Niels Frevert: Wir haben tatsächlich das Ensemble ein wenig erweitert, aber sind auch ganz klar in einem bestimmten Rahmen geblieben. Das heißt diese Platte ist noch akustischer als die Letzte, wir haben in jedem Lied ein Piano dabei, haben versucht mehr auf die ursprüngliche Band (Bass, Gitarre, Schlagzeug, Klavier) zu fokussieren – und dann zu gucken: Welche Elemente fügen wir noch anbei.
Anja Buchmann: Also es geht mehr darum, gewisse farbliche, klangliche Akzente zu setzen mit diesem Ensemble?
Frevert: Ganz genau, also die Basis ist die Liveband, von der ich selber noch gar nicht weiß: Ist es eine Popband oder eine Jazzband – und dann eben zu sehen, dass man noch, wie sie schon sagten, Farbtupfer hinzufügt, das Spektrum etwas erweitert.
Buchmann: Wie kam es überhaupt zu der Idee, die ja mit dem letzten Album begann, das Ganze zu erweitern, Streicherensemble und noch ein paar weitere Instrumente hinzuzufügen; ist das eine Entwicklung etwas weg von der Rockmusik zu mehr Platz für die Stimme und die Texte oder was war der Ausgangspunkt für diese Überlegung?
Frevert: Es war gar nicht so geplant, aber tatsächlich hat sich zur letzten Platte eine gewaltige Änderung vollzogen. Ich habe für mich gemerkt, Rockmusik höre ich noch ganz gerne, aber das selbst zu spielen macht nichts mehr mit mir. Mir war klar, ich muss einen neuen Weg finden, meine Lieder zu interpretieren. Ich habe gemerkt, wenn ich mit einer akustischen Gitarre hingesetzt habe und gezupft habe, dass die Geschichten, die ich erzähle, viel mehr Platz haben und mehr Platz zum Atmen. Und dass es auch meiner Stimme sehr gut tat. Dass ich nicht gegen eine Band ansingen musste. Wenn ich mir jetzt meine jüngeren Platten anhöre, mit der Nationalgalerie, wo ich gegen verzerrte Gitarren angesungen habe, dann frage ich mich: Warum hast Du Dir das angetan? Das passt doch gar nicht zu deiner Stimme. Vielleicht auch dadurch, dass ich viele Jahre alleine getourt habe und daran gewöhnt bin, alleine zur Gitarre zu singen, habe ich mich daran gewöhnt, viel Platz zu haben für die Stimme. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass diese reduzierte Band, gegen die die Stimme nicht ansingen muss, sondern die die Stimme unterstützt, dass das meinen Geschichten sehr gut tut.
Buchmann: Der Pressetextschreiber Tino Hanekamp schreibt, dass sie so lange brauchen, um ihre Texte zu schreiben, wie ein Eichhörnchen bei einer Erdumrundung. Was ist da dran?
Frevert: Das ist ein kleiner versteckter Witz von meinem guten Freund Tino, der sich darauf bezieht – ein paar Monate, bevor wir ins Studio gegangen sind, habe ich ihm von einem Lied erzählt, in dem das Wort Eichhörnchen vorkommt. Ich sagte: Ich weiß noch nicht, wie ich das singen soll, das ist ein hochkitschiges Wort und klingt schon beim Sprechen sehr fragwürdig. Ich hatte ihm erzählt, dass ich aber dieses Wort in den Text einbinden wollte und suchte, wie man es gut singen kann. Und das hat er sich wohl so gut gemerkt, dass er das "Eichhörnchen" noch mal im Pressetext unterbringen wollte.
Buchmann: Das ist der Song Schlangenlinien, in dem es um dieses Eichhörnchen geht. Ging es Ihnen in erster Linie darum, dieses Wort unterzubringen oder haben sie tatsächlich einen Mann Eichhörnchen-fütternd im Park getroffen?
Frevert: Das ist mir tatsächlich passiert und deswegen musste ich dieses Wort unterbringen. Es war nicht der reine sportliche Ehrgeiz, der mich angetrieben hat, sondern um die Geschichte zu erzählen, musste ich einen Weg finden, diesen Tiernamen unterzubringen.
