In den letzten Jahren wurde immer wieder über den Skandal der historischen Arktisexpedition berichtet, die im Jahr 1909 unter der Leitung von Robert E. Peary stattfand und an der unter anderem auch der Afroamerikaner Matthew Henson teilnahm. Grund für die Debatten sind Hinweise, dass es eben nicht, wie in der offiziellen Geschichtsschreibung, Robert Peary, sondern Henson war, der als erste Person überhaupt den Nordpol erreichte.
Für Isaac Julien ist das der Stoff, aus dem rassistische und nationalistische Geschichtsschreibung gemacht ist. Denn Robert Pearys Mitstreiter Henson hatte eben jene Eigenschaft, die offenkundig nicht in den Rahmen des historischen Datums paßte: Er war dunkelhäutig. Henson durfte zwar die Arktis als Begleiter des Weißen Robert Peary bereisen, aber den Nordpol vor ihm erreichen, das geht zu weit. In dieser Hinsicht ist es eine naheliegende Metapher, die Arktis als "weißen Kontinent" zu begreifen. So tut es Isaac Julien in seiner Videoprojektion mit dem Titel "True North" von 2004, die sich auf dieses Ereignis bezieht. Die Arbeit stellt das Geschehen nicht nach, sondern symbolisiert in einer theatralisch angelegten und auf drei Videowände als Triptychon projizierte Performance die "wahre" Bedeutung dieses Datums. Julien lässt die faszinierend schöne, dunkelhäutige Schauspielerin Vanessa Myrie sich in leichtem Gewand durch die eisige, weiße Wildnis bewegen. Einerseits wirkt Myrie dabei wie eine nachdenkliche Beobachterin, zum anderen jedoch verkörpert sie durch ihre zarte Erscheinung auch den Überlebenskampf schwarzer Selbstbehauptung in einer von den Weißen beherrschten Welt.
Wer den 1960 in London geborenen und im East End aufgewachsenen Isaac Julien für einen politischen Künstler hält, liegt sicher nicht falsch. Wer wiederum argwöhnt, dass es ihm um einfache politische Slogans und drastische Pädagogik geht, täuscht sich. Wenige Künstler, gerade auch der jüngeren Generation, verfügen über Juliens Fähigkeit, drastische Themen einer gewaltsamen Geschichte derart unprätentiös als ästhetisches Fest zu inszenieren. Julien Videoarbeiten sind keine agitatorischen Schnellschüsse mit vor moralischer Erregung zittrigen Bildern auf kleinen Monitoren. Sie sind von poetischen Verrätselungen strotzende Ereignisse, die den Betrachter sinnlich gefangennehmen, wie es sonst nur großes Kino erreicht.
Julien geht es nicht um cineastische Handlung im engeren Sinn: Er ist ein Meister der genreübergreifenden Experimente . Zwar hat er mit seinen Filmen auch schon an der Berlinale teilgenommen, im engeren Sinn aber lassen sich seine Videoarbeiten eher als Erweiterung der klassischen Performance verstehen. Musik, Tanz, gestisches Drama und lyrische, technisch höchst aufwendige Bildarrangements sind die Markenzeichen seiner Kunst, vor allem aber sein dokumentarischer Grundansatz, mit dem Julien immer wieder kulturhistorische Themen aufgreift, die sich mit der Rolle der Schwarzen in einer von der weißen Kultur dominierten Welt auseinandersetzen. So auch in "Fantôme Afrique", der zweiten großen Arbeit in dieser Ausstellung, die unter anderem auf die Kongo-Expedition des französischen Literaturnobelpreisträgers André Gide in den Jahren 1925-26 zurückgeht und die bereits damals in Büchern und einem Dokumentarfilm festgehalten wurde. Die Expedition führte im damaligen Westafrika zu heftiger Kritik an der französischen Kolonialpolitik. Auch hier verwendet Julien wieder verdichtete, symbolische Bilder, die einen Tänzer und wieder Vanessa Myrie in verlassenen Landstrichen, alten Dörfern und Moscheen in Burkina Faso zeigen, einem der Hauptorte afrikanischer Sklaverei. Die Bilder sind von einer musikalischen und tänzerischen Intensität, die sich der Kargheit und Einsamkeit des ausgebeuteten Landes entgegensetzen. Der makellosen Überschärfe und Farbenpracht der Bilder und Klänge, die Julien gezielt digital verstärkt, entspricht der genaue Blick auf jedes Detail. Wie in "True North" lautet die Botschaft seines Stils: Auch wenn die Geschichte nur Ausbeutung und Unterdrückung bereithielt, sie ist das Erbe, wir geben sie nicht verloren, wir lesen in ihren Spuren.
"Fantôme Afrique" und "True North" sind Bestandteile einer Trilogie, die Isaac Julien bis zum kommenden Jahr fertigstellen will. Wie es heißt, wird sich der dritte Teil dabei mit dem Elend der Bootsflüchtlinge aus Nordafrika auf dem Mittelmeer auseinandersetzen, die an den Stränden der "Festung Europa" landen. Und auch dafür wird der Londoner Bilder finden, die nicht auf die übliche, flüchtige Betroffenheit zielen.
