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Meilenstein für den Frauenfußball

Erst 1970 erlaubte der Deutsche Fußball-Bund Frauen und Mädchen das Fußballspielen. Anerkennung und Förderung erfuhren die weiblichen Kicker im Verband erst nach dem ersten EM-Gewinn 1989. Nach dem ersten Weltmeister-Titel 2003 erlebte Deutschlands Frauenfußballs einen unglaublichen Boom.

Von Eduard Hoffmann |
    "Freistoß Lingor noch mal, wieder Künzer, jaaaa – Deutschland ist Weltmeister."’

    Im WM-Finale 2003 besiegt die deutsche Frauen-Fußball-Nationalelf Schweden mit 2:1 und wird erstmals Weltmeister. In der Verlängerung köpft Nia Künzer das alles entscheidende Golden Goal.

    "Der Ball kam wirklich perfekt für mich, dass ich hochsteigen konnte und ihn quasi unter die Latte köpfen konnte."

    Mehr noch als das spannende Endspiel ist vielen das dramatische Halbfiale gegen Gastgeber und Titelverteidiger USA in Erinnerung geblieben, so auch der heutigen U-20 Nationaltrainerin Maren Meinert, damals eine der großen Stützen der deutschen Elf.

    "Das war irgendwie das Spiel, in dem wir uns als deutsche Mannschaft auch endgültig bewiesen haben in dem Turnier, und das Schönste daran war eigentlich, dass wir es vor dem Spiel gespürt haben, dass das der Tag wird, wo wir’s schaffen."

    Und dann ist die Überraschung perfekt. Das Team der USA, bis dahin das Maß aller Dinge im internationalen Frauenfußball, an dem die deutsche Elf immer gescheitert war, wird tatsächlich besiegt.

    "And Germany head for the final in the biggest upset here of the Women’s World Cup 2003. The hosts and holders have been beaten."

    Spielerisch stark, mit großem Einsatz und Kampfgeist, letztlich aber auch mit viel Glück gewinnen die DFB-Frauen vor 30.000 Zuschauern in Portland 3:0 gegen die US-Fußballerinnen. Für viele Experten ist es das bis dahin beste Frauenfußballspiel.

    Ausschlaggebend für die großartige Halbfinalleistung ist neben der intensiven Vorbereitung auf die WM sicher auch die Erfahrung mehrerer deutscher Spielerinnen in der amerikanischen Profiliga WUSA. Bettina Wiegmann und Maren Meinert verdienen dort seit 2001 gutes Geld, Sandra Minnert, Steffi Jones und Birgit Prinz seit 2002.

    "Die deutschen Spielerinnen in der WUSA haben einfach gesehen, dass sie dort mithalten können und das hat man so ein bisschen auf die ganze Mannschaft übertragen. Dann hat man nicht gedacht, hoffentlich machen wir heute ein gutes Spiel, sondern dann ging’s darum: Wir wollen jetzt mal zeigen, dass wir besser sind."

    Bis zum Finale lässt die FIFA die Kickerinnen noch eine ganze Woche lang warten. Und am 12. Oktober 2003 müssen die Teams in Los Angeles dann schon um zehn Uhr morgens antreten. Die DFB-Elf bekommt die Schwedinnen anfangs nicht in den Griff und liegt zur Halbzeit 0:1 zurück.

    "Wir haben ziemlich frustriert in der Pause gesessen, weil wir auch überhaupt gemerkt haben, dass wir keinen Zugriff auf das Spiel haben, dass wir im Moment den Schwedinnen hinterher laufen, und es war dann schon gut, dass das Tor so kurz nach der Pause gefallen ist."

    Maren Meinert erinnert sich noch genau an ihren so wichtigen Treffer eine Minute nach Wiederanpfiff: Sie hatte sich rechts außen freigelaufen und wartete auf den Ball.

    "Und dann kam er von Birgit auf die rechte Seite, und ich hab ihn mir vorgelegt und sehr schwach abgeschossen, auch im Fallen noch. Die Torhüterin hat wahrscheinlich auch mit einem Riesenschuss gerechnet, den hab ich nicht so richtig getroffen, aber das ist im Fußball mal so, der ist drin."

    Und hält die deutsche Elf im Spiel. Schließlich dann das Golden Goal und Deutschlands Fußball-Frauen sind Weltmeister. Zu Hause haben vor den Fernsehern 13,5 Millionen Zuschauer mitgefiebert, eine Rekordkulisse. Und Bundestrainerin Tina Theune-Meyer genießt den Höhepunkt ihrer Fußball-Karriere.

    "Das waren vier Wochen, die waren so extrem, mit Höhepunkten gespickt und mit tollen Erlebnissen, auch mit der Mannschaft so drum herum, also das war eine tolle Zeit."

    Es ist aber auch der Höhepunkt einer dornenreichen Geschichte, angefangen beim langjährigen Spielverbot, das der DFB 1955 den Frauen verpasst hatte, über den ersten offiziellen Spielbetrieb Anfang der 70er Jahre, die späte Gründung einer Nationalelf 1982, bis zur Anerkennung und Förderung nach dem ersten Europameistertitel 1989.

    Der WM-Titel rückt die Nationalspielerinnen ins verdiente Rampenlicht. Land auf, Land ab sind sie gefragt und in allen Medien präsent. In fast jeder Talkshow sind die eloquenten Kickerinnen zu Gast. Die Elf erhält den Bambi-Fernsehpreis, wird bei der Sportlerwahl "Mannschaft des Jahres", und der DFB spendiert für jede Weltmeisterin 15.000 Euro Prämie. Deutschlands Frauenfußball erlebt einen Boom wie noch nie. Der Zulauf an neuen weiblichen Mitgliedern beim DFB ist enorm. Allein die Anzahl der Mädchenteams verdoppelt sich zwischen 2002 und 2006 von 3100 auf 6300 Teams. Die Nationalelf bekommt einen Hauptsponsor und mehrere Spitzenspielerinnen erhalten lukrative Werbeverträge. Damit war die Tür, so Weltmeisterin Maren Meinert, zumindest für ein Halbprofitum weit geöffnet.

    "Wir haben die Vereine weiter professionalisiert, und auch Firmen sind ja darauf gekommen, auch in der Bundesliga, dass sie da was tun können, auch beim DFB, ich glaube schon, dass das ein wichtiger Schritt war, auch die Halbprofessionalität in vielen Bereichen hier zu haben."