Buchmann: Aber sie sind schon ein Perfektionist, was Sprache – und auch die Musik - anbetrifft? Das kann man daraus ableiten, dass sie so lange brauchen, wie ein Eichhörnchen für eine Erdumrundung ...
Frevert: Ich weiß nicht, ob Perfektionist nicht etwas anmaßend ist. Aber ja, ich reflektiere sehr ausgiebig das, was ich schreibe, ich nehme mir Zeit, bin nicht so schnell zufriedenzustellen. Ich finde einfach, das gilt textlich und musikalisch: Das Leben ist zu kurz, um eine halb gute Platte abzuliefern.
Buchmann: Ihr Aufnahmegerät tragen sie mit sich und wenn ihnen Text- oder Melodiefetzen einfallen, dann sprechen oder singen sie es mal kurz da rein?
Frevert: Ja, ich habe ein Diktiergerät, das ich immer bei mir trage für Melodie-Ideen oder wenn ich keinen Zettel bei mir habe zum Notieren von Zeilen, und es geht wesentlich schneller als zu Hause anzurufen und auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Ansonsten bin ich jemand, der textlich sehr gerne mit Papier arbeitet. Ich hab immer irgendwelche Zettel bei mir, die in der Zeit vollgeschrieben werden. Wenn ich an einer Platte arbeite, dann sind das ungefähr vier bis sechs Hefte voll. Man muss frühzeitig sammeln und gucken, was passt zusammen.
Buchmann: Wie die Eichhörnchen für den Winter ...
Frevert: Ja, sehr gutes Bild, da haben wir ja die Runde geschafft.
Buchmann: Das heißt, Zettel auf dem Boden ist ein Titel der Platte, der auch ihre Arbeitsweise ansprechen könnte?
Frevert: In erster Linie ging es mir bei dem Titel Zettel auf dem Boden einfach darum ... ich hatte das Gefühl, das ist die Platte mit den Geschichten. Mit dem Zettel auf dem Boden sind die Nachrichten gemeint, die man hinterlässt: "Bin kurz Zigaretten holen und gleich wieder da" oder "Ich verlasse dich" oder wie auch immer ... Ich hatte das Gefühl nach den ersten fünf Liedern für die Platte, dass es hier zum großen Teil um Nachrichten an Menschen geht. Das hat sich ganz klar abgezeichnet.
Buchmann: Nachrichten an Menschen – und beim Song "Blinken am Horizont" geht es um eine möglicherweise erwartete Nachricht von einer verstorbenen Person. Wie ist dieser Song entstanden?
Frevert: Das ist tatsächlich ein Lied für meine verstorbene Mutter, die vor einigen Jahren schon verstorben ist. Im Grunde genommen geht es da um eine Art Kontaktaufnahme, die natürlich nicht stattfindet. Aber die in diesem Bereich stattfindet, Blinken am Horizont, also ein Leuchtturm kommuniziert ja auch auf eine Art und Weise, da kommt bloß nichts zurück. Und das Bild wollte ich gern aufnehmen.
Buchmann: Die Atmosphäre und Stimmung in Ihren Liedern, in den Texten und der Musik, changiert etwas zwischen verschiedenen Zuständen: Melancholisch, sehnsüchtig, hier und da auch mal traurig, aber nicht depressiv und es hat trotzdem etwas Freudiges darin. Eine Gebrochenheit, ein Zwischenzustand. Wie im Brasilianischen etwa, da gibt es die "saudade" eine Art "Lächeln durch Tränen", was in der Bossa Nova viel zu finden ist. Ist das etwas, mit dem Sie sich identifizieren können?
Frevert: Erst mal gefällt mir dabei diese Mehrdimensionalität, die Sie ansprechen. Das ist mir auch wichtig, eine Geschichte darf nicht nur traurig sein oder nicht nur lustig, es muss immer ein Bruch stattfinden. Ich mag auch das schöne Wort "Galgenhumor". Ich habe tatsächlich mal eine Fanmail bekommen, die genau das geschrieben hat: Sie könne bei meinen Konzerten immer so schön heulen und lachen gleichzeitig. Ich fand das ein ganz passendes Bild – mir geht es selbst natürlich nicht so während des Konzerts, aber ich wusste schon, was sie damit meint.
