Marcel Anders: Mr. Dickinson, Sie sind nicht nur der Sänger von Iron Maiden, sondern auch Autor, Radio-DJ, TV-Moderator und professioneller Pilot. Sind sie Workaholic oder Masochist?
Bruce Dickinson: Ich bin einfach gerne beschäftigt. Wobei es im Grunde so ist, dass ich von einem Job zum anderen stolpere. Das einzige, das mir dabei hilft, alles zu koordinieren und miteinander zu vereinbaren, ist meine Tätigkeit als Pilot.
Da erhalte ich alle 28 Tage einen Dienstplan, auf dem genau steht, wann ich wo zu sein habe – und dadurch weiß ich auch, wann ich freie Tag habe, an denen ich noch etwas anderes unterbringen kann. Was das Leben enorm vereinfacht. Dadurch muss ich weniger Entscheidungen treffen.
Anders: Demnach sind Sie das einzige Bandmitglied mit einem geregelten Arbeitstag?
Dickinson: Ich bin der einzige mit einem richtigen Job.
Anders: Was hat Sie zum professionellen Piloten werden lassen – hat Ihnen das Fechten, das Sie ebenfalls ernsthaft betrieben haben – nicht mehr gereicht?
Dickinson: Ich bin zu alt, um an Fechtturnieren teilzunehmen. Und ich fliege die Band ja auch schon eine ganze Weile durch die Gegend. Ich bin ihr Pilot, der sie von Gig zu Gig bringt. Und ich liebe die Idee von operativen Flügen. Also nicht nur zum reinen Vergnügen, sondern aus einem bestimmten Grund. Insofern war der nächste logische Schritt, dass ich darüber nachgedacht habe, vielleicht einen Teilzeitjob als Pilot eines Kleinflugzeugs zu übernehmen, und zum Beispiel medizinische Aufgaben zu erledigen. Wie die Jungs, die Herzen und andere Organe durch die Gegend fliegen oder Evakuierungen vornehmen. Solche Sachen.
Wie es der Zufall will, war ich eines Tages mit einem guten Freund im Flugsimulator und habe ein paar Runden absolviert. Der Typ, der hinter mir saß, war Chef einer Fluggesellschaft. Er meinte zu mir: "Kann sein, dass ich bald einen Piloten brauche." Und zwei Monate später, hat er tatsächlich angerufen: "Was machst du am Montag?" – "Keine Ahnung." – "OK, hier ist ein Job, der mir gerade in den Schoß gefallen ist. Und dein Name steht ganz oben auf der Liste. Es ist eine 757, und ich brauche jetzt eine Antwort." Das konnte ich natürlich nicht ablehnen. Also sagte ich zu – und habe mich erst später darum gekümmert, wie ich das hinkriege.
Anders: Wie reagieren die Passagiere, wenn sie erfahren, dass sie von Kapitän Bruce Dickinson geflogen werden?
Dickinson: Momentan bin ich nicht Kapitän, sondern erster Offizier. Ich bin der Typ, der daneben sitzt. Und die meisten Leute haben kein Problem damit. Ab und zu wollen sie ein Autogramm, was ja nicht weiter schlimm ist.
Anders: Und die lieben Kollegen? Nimmt man sie als Sänger einer Heavy-Metal-Band überhaupt ernst?
Ich bin lang genug dabei, dass das kein Thema mehr ist. Ich bin einfach ein weiterer Pilot. Was ich sehr genieße.
Anders: Sind Piloten so etwas wie moderne Seemänner – mit allen Klischees, die dazugehören?
Dickinson: Das trifft durchaus zu. Ich meine, man fährt zur See, um zu vergessen. Und beim Fliegen denkt man auch nicht viel nach. Für die Klischees gilt: Ohne Uniform geht es nicht. Die gehört dazu. Genau wie du deinen Ausweis tragen und ein Gesundheitszeugnis vorlegen musst. Es ist wie bei einem Busfahrer.
Anders: Haben Sie ein persönliches Lieblingsflugzeug?
Dickinson: Wenn ich arbeite, fliege ich meistens eine Boeing 757. Und das ist auch eines meiner absoluten Lieblingsflugzeuge. Einfach, weil es einen der größten Motoren hat, die man sich vorstellen kann. Viel größer, als man ihn eigentlich bräuchte. Von daher startet das Teil wie ein Porsche 911 Turbo – sprich: Es hat eine unglaubliche Kraft. Und heute würde man kaum noch ein Flugzeug mit so viel Extra-Power konzipieren.
