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Mehrwertsteuer auf Uni-Forschung

Gegen Angriffe der Finanzämter konnten sich die deutschen Unis bislang wehren, jetzt haben sie eine Niederlage eingesteckt. Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Nach einem Urteil werden die Universitäten in Zukunft Mehrwertsteuer zahlen.

    Allen Angriffen der Finanzämter hatten die deutschen Unis getrotzt, gestern sind sie in Luxemburg unterlegen: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs werden auch Hochschulen in Zukunft Mehrwertsteuer zahlen. Damit strichen die Europa-Richter ein fast hundertjähriges Privileg, zumindest zum Teil. Denn klar ist – und dabei bleibt es auch: Die Lehre wird nicht besteuert. Umstritten war das Sonderrecht aber lange für die so genannte Auftragsforschung. Das kann die Materialprüfung für ein Ingenieurbüro sein, das erdbebensichere Wände bauen will, oder die Entwicklung eines Spezialteils für die Autobranche. Auftragsforschung betreibt auch ein sozialwissenschaftliches Institut, das Umfragen durchführt. Es geht also um alle Leistungen einer Universität, für die sie im Gegenzug Drittmittel bekommt.

    Bisher standen die Hochschulen auf dem Standpunkt: Forschung und Lehre lassen sich nicht trennen, also wird keines der beiden besteuert. Und mit dem Argument drangen sie durch gegenüber den deutschen Behörden. Als die Finanzämter die Steuer eintreiben wollten, rückwirkend sogar, sprang der Gesetzgeber den Uni-Forschern bei. Anders übrigens als anderen Forschungseinrichtungen, wie Max-Plank-Instituten oder dem Fraunhofer-Institut, sie zahlen jetzt schon den ermäßigten Satz von sieben Prozent. Auch eine europäische Richtlinie, die die Mehrwertsteuer vereinheitlichen soll, legte der deutsche Gesetzgeber entsprechend hochschulfreundlich aus. Dort heißt es: Bei der Lehre ist die Steuerpflicht nicht nötig. Und Deutschland blieb, als einziges Land in Europa, bei der Meinung: Forschung und Lehre gehören zusammen. Weil auch der Unterricht von der praktischen Arbeit profitiert, und weil der Verwaltungsaufwand zu hoch wäre.

    Das sahen die Luxemburger Richter jetzt anders. Berufspraxis könne man auch anders vermitteln. Und mit dem Argument der Bürokratie könne man nicht einen ganzen Bereich systemwidrig ausnehmen. Was das alles in Euro und Cent für die Unis bedeutet, lässt sich noch nicht sagen. Der Kanzler der Universität Fridericiana, also der Technischen Hochschule in Karlsruhe, Dietmar Erdmann, hält die Neuerung auf jeden Fall für zu kompliziert:

    Das Erheben der Mehrwertsteuer ist zunächst ja mal nur ein Aufwand, der ist relativ begrenzt, aber natürlich müssen wir diese Mehrwertsteuer auch wieder an das Finanzamt abführen, und wir werden ja dann auch wieder Vorsteuerabzugsberechtigt. Das heißt: Wir werden die Einnahmen ganz anders administrativ behandeln müssen. Und das bedeutet dann zusätzlichen Personalaufwand,

    den er nicht für nötig hält. Dass die Unis aber jetzt im Wettbewerb viel schlechter dastehen als bisher, glaubt er nicht. Ausländische Hochschulen ging es ja bisher schon nicht besser. Und vor der Konkurrenz anderer deutscher Forschungseinrichtungen hat Dietmar Erdmann keine Angst:

    Ich glaube nicht, dass der Wettbewerb wirklich über den Preis geht. Die Industrie sucht sich als Auftragnehmer für ihre Forschungsaufträge bekannte Professoren, bekannte Wissenschaftler aus, mit denen sie in Kontakt ist, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Ich glaube nicht, dass wir durch den Aufschlag der Mehrwertsteuer ins Hintertreffen geraten.