Anja Buchmann: Also es geht mehr darum, gewisse farbliche, klangliche Akzente zu setzen mit diesem Ensemble?
Frevert: Ganz genau, also die Basis ist die Liveband, von der ich selber noch gar nicht weiß: Ist es eine Popband oder eine Jazzband – und dann eben zu sehen, dass man noch, wie sie schon sagten, Farbtupfer hinzufügt, das Spektrum etwas erweitert.
Buchmann: Wie kam es überhaupt zu der Idee, die ja mit dem letzten Album begann, das Ganze zu erweitern, Streicherensemble und noch ein paar weitere Instrumente hinzuzufügen; ist das eine Entwicklung etwas weg von der Rockmusik zu mehr Platz für die Stimme und die Texte oder was war der Ausgangspunkt für diese Überlegung?
Frevert: Es war gar nicht so geplant, aber tatsächlich hat sich zur letzten Platte eine gewaltige Änderung vollzogen. Ich habe für mich gemerkt, Rockmusik höre ich noch ganz gerne, aber das selbst zu spielen macht nichts mehr mit mir. Mir war klar, ich muss einen neuen Weg finden, meine Lieder zu interpretieren. Ich habe gemerkt, wenn ich mit einer akustischen Gitarre hingesetzt habe und gezupft habe, dass die Geschichten, die ich erzähle, viel mehr Platz haben und mehr Platz zum Atmen. Und dass es auch meiner Stimme sehr gut tat. Dass ich nicht gegen eine Band ansingen musste. Wenn ich mir jetzt meine jüngeren Platten anhöre, mit der Nationalgalerie, wo ich gegen verzerrte Gitarren angesungen habe, dann frage ich mich: Warum hast Du Dir das angetan? Das passt doch gar nicht zu deiner Stimme. Vielleicht auch dadurch, dass ich viele Jahre alleine getourt habe und daran gewöhnt bin, alleine zur Gitarre zu singen, habe ich mich daran gewöhnt, viel Platz zu haben für die Stimme. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass diese reduzierte Band, gegen die die Stimme nicht ansingen muss, sondern die die Stimme unterstützt, dass das meinen Geschichten sehr gut tut.
Buchmann: Der Pressetextschreiber Tino Hanekamp schreibt, dass sie so lange brauchen, um ihre Texte zu schreiben, wie ein Eichhörnchen bei einer Erdumrundung. Was ist da dran?
Frevert: Das ist ein kleiner versteckter Witz von meinem guten Freund Tino, der sich darauf bezieht – ein paar Monate, bevor wir ins Studio gegangen sind, habe ich ihm von einem Lied erzählt, in dem das Wort Eichhörnchen vorkommt. Ich sagte: Ich weiß noch nicht, wie ich das singen soll, das ist ein hochkitschiges Wort und klingt schon beim Sprechen sehr fragwürdig. Ich hatte ihm erzählt, dass ich aber dieses Wort in den Text einbinden wollte und suchte, wie man es gut singen kann. Und das hat er sich wohl so gut gemerkt, dass er das "Eichhörnchen" noch mal im Pressetext unterbringen wollte.
Buchmann: Das ist der Song Schlangenlinien, in dem es um dieses Eichhörnchen geht. Ging es Ihnen in erster Linie darum, dieses Wort unterzubringen oder haben sie tatsächlich einen Mann Eichhörnchen-fütternd im Park getroffen?
Frevert: Das ist mir tatsächlich passiert und deswegen musste ich dieses Wort unterbringen. Es war nicht der reine sportliche Ehrgeiz, der mich angetrieben hat, sondern um die Geschichte zu erzählen, musste ich einen Weg finden, diesen Tiernamen unterzubringen.
Buchmann: Aber sie sind schon ein Perfektionist, was Sprache – und auch die Musik - anbetrifft? Das kann man daraus ableiten, dass sie so lange brauchen, wie ein Eichhörnchen für eine Erdumrundung ...