Aber die 757 hat sie – und das nutzen wir, um Orte anzusteuern, die ein gewöhnliches Flugzeug – selbst, wenn es nur halb so groß ist – nicht hinkriegen würde. Einfach weil die 757 schneller stoppen und starten kann und mit kürzeren Landebahnen in bergigen Gegenden klarkommt. Einfach, weil sie eine unglaubliche Kraft hat.
Anders: Und zwischendurch mit Iron Maiden auf Tournee zu gehen, ist demnach wie bezahlter Urlaub?
Dickinson: Ja, zumal wir nicht mehr anderthalb Jahre am Stück touren, sondern – wie jetzt – nur noch drei Monate. Wobei ich nicht glaube, dass noch jemand von uns Lust darauf hat, länger unterwegs zu sein. Ich bestimmt nicht. Ich liebe es, Alben zu machen und so live zu spielen, wie wir das aktuell handhaben – nämlich jedes Jahr für zwei oder drei Monate. Das ist toll.
Aber mehr muss nicht sein. Ich bin nicht gerne lange von Zuhause weg. Und ich habe noch viele andere Dinge in meinem Leben, die mir eine Menge Energie geben, die ich dann wieder in die Musik stecken kann. Wäre ich dagegen ständig unterwegs, würde ich wahnsinnig werden. Ich würde sofort aufhören.
Anders: Mal ehrlich: Wie denken Sie darüber, dass die Band nach all den Jahren – nach vier Dekaden – noch so erfolgreich ist?
Dickinson: Das ist eine sehr angenehme Überraschung. Wobei ich aber auch glaube, dass ich weiß, warum das so ist. Ich meine, wenn du Teil einer Band bist, ist es für gewöhnlich schwer zu verstehen, wie dich die Leute von außen sehen. Aber ich glaube, dass ich das langsam begreife. Nämlich dass sie in uns etwas Einmaliges sehen. Eine Band, die nie irgendwelche Kompromisse im Bezug auf ihre Ideale oder ihre Einstellung eingegangen ist. Was das letzte Album wieder bewiesen hat. Denn das ist nicht außer Mode, es ist jenseits davon. In einem komplett anderen Universum.
Anders: Das sie wie definieren?
Dickinson: Es ist ein Universum ohne Zeit. Und es liegt in der Iron-Maiden-Welt, die schlichtweg anders ist. Eben ein Ort, an dem wir uns als Band bewegen, an den uns eingefleischte Fans folgen und den sich andere Leute anschauen und sagen: "Ich würde gerne herausfinden, worum es hier geht." Also kommen sie zu den Konzerten. Und natürlich handelt es sich dabei um junge Kids. Es sind keine alten Säcke, wie wir, an die wir die meisten europäischen Tickets verkaufen.
Anders: Wobei sich Ihre Texte nach wie vor um Kriege und Tod drehen – um krisensichere Themen, die sich bis zum jüngsten Tag besingen lassen.
Dickinson: Stimmt. Gäbe es keine Kriege und keine Konflikte mehr, was sollten wir dann machen? Wir müssten uns mit Vögeln und Bienen befassen - oder zu Whitesnake werden und nur noch über Sex schreiben.
Anders: Obwohl Sie mittlerweile über 50 sind, haben Sie scheinbar nicht vor, in absehbarer Zeit aufzuhören. Halten es Iron Maiden mit dem Motto der alten Blues-Jungs: "Bis man uns in der Kiste nach Hause schickt"?
Dickinson: Bis sie mich in der Kiste nach Hause schicken. Ganz genau. Und deshalb versuche ich in Form zu bleiben – eben, weil ich Bier liebe. Weil ich gerne auf der Bühne rumlaufe, ein bisschen fechte und Spaß habe. Deshalb springe ich auch aufs Fahrrad und reiße zig Kilometer ab.
Wobei ich nicht denke: "Das tut so weh, dass ich morgens nicht aus dem Bett komme." Sondern: Wenn es beim Aufstehen schmerzt, ist das einfach so - damit muss man klarkommen. Athleten leben ja auch mit permanentem Schmerz. Außerdem ist es so: Bei dem, was ich auf der Bühne leiste, tut immer irgendetwas weh. Damit muss man klarkommen – weil es sich lohnt.
