Im Argentinien der Militärs hatten zuerst die Mütter der Plaza de Mayo nach dem Verbleib der Kinder geforscht und des sang- und klanglose "Verschwinden" von ca. 30.000 Argentiniern während ihrer Demonstrationen auf der Plaza de Mayo von Buenos Aires denunziert. "Verschwinden" war damals der gängige Euphemis-mus für die überstürzte Flucht ins Exil, die willkürliche Inhaftierung oder den Abwurf ins Meer aus Militärhubschraubern. Die Nachforschungen nach dem Verbleib der Kinder und Verschwundener dauerten oftmals Jahre und Jahrzehnte wie beispielsweise im Fall des argentinischen Schriftstellers Juan Gelman, der in Mexiko im Exil lebt und unlängst mit dem Premio Juan Rulfo ausgezeichnet wurde. Dank einer internationalen Solidaritstskampagne konnte er im letzten Jahr erstmals seine Nichte in die Arme schließen, die Tochter seiner von den Militärs ermordeten Tochter.
Weder in Chile, noch in Uruguay oder Argentinien, wo in den 70er und 80er Jahren die Militärs an der Macht waren, hat bislang eine kollektive Aufarbeitung jener Jahre stattgefunden. Dii Täter kamen zumeist ungeschoren da-von. In Argentinien hatte der damalige Präsident Raul Alfonsin im sog. Punto Final eine Generalamnestie für Militärs dekretiert. Die Verhaftung von Augusto Pinochet im Herbst 1998 in London und sein bevorstehender Prozeß in Chile hat auch Konsequenzen für Argentinien. Dazu Osorio:
Die Festnahme (Pinochets) und der Bewusstwerdungsprozeß einer internationalen Gemeinde haben einen offensichtlichen Einfluss darauf, dass die Prozesse in Argentinien vorangetrieben werden. Meiner Ansicht nach haben die Familien das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Des wollen immer mehr Familien, weil es eine inter-nationale Gemeinde gibt, die sie anspornt.
In Elsa Osorios Roman ahnt eine junge Frau namens Luz, dass sie womöglich gar nicht bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen ist. Hartnäckig und geduldig beginnt sie ihre eigene Biographie zu erforschen, bis sich allmählich wie bei einein kniffeligen Puzzle die Fragmente ihrer Nachforschungen zu einer Geschichte zusammen-fügen lassen, in der sie gleichsam exemplarisch Trauerarbeit leistet, indem sie eich mit den Verbrechen der Militärs kon-frontiert. Ihr Großvater ist der einflussreiche General Dufau, der seiner Tochter Mariana nach der Totgeburt ihres ersten Kindes kurzerhand ein anderes Baby besorgen ließ, nämlich die besagte Luz. Ihre leibliche Mutter hieß Liliana. saß hochschwanger im Gefängnis, weil. sie eine erklärte Regimegegnerin war und wurde von dem Unteroffizier Pitiotti alias El Bestia bevorzugt behan-delt, weil er Lilianas Baby für Miriam. seine Verlobte und frühere Edelprostituierte vorgesehen hatte.
Eigentlich ist Miriam schuldig, denn als El Bestia ihr ver-spricht, ein Baby zu besorgen, bleibt sie bei ihm. Sie schämt sich vor Liliana, wenn sie gewahr wird, was geschieht. Liliana öffnet ihr die Augen. Als sie ihr erzählt, daß El Bestia sehr zärtlich zu ihr ist, erfährt sie von ihr, daß er ein Folterer ist. Ich glaube, ich habe die Verbindung zwischen den beiden Frauen gesucht, weil ich so etwas bei Frauen für möglich halte. Miriam und Lilians repräsentieren vor allem in jenen Jahren etwas ganz Anderes.