Frevert: Ich weiß nicht, ob Perfektionist nicht etwas anmaßend ist. Aber ja, ich reflektiere sehr ausgiebig das, was ich schreibe, ich nehme mir Zeit, bin nicht so schnell zufriedenzustellen. Ich finde einfach, das gilt textlich und musikalisch: Das Leben ist zu kurz, um eine halb gute Platte abzuliefern.
Buchmann: Ihr Aufnahmegerät tragen sie mit sich und wenn ihnen Text- oder Melodiefetzen einfallen, dann sprechen oder singen sie es mal kurz da rein?
Frevert: Ja, ich habe ein Diktiergerät, das ich immer bei mir trage für Melodie-Ideen oder wenn ich keinen Zettel bei mir habe zum Notieren von Zeilen, und es geht wesentlich schneller als zu Hause anzurufen und auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Ansonsten bin ich jemand, der textlich sehr gerne mit Papier arbeitet. Ich hab immer irgendwelche Zettel bei mir, die in der Zeit vollgeschrieben werden. Wenn ich an einer Platte arbeite, dann sind das ungefähr vier bis sechs Hefte voll. Man muss frühzeitig sammeln und gucken, was passt zusammen.
Buchmann: Wie die Eichhörnchen für den Winter ...
Frevert: Ja, sehr gutes Bild, da haben wir ja die Runde geschafft.
Buchmann: Das heißt, Zettel auf dem Boden ist ein Titel der Platte, der auch ihre Arbeitsweise ansprechen könnte?
Frevert: In erster Linie ging es mir bei dem Titel Zettel auf dem Boden einfach darum ... ich hatte das Gefühl, das ist die Platte mit den Geschichten. Mit dem Zettel auf dem Boden sind die Nachrichten gemeint, die man hinterlässt: "Bin kurz Zigaretten holen und gleich wieder da" oder "Ich verlasse dich" oder wie auch immer ... Ich hatte das Gefühl nach den ersten fünf Liedern für die Platte, dass es hier zum großen Teil um Nachrichten an Menschen geht. Das hat sich ganz klar abgezeichnet.
Buchmann: Nachrichten an Menschen – und beim Song "Blinken am Horizont" geht es um eine möglicherweise erwartete Nachricht von einer verstorbenen Person. Wie ist dieser Song entstanden?
Frevert: Das ist tatsächlich ein Lied für meine verstorbene Mutter, die vor einigen Jahren schon verstorben ist. Im Grunde genommen geht es da um eine Art Kontaktaufnahme, die natürlich nicht stattfindet. Aber die in diesem Bereich stattfindet, Blinken am Horizont, also ein Leuchtturm kommuniziert ja auch auf eine Art und Weise, da kommt bloß nichts zurück. Und das Bild wollte ich gern aufnehmen.
Buchmann: Die Atmosphäre und Stimmung in Ihren Liedern, in den Texten und der Musik, changiert etwas zwischen verschiedenen Zuständen: Melancholisch, sehnsüchtig, hier und da auch mal traurig, aber nicht depressiv und es hat trotzdem etwas Freudiges darin. Eine Gebrochenheit, ein Zwischenzustand. Wie im Brasilianischen etwa, da gibt es die "saudade" eine Art "Lächeln durch Tränen", was in der Bossa Nova viel zu finden ist. Ist das etwas, mit dem Sie sich identifizieren können?
Frevert: Erst mal gefällt mir dabei diese Mehrdimensionalität, die Sie ansprechen. Das ist mir auch wichtig, eine Geschichte darf nicht nur traurig sein oder nicht nur lustig, es muss immer ein Bruch stattfinden. Ich mag auch das schöne Wort "Galgenhumor". Ich habe tatsächlich mal eine Fanmail bekommen, die genau das geschrieben hat: Sie könne bei meinen Konzerten immer so schön heulen und lachen gleichzeitig. Ich fand das ein ganz passendes Bild – mir geht es selbst natürlich nicht so während des Konzerts, aber ich wusste schon, was sie damit meint.