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"Meine Sturheit hat mir geholfen, zu bleiben"

Yoani Sanchez ist die bekannteste regierungskritische Netzaktivistin Kubas. Sie wurde mit vielen ausländischen Preisen ausgezeichnet, die sie nicht entgegennehmen konnte. Die kubanischen Behörden verweigerten ihr die Ausreise. Mit der neuen Reiseregelung auf der sozialistischen Insel hat sich auch die Lage für Sanchez etwas vereinfacht.

Von Martin Polansky, ARD-Studio Mexiko |
    "Mein erster Computer war ein Monster, ein Frankenstein, selbst zusammengesetzt mit Teilen, die ich mir irgendwo besorgt habe."

    Sagt Yoani Sanchez, Kubas bekannteste Bloggerin.

    "Aber damit schrieb ich 1994 meine erste Zeitung. Und das hat vieles in meinem Leben verändert. Eine Verbindung ist entstanden zwischen der Technologie und dem Wunsch etwas zu sagen."

    Yoani Sanchez, 37, wirkt mit ihrem schmalen Gesicht und den langen, glatten Haaren beinah zierlich. In ihrem seit 2007 bestehenden Blog beschreibt sie vor allem kubanische Alltagserlebnisse. Mal geht es ums Schlangestehen, mal um den Schwarzmarkt oder linientreues Fernsehen. Ihre Geschichten im Netz fielen schnell auf – Lesern im Ausland und auch den kubanischen Behörden. Die betrachten Yoani Sanchez als Konterrevolutionärin:

    "Am schlimmsten ist es, wenn mich Freunde plötzlich nicht mehr besuchen, nicht mehr anrufen, weil sie unter Druck gesetzt werden. Als ich mit meinem Blog anfing, verlor ich fast alle meine Freunde, die für mich wie meine Geschwister, meine Familie waren. Aber es entstanden neue Freundschaften, mit Bloggern, Dissidenten, Leute, die sich nicht zufriedengeben. Das gefällt mir denn bei mir zu Hause kann man förmlich die Rebellion einatmen."

    Dabei dürfte Yoani Sanchez vielen Kubanern bis heute gar nicht bekannt sein. Auf der sozialistischen Insel hat so gut wie niemand einen privaten Internet-Anschluss. Und wer über Uni oder Arbeitsplatz ins Netz gehen kann, landet meist im gefilterten kubanischen Intranet.
    Im Ausland werden Sanchez Artikel dagegen auch in vielen Zeitungen gedruckt. Und sie wurde mit Preisen überhäuft – so bekam Sanchez etwa die spanische Journalistenauszeichnung "Ortega y Gasset" oder den Webblog-Preis BOBs der Deutschen Welle. Nur: Entgegennehmen durfte Sanchez die Auszeichnungen lange nicht. Ihr Land verweigerte ihr die Ausreise.

    Anfang des Jahres hat Kuba aber seine Reiseregelungen deutlich gelockert. Und nun ist Yoani Sanchez unterwegs – eine Netzaktivistin auf Welttournee. Manchmal gibt es auch Proteste von Anhänger des kubanischen Sozialismus – etwa in Mexiko:

    "Sie erzählt Lügen. Sie arbeitet für ein fremdes Land, um das System im eigenen Land zu beenden. Sie ist eine Söldnerin."

    Jetzt kommt Yoani Sanchez nach Deutschland. In Berlin stellt sie sich den Fragen von "Reporter ohne Grenzen" sie nimmt teil an der Internet- und Blogger-Konferenz Re.Publica und dort bekommt sie auch ihre 2008 zugesprochene Auszeichnung, den BOBs der Deutschen Welle überreicht.

    Für die Netzaktivistin Yoani Sanchez ist aber klar: Nach ihrer monatelangen Tour durchs Ausland will sie zurück nach Kuba. In ihre Wohnung in Havanna – mit Blick auf den Platz der Revolution:

    "Eine der Strategien der kubanischen Regierung ist die Kritiker, die Unbequemen ins Exil zu treiben. Aber ich bin stur, auch weil ich glaube, dass mein Land nicht das Eigentum einer Ideologie, einer Regierung oder einer Person ist, sondern allen Kubanern gehört. Meine Sturheit hat mir geholfen, zu bleiben, auch weil vieles in meinem Land verändert werden muss. Jeder Kampf für die Demokratie in Kuba ist wichtig, aber am wichtigsten ist er im Land selbst."