Für Isaac Julien ist das der Stoff, aus dem rassistische und nationalistische Geschichtsschreibung gemacht ist. Denn Robert Pearys Mitstreiter Henson hatte eben jene Eigenschaft, die offenkundig nicht in den Rahmen des historischen Datums paßte: Er war dunkelhäutig. Henson durfte zwar die Arktis als Begleiter des Weißen Robert Peary bereisen, aber den Nordpol vor ihm erreichen, das geht zu weit. In dieser Hinsicht ist es eine naheliegende Metapher, die Arktis als "weißen Kontinent" zu begreifen. So tut es Isaac Julien in seiner Videoprojektion mit dem Titel "True North" von 2004, die sich auf dieses Ereignis bezieht. Die Arbeit stellt das Geschehen nicht nach, sondern symbolisiert in einer theatralisch angelegten und auf drei Videowände als Triptychon projizierte Performance die "wahre" Bedeutung dieses Datums. Julien lässt die faszinierend schöne, dunkelhäutige Schauspielerin Vanessa Myrie sich in leichtem Gewand durch die eisige, weiße Wildnis bewegen. Einerseits wirkt Myrie dabei wie eine nachdenkliche Beobachterin, zum anderen jedoch verkörpert sie durch ihre zarte Erscheinung auch den Überlebenskampf schwarzer Selbstbehauptung in einer von den Weißen beherrschten Welt.
Wer den 1960 in London geborenen und im East End aufgewachsenen Isaac Julien für einen politischen Künstler hält, liegt sicher nicht falsch. Wer wiederum argwöhnt, dass es ihm um einfache politische Slogans und drastische Pädagogik geht, täuscht sich. Wenige Künstler, gerade auch der jüngeren Generation, verfügen über Juliens Fähigkeit, drastische Themen einer gewaltsamen Geschichte derart unprätentiös als ästhetisches Fest zu inszenieren. Julien Videoarbeiten sind keine agitatorischen Schnellschüsse mit vor moralischer Erregung zittrigen Bildern auf kleinen Monitoren. Sie sind von poetischen Verrätselungen strotzende Ereignisse, die den Betrachter sinnlich gefangennehmen, wie es sonst nur großes Kino erreicht.
Julien geht es nicht um cineastische Handlung im engeren Sinn: Er ist ein Meister der genreübergreifenden Experimente . Zwar hat er mit seinen Filmen auch schon an der Berlinale teilgenommen, im engeren Sinn aber lassen sich seine Videoarbeiten eher als Erweiterung der klassischen Performance verstehen. Musik, Tanz, gestisches Drama und lyrische, technisch höchst aufwendige Bildarrangements sind die Markenzeichen seiner Kunst, vor allem aber sein dokumentarischer Grundansatz, mit dem Julien immer wieder kulturhistorische Themen aufgreift, die sich mit der Rolle der Schwarzen in einer von der weißen Kultur dominierten Welt auseinandersetzen. So auch in "Fantôme Afrique", der zweiten großen Arbeit in dieser Ausstellung, die unter anderem auf die Kongo-Expedition des französischen Literaturnobelpreisträgers André Gide in den Jahren 1925-26 zurückgeht und die bereits damals in Büchern und einem Dokumentarfilm festgehalten wurde. Die Expedition führte im damaligen Westafrika zu heftiger Kritik an der französischen Kolonialpolitik. Auch hier verwendet Julien wieder verdichtete, symbolische Bilder, die einen Tänzer und wieder Vanessa Myrie in verlassenen Landstrichen, alten Dörfern und Moscheen in Burkina Faso zeigen, einem der Hauptorte afrikanischer Sklaverei. Die Bilder sind von einer musikalischen und tänzerischen Intensität, die sich der Kargheit und Einsamkeit des ausgebeuteten Landes entgegensetzen. Der makellosen Überschärfe und Farbenpracht der Bilder und Klänge, die Julien gezielt digital verstärkt, entspricht der genaue Blick auf jedes Detail. Wie in "True North" lautet die Botschaft seines Stils: Auch wenn die Geschichte nur Ausbeutung und Unterdrückung bereithielt, sie ist das Erbe, wir geben sie nicht verloren, wir lesen in ihren Spuren.
"Fantôme Afrique" und "True North" sind Bestandteile einer Trilogie, die Isaac Julien bis zum kommenden Jahr fertigstellen will. Wie es heißt, wird sich der dritte Teil dabei mit dem Elend der Bootsflüchtlinge aus Nordafrika auf dem Mittelmeer auseinandersetzen, die an den Stränden der "Festung Europa" landen. Und auch dafür wird der Londoner Bilder finden, die nicht auf die übliche, flüchtige Betroffenheit zielen.