Bruce Dickinson: Ich bin einfach gerne beschäftigt. Wobei es im Grunde so ist, dass ich von einem Job zum anderen stolpere. Das einzige, das mir dabei hilft, alles zu koordinieren und miteinander zu vereinbaren, ist meine Tätigkeit als Pilot.
Da erhalte ich alle 28 Tage einen Dienstplan, auf dem genau steht, wann ich wo zu sein habe – und dadurch weiß ich auch, wann ich freie Tag habe, an denen ich noch etwas anderes unterbringen kann. Was das Leben enorm vereinfacht. Dadurch muss ich weniger Entscheidungen treffen.
Anders: Demnach sind Sie das einzige Bandmitglied mit einem geregelten Arbeitstag?
Dickinson: Ich bin der einzige mit einem richtigen Job.
Anders: Was hat Sie zum professionellen Piloten werden lassen – hat Ihnen das Fechten, das Sie ebenfalls ernsthaft betrieben haben – nicht mehr gereicht?
Dickinson: Ich bin zu alt, um an Fechtturnieren teilzunehmen. Und ich fliege die Band ja auch schon eine ganze Weile durch die Gegend. Ich bin ihr Pilot, der sie von Gig zu Gig bringt. Und ich liebe die Idee von operativen Flügen. Also nicht nur zum reinen Vergnügen, sondern aus einem bestimmten Grund. Insofern war der nächste logische Schritt, dass ich darüber nachgedacht habe, vielleicht einen Teilzeitjob als Pilot eines Kleinflugzeugs zu übernehmen, und zum Beispiel medizinische Aufgaben zu erledigen. Wie die Jungs, die Herzen und andere Organe durch die Gegend fliegen oder Evakuierungen vornehmen. Solche Sachen.
Wie es der Zufall will, war ich eines Tages mit einem guten Freund im Flugsimulator und habe ein paar Runden absolviert. Der Typ, der hinter mir saß, war Chef einer Fluggesellschaft. Er meinte zu mir: "Kann sein, dass ich bald einen Piloten brauche." Und zwei Monate später, hat er tatsächlich angerufen: "Was machst du am Montag?" – "Keine Ahnung." – "OK, hier ist ein Job, der mir gerade in den Schoß gefallen ist. Und dein Name steht ganz oben auf der Liste. Es ist eine 757, und ich brauche jetzt eine Antwort." Das konnte ich natürlich nicht ablehnen. Also sagte ich zu – und habe mich erst später darum gekümmert, wie ich das hinkriege.
Anders: Wie reagieren die Passagiere, wenn sie erfahren, dass sie von Kapitän Bruce Dickinson geflogen werden?
Dickinson: Momentan bin ich nicht Kapitän, sondern erster Offizier. Ich bin der Typ, der daneben sitzt. Und die meisten Leute haben kein Problem damit. Ab und zu wollen sie ein Autogramm, was ja nicht weiter schlimm ist.
Anders: Und die lieben Kollegen? Nimmt man sie als Sänger einer Heavy-Metal-Band überhaupt ernst?
Ich bin lang genug dabei, dass das kein Thema mehr ist. Ich bin einfach ein weiterer Pilot. Was ich sehr genieße.
Anders: Sind Piloten so etwas wie moderne Seemänner – mit allen Klischees, die dazugehören?
Dickinson: Das trifft durchaus zu. Ich meine, man fährt zur See, um zu vergessen. Und beim Fliegen denkt man auch nicht viel nach. Für die Klischees gilt: Ohne Uniform geht es nicht. Die gehört dazu. Genau wie du deinen Ausweis tragen und ein Gesundheitszeugnis vorlegen musst. Es ist wie bei einem Busfahrer.
Anders: Haben Sie ein persönliches Lieblingsflugzeug?
Dickinson: Wenn ich arbeite, fliege ich meistens eine Boeing 757. Und das ist auch eines meiner absoluten Lieblingsflugzeuge. Einfach, weil es einen der größten Motoren hat, die man sich vorstellen kann. Viel größer, als man ihn eigentlich bräuchte. Von daher startet das Teil wie ein Porsche 911 Turbo – sprich: Es hat eine unglaubliche Kraft. Und heute würde man kaum noch ein Flugzeug mit so viel Extra-Power konzipieren.
