdings – und das ist die Konsequenz dieser Methode - falls er Erbschäden aufweist, zerstört werden soll.

    Wegen dieser Selektionsmöglichkeiten ist die PID umstritten. Das Minderheitenvotum stellte die Design-Kapazitäten der PID daher heraus. Die neun Ratsmitglieder befürchten eine Aufweichung der anfangs noch engen Kriterien. Professor Therese Neuer-Miebach vom Fachbereich Sozialarbeit der Fachhochschule Frankfurt am Main erklärte: "Was hindert, so frage ich, zum Beispiel eine Gesellschaft daran, von einem Paar zu erwarten, ein genetisch kompatibles Kind zu erzeugen, das Stammzellspender für einen Bruder oder eine Schwester mit erblicher Blutkrankheit sein kann. Die med. Technologie entfaltet hier ihre eigene Dynamik wie in anderen Bereichen auch." Auch der ehemalige Bundesjustizminister und SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Hans-Jochen Vogel meldete entsprechende rechtliche und ethische Bedenken an: "Geborene, die mit einer Behinderung leben, die als Indikation für PID und eine anschließende Verwerfung zugelassen wird, werden mit der Tatsache konfrontiert, dass der Staat der Verhinderung ihrer Geburt gerade wegen dieser Behinderung, an der sie selbst leiden, für möglich und damit für Rechtens erklärt."

    Solche Bedenken wies Horst Dreier, Professor für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg zurück: "Alles deutet darauf hin, dass die wachsende Unterstützung Behinderter in der Gesellschaft mit der Liberalisierung der Schwangerschaftsabbruchs und der Intensivierung der PID durchaus parallel läuft." Ohnehin gebe es schon heute einen vergleichbaren diagnostischen Eingriff, sagen die Befürworter, die pränatale Diagnostik, bei der das Fruchtwasser auf Erbschäden oder –krankheiten hin untersucht wird. Bei Hinweisen auf solche Defekte bestünde auch jetzt schon die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch ohne vorhergehende Beratung.

    Die Stellungnahme des Ethikrates hat trotz ihres Umfangs keinerlei verpflichtende Wirkung. Eine solche Verbindlichkeit kann nur eine Entscheidung des Gesetzgebers beanspruchen. Konsequent forderten die Mitglieder des Ethikrates daher eine Regelung von Präimplantations- und Pränataldiagnostik in einem einheitlichen Fortpflanzungsmedizingesetz des Bundes.

    [Quelle: Martin Steinhage]