Dass der General Dufau, einer der tonangebenden Militärs, seltsam entrückt und konturlos wirkt im Vergleich mit dem Unteroffizier Pitiotti alias El Bestia, der allein schon wegen seines Namens dem Bereich der Bösewichte zugeordnet ist, gehört zu den Ungereimtheiten des Romans, die Elsa Osorio so erklärt;
Ich wollte einen Roman mit Zwischentönen schreiben, ohne in Blocke von Guten und Bösen aufzuteilen. Wahrscheinlich ist mir das beim General misslungen, weil ich sie alle so abgrundtief hasse.' Ich muss auch noch sagen, dass ich Dufau mit jemandem identifiziere. ' Wenn sie mich nach einem konkreten Bild von ihm fragen, habe ich ihn und seine Frau vor Augen, was jedoch nicht heißt, dass diese Geschichte die einer bestimmten Person ist, die ich Dufau nenne. Es ist ungemein schwierig, überhaupt zu verstehen zu ver-suchen, warum sie das alles getan haben. Ich wollte einen Roman mit vielen Stimmen, alle sollten reden./Mir ist es sehr schwer gefallen, mich in die Person des El Bestia hineinzuversetzen. Ich beschreibe ihn immer in der dritten Person, wobei es mir vor allem darum geht, seine Emotionalität zu ergründen. Dass er in diese Frau verliebt ist, auf sie scharf ist, ermöglichte mir, ihn im Zentrum der Straflosigkeit zu zeigen. Als in Argentinien diese Greueltaten begangen wurden, wurden auch Fehler gemacht. Und die haben Spuren hinterlassen; dadurch war es überhaupt erst möglich, die Kinder zu finden. Und dann wollte ich so eine Romanfigur wie El Bestia, der seiner Verlobten dieses Baby anbietet, wie einen Pelzmantel, ein Schmuckstück...ein Baby, das wie ein Objekt behandelt wird (...) Ich habe beim Schreiben nicht versucht, ihn zu verstehen, weil das viel zu furchtbar ist, ich wollte vielmehr ergründen, was solchen Menschen durch den Kopf ging, um überhaupt solche Irrtümer zu begehen.
Elsa Osorio hat diesen aufwühlenden Roman in Madrid geschrieben, wo sie seit 1995 als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen arbeitet und Romane und Erzählungen schreibt. Ihrer Ansicht nach haben sich die räumliche und zeitliche Distanz positiv auf die Romangestaltung ausgewirkt:
Weit weg zu sein hat mir geholfen. Literarisch gesehen war das sehr heilsam, musste ich doch mehrere Vorurteile ablegen. Wenn man einen so emotionsgeladenen Roman schreiben will, ist es schwer, ein literarisches Gleichgewicht zu finden. Mir hat es sehr gut getan, diesen Roman zu schreiben, nicht nur in literari-scher, sondern auch in menschlicher Hinsicht. Ich schreibe und das heißt auch, die ganze Angst noch einmal zu durchleben. Das ist heilsam und das kann ich nur empfehlen.
Weder in Chile, noch in Uruguay oder Argentinien, wo in den 70er und 80er Jahren die Militärs an der Macht waren, hat bislang eine kollektive Aufarbeitung jener Jahre stattgefunden. Dii Täter kamen zumeist ungeschoren da-von. In Argentinien hatte der damalige Präsident Raul Alfonsin im sog. Punto Final eine Generalamnestie für Militärs dekretiert. Die Verhaftung von Augusto Pinochet im Herbst 1998 in London und sein bevorstehender Prozeß in Chile hat auch Konsequenzen für Argentinien. Dazu Osorio:
Die Festnahme (Pinochets) und der Bewusstwerdungsprozeß einer internationalen Gemeinde haben einen offensichtlichen Einfluss darauf, dass die Prozesse in Argentinien vorangetrieben werden. Meiner Ansicht nach haben die Familien das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Des wollen immer mehr Familien, weil es eine inter-nationale Gemeinde gibt, die sie anspornt.
In Elsa Osorios Roman ahnt eine junge Frau namens Luz, dass sie womöglich gar nicht bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen ist. Hartnäckig und geduldig beginnt sie ihre eigene Biographie zu erforschen, bis sich allmählich wie bei einein kniffeligen Puzzle die Fragmente ihrer Nachforschungen zu einer Geschichte zusammen-fügen lassen, in der sie gleichsam exemplarisch Trauerarbeit leistet, indem sie eich mit den Verbrechen der Militärs kon-frontiert. Ihr Großvater ist der einflussreiche General Dufau, der seiner Tochter Mariana nach der Totgeburt ihres ersten Kindes kurzerhand ein anderes Baby besorgen ließ, nämlich die besagte Luz. Ihre leibliche Mutter hieß Liliana. saß hochschwanger im Gefängnis, weil. sie eine erklärte Regimegegnerin war und wurde von dem Unteroffizier Pitiotti alias El Bestia bevorzugt behan-delt, weil er Lilianas Baby für Miriam. seine Verlobte und frühere Edelprostituierte vorgesehen hatte.
