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Mein Klassiker
Jaki Liebezeit über den Boléro von Maurice Ravel

Als Schlagzeuger der 1968 gegründeten Rock-Pop-Formation CAN hat Jaki Liebezeit Musikgeschichte geschrieben. Die Band aus Köln gilt noch heute als Aushängeschild des Krautrocks. Auf ein Lieblingsalbum oder einen Lieblingsstück möchte sich Jaki Liebezeit nicht festlegen: In allen Genres begegnet er gute Musik. Doch wenn es für ihn so etwas wie einen "musikalischen Klassiker" gibt, dann ist es der Boléro von Maurice Ravel.

Von Andi Hörmann | 18.11.2014
    Jaki Liebezeit spielt am Schlagzeug auf dem Moers Festival in Moers
    Jaki Liebezeit spielt am Schlagzeug auf dem Moers Festival in Moers (picture-alliance / dpa/Bernd Thissen)
    "Ich bin Jaki Liebezeit. Ich war früher mal Trommler bei der deutschen Rock-Pop-Formation CAN. Das heißt, ich war auch Gründungsmitglied. Seit Auflösung der Gruppe bin ich unabhängiger Musiker.
    Mein Klassiker, ja ... ist eben ... eigentlich habe ich keinen Klassiker, weil ich mich nicht entscheiden kann, was mir am besten gefällt. Mir gefällt vieles, so wie ich auch verschiedene Speisen esse und nicht jeden Tag das gleiche. So ähnlich verhält es sich mit der Musik, dass ich Musik aus allen Ländern gerne höre, solange die Musik gut ist.
    "Rock-Musik ist ebenso tot wie die Jazz-Musik"
    Ich könnte mich jetzt nicht entscheiden für meine Lieblings-Jazz-Platte oder Lieblings-Rock-Platte oder Elektronik-Platte, Klassik-Platte... Ich habe keine Favorites. Alte Jazz-Platten zum Beispiel: Ich war immer ein Fan von Miles Davis, John Coltrane. Aber das ist nur ein Gebiet: Jazz.
    Es gibt auch andere: Rockmusik. Obwohl ich nie, ich muss das ehrlich zugeben, ein wirklicher Rock-Fan war und heute eigentlich gar kein Rock-Fan mehr bin. Weil die Rock-Musik ist ebenso tot wie die Jazz-Musik. Die Rock-Musik ist soweit gekommen, dass Leute wie Heino heute Rockmusik machen oder Schlagersänger benutzen Rock-Equipment. Es hat sich so sehr angenähert, dass man keinen Unterschied mehr feststellen kann. Rock-Musik hat auch keine Aussage mehr. Ebenso wie Jazz keine Aussage mehr hat. Das ist ein leeres Gefäß geworden.
    Im Bolero läuft ein Rhythmus
    "Natürlich finde ich Bach gut. Ich finde aber auch Debussy gut. Ravel finde ich gut, wegen des Boléro: Etwa 1920 entstanden, vor rund 100 Jahren. Der zu seiner Zeit einen Skandal ausgelöst hat, weil der was gemacht hat, was ich später quasi auch gemacht habe. Das heißt: In dem Boléro von Ravel läuft ein Rhythmus... unverändert, außer in der Lautstärke und Klangfarbe."
    So ähnlich bin ich auch zu CAN-Zeiten vorgegangen, dass ich für jedes Stück einen speziellen Rhythmus hergestellt habe. Was mir damals viel Kritik eingebracht hat, weil die Leute der Meinung waren, mir würde nichts einfallen.
    Nach diesem Prinzip gehe ich auch heute noch vor, dass ich bestimmte Rhythmen aufrecht erhalte und nicht verändere. Weil wenn ich meinen Rhythmus dauernd verändere, dann ändere ich dauernd meine Meinung und der Zuhörer weiß gar nicht was gemeint ist.
    Da gibt es ganz viele verschiedene Aufnahmen, die sich auch unterscheiden. Ich will auch keine Namen nennen, weil dabei sind auch ein paar Aufnahmen mit berühmten Dirigenten, die ich abscheulich finde, weil nämlich auch Tempoänderungen vorgenommen wurden - verzögert und wieder ein bisschen beschleunigt. Dirigenten-Willkür! Was mir überhaupt nicht gefallen hat. Ein berühmter Dirigent. Ich will den nicht verunglimpfen. Die guten Aufnahmen sind konstant, da steht das Tempo von Anfang bis Ende."
    Ich habe den Boléro auf einer Beerdigung gespielt
    Ich hab den selber schon gespielt, den Boléro: auf einer Beerdigung eines Kollegen. Der war Trommler im Symphonie-Orchester. Und der Sohn kam zu mir: Mein Vater, der fand den Boléro so gut. Willst du nicht auf der Beerdigung das spielen? Das konnte ich nicht ablehnen.
    Aber es ist nicht meine Lieblingsplatte, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Die gehört zu Musikstücken, die mir sehr gefallen."