Aber die 757 hat sie – und das nutzen wir, um Orte anzusteuern, die ein gewöhnliches Flugzeug – selbst, wenn es nur halb so groß ist – nicht hinkriegen würde. Einfach weil die 757 schneller stoppen und starten kann und mit kürzeren Landebahnen in bergigen Gegenden klarkommt. Einfach, weil sie eine unglaubliche Kraft hat.
Anders: Und zwischendurch mit Iron Maiden auf Tournee zu gehen, ist demnach wie bezahlter Urlaub?
Dickinson: Ja, zumal wir nicht mehr anderthalb Jahre am Stück touren, sondern – wie jetzt – nur noch drei Monate. Wobei ich nicht glaube, dass noch jemand von uns Lust darauf hat, länger unterwegs zu sein. Ich bestimmt nicht. Ich liebe es, Alben zu machen und so live zu spielen, wie wir das aktuell handhaben – nämlich jedes Jahr für zwei oder drei Monate. Das ist toll.
Aber mehr muss nicht sein. Ich bin nicht gerne lange von Zuhause weg. Und ich habe noch viele andere Dinge in meinem Leben, die mir eine Menge Energie geben, die ich dann wieder in die Musik stecken kann. Wäre ich dagegen ständig unterwegs, würde ich wahnsinnig werden. Ich würde sofort aufhören.
Anders: Mal ehrlich: Wie denken Sie darüber, dass die Band nach all den Jahren – nach vier Dekaden – noch so erfolgreich ist?
Dickinson: Das ist eine sehr angenehme Überraschung. Wobei ich aber auch glaube, dass ich weiß, warum das so ist. Ich meine, wenn du Teil einer Band bist, ist es für gewöhnlich schwer zu verstehen, wie dich die Leute von außen sehen. Aber ich glaube, dass ich das langsam begreife. Nämlich dass sie in uns etwas Einmaliges sehen. Eine Band, die nie irgendwelche Kompromisse im Bezug auf ihre Ideale oder ihre Einstellung eingegangen ist. Was das letzte Album wieder bewiesen hat. Denn das ist nicht außer Mode, es ist jenseits davon. In einem komplett anderen Universum.
Anders: Das sie wie definieren?
Dickinson: Es ist ein Universum ohne Zeit. Und es liegt in der Iron-Maiden-Welt, die schlichtweg anders ist. Eben ein Ort, an dem wir uns als Band bewegen, an den uns eingefleischte Fans folgen und den sich andere Leute anschauen und sagen: "Ich würde gerne herausfinden, worum es hier geht." Also kommen sie zu den Konzerten. Und natürlich handelt es sich dabei um junge Kids. Es sind keine alten Säcke, wie wir, an die wir die meisten europäischen Tickets verkaufen.
Anders: Wobei sich Ihre Texte nach wie vor um Kriege und Tod drehen – um krisensichere Themen, die sich bis zum jüngsten Tag besingen lassen.
Dickinson: Stimmt. Gäbe es keine Kriege und keine Konflikte mehr, was sollten wir dann machen? Wir müssten uns mit Vögeln und Bienen befassen - oder zu Whitesnake werden und nur noch über Sex schreiben.
Anders: Obwohl Sie mittlerweile über 50 sind, haben Sie scheinbar nicht vor, in absehbarer Zeit aufzuhören. Halten es Iron Maiden mit dem Motto der alten Blues-Jungs: "Bis man uns in der Kiste nach Hause schickt"?
Dickinson: Bis sie mich in der Kiste nach Hause schicken. Ganz genau. Und deshalb versuche ich in Form zu bleiben – eben, weil ich Bier liebe. Weil ich gerne auf der Bühne rumlaufe, ein bisschen fechte und Spaß habe. Deshalb springe ich auch aufs Fahrrad und reiße zig Kilometer ab.
Wobei ich nicht denke: "Das tut so weh, dass ich morgens nicht aus dem Bett komme." Sondern: Wenn es beim Aufstehen schmerzt, ist das einfach so - damit muss man klarkommen. Athleten leben ja auch mit permanentem Schmerz. Außerdem ist es so: Bei dem, was ich auf der Bühne leiste, tut immer irgendetwas weh. Damit muss man klarkommen – weil es sich lohnt.