Eigentlich ist Miriam schuldig, denn als El Bestia ihr ver-spricht, ein Baby zu besorgen, bleibt sie bei ihm. Sie schämt sich vor Liliana, wenn sie gewahr wird, was geschieht. Liliana öffnet ihr die Augen. Als sie ihr erzählt, daß El Bestia sehr zärtlich zu ihr ist, erfährt sie von ihr, daß er ein Folterer ist. Ich glaube, ich habe die Verbindung zwischen den beiden Frauen gesucht, weil ich so etwas bei Frauen für möglich halte. Miriam und Lilians repräsentieren vor allem in jenen Jahren etwas ganz Anderes.
Dass der General Dufau, einer der tonangebenden Militärs, seltsam entrückt und konturlos wirkt im Vergleich mit dem Unteroffizier Pitiotti alias El Bestia, der allein schon wegen seines Namens dem Bereich der Bösewichte zugeordnet ist, gehört zu den Ungereimtheiten des Romans, die Elsa Osorio so erklärt;
Ich wollte einen Roman mit Zwischentönen schreiben, ohne in Blocke von Guten und Bösen aufzuteilen. Wahrscheinlich ist mir das beim General misslungen, weil ich sie alle so abgrundtief hasse.' Ich muss auch noch sagen, dass ich Dufau mit jemandem identifiziere. ' Wenn sie mich nach einem konkreten Bild von ihm fragen, habe ich ihn und seine Frau vor Augen, was jedoch nicht heißt, dass diese Geschichte die einer bestimmten Person ist, die ich Dufau nenne. Es ist ungemein schwierig, überhaupt zu verstehen zu ver-suchen, warum sie das alles getan haben. Ich wollte einen Roman mit vielen Stimmen, alle sollten reden./Mir ist es sehr schwer gefallen, mich in die Person des El Bestia hineinzuversetzen. Ich beschreibe ihn immer in der dritten Person, wobei es mir vor allem darum geht, seine Emotionalität zu ergründen. Dass er in diese Frau verliebt ist, auf sie scharf ist, ermöglichte mir, ihn im Zentrum der Straflosigkeit zu zeigen. Als in Argentinien diese Greueltaten begangen wurden, wurden auch Fehler gemacht. Und die haben Spuren hinterlassen; dadurch war es überhaupt erst möglich, die Kinder zu finden. Und dann wollte ich so eine Romanfigur wie El Bestia, der seiner Verlobten dieses Baby anbietet, wie einen Pelzmantel, ein Schmuckstück...ein Baby, das wie ein Objekt behandelt wird (...) Ich habe beim Schreiben nicht versucht, ihn zu verstehen, weil das viel zu furchtbar ist, ich wollte vielmehr ergründen, was solchen Menschen durch den Kopf ging, um überhaupt solche Irrtümer zu begehen.
Elsa Osorio hat diesen aufwühlenden Roman in Madrid geschrieben, wo sie seit 1995 als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen arbeitet und Romane und Erzählungen schreibt. Ihrer Ansicht nach haben sich die räumliche und zeitliche Distanz positiv auf die Romangestaltung ausgewirkt:
Weit weg zu sein hat mir geholfen. Literarisch gesehen war das sehr heilsam, musste ich doch mehrere Vorurteile ablegen. Wenn man einen so emotionsgeladenen Roman schreiben will, ist es schwer, ein literarisches Gleichgewicht zu finden. Mir hat es sehr gut getan, diesen Roman zu schreiben, nicht nur in literari-scher, sondern auch in menschlicher Hinsicht. Ich schreibe und das heißt auch, die ganze Angst noch einmal zu durchleben. Das ist heilsam und das kann ich nur empfehlen.