Karin Fischer: Der weltweit höchstdotierte Preis für Kinder- und Jugendliteratur wird einmal im Jahr im schwedischen Vimmerby bekannt gegeben, wozu man sich mit der Messe in Bologna kurzschließt. Vimmerby? Genau – in der Nähe der Stadt kam Astrid Lindgren zur Welt, heute ist dort auch ihr Grab zu finden. Nach dem Tod der weltberühmten Kinderbuchautorin wurde der Astrid-Lindgren-Memorial-Award ALMA 2002 ins Leben gerufen. Unter den 184 Nominierten aus über 60 Ländern waren in diesem Jahr auch die deutschen Kinderbuchautoren Paul Maar, Nikolaus Heidelbach und Jutta Richter.
Ausgezeichnet und belohnt für sein Werk mit fünf Millionen Kronen (das sind rund 560.000 Euro) wurde nun der niederländische Kinderbuchautor Guus Kuijer. Meine Kollegin Ute Wegmann war gerade auf der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna unterwegs, die Frage an sie lautete: Wer ist Guus Kuijer und was macht seine Bücher preiswürdig?
Ute Wegmann: Guus Kuijer ist ein hervorragender Kinderbuchautor, der die Probleme der heutigen Gesellschaft in unglaublich guter Art und Weise mit großen Lebensfragen kombinieren kann. Er hat einen sehr klaren, sehr präzisen, wenn man einfach sagt – im Deutschen klingt es immer ein bisschen merkwürdig -, aber einen einfachen Stil, er ist immer in der Kinderperspektive, er schafft es, sehr starke, mutige Kinder zu kreieren, und seine Bücher beschäftigen sich immer mit sozialen Belangen, kann man sagen. Es geht immer um Themen wie Toleranz, Verständnis.
Und was er auch macht: Er hat einen kritischen Blick auf die Erwachsenenwelt durch seine Figuren.
Eine seiner bekanntesten Figuren ist sicherlich Polleke, das Mädchen Polleke. Da gibt es mehrere Bände: "Wir alle für immer zusammen", "Es gefällt mir auf der Welt", "Das Glück kommt wie ein Donnerschlag", nur um drei Titel zu nennen. Und diese Polleke-Reihe ist eine sicherlich weltweit bekannte Reihe geworden, wo er ein sehr starkes, sehr tolles Mädchen zeigt, die einen Freund hat mit einem, wir würden jetzt sagen, Migrationshintergrund, und wie er diese beiden Figuren miteinander agieren lässt, das ist schon wirklich einzigartig und wunderbar. Es ist seine Warmherzigkeit, ein wenig seine Respektlosigkeit gegenüber der Erwachsenenwelt und vor allen Dingen sein sehr leiser, zurückgenommener, aber immer präsenter Humor, die ihn einzigartig machen, und von daher kann ich die Entscheidung der Jury sehr, sehr gut nachvollziehen, weil dieser Ton in seinen Büchern sicherlich auch den Tönen, die man ganz oft in schwedischen Kinderbüchern findet, sehr, sehr nahekommt.
Fischer: In "Das Buch von allen Dingen" erzählt er etwa von häuslicher Gewalt und auch von kindlichem Mut. "Wir alle für immer zusammen", das hatten Sie schon erwähnt, da geht es um Großstadtkinder in Amsterdam und ihre SUPs, ihre Sehr Unnormalen Papas. Es heißt, er habe der Welt vor allem starke Kinder geschenkt, die man einfach lieben muss.
Wegmann: Ja, genau so ist es. Gerade diese Polleke-Figur ist ein unglaublich tolles Mädchen, die eben von ihrem sehr unnormalen Papa spricht und sie möchte gar keinen normalen Papa haben. Und "Das Buch von allen Dingen", das ja auch bei uns den Gustav Heinemann Friedenspreis gewonnen hat, ist auch ein einzigartiges Buch, geschrieben als Tagebuch eines Neunjährigen, der mit Jesus in Dialog tritt und Jesus wird ihm quasi zu einer ganz starken Hilfe, der sagt, ja, ich hatte auch einen schwierigen Vater und mich haben sie sogar ans Kreuz genagelt. Und solche Sätze kann Guus Kuijer formulieren auf seine sehr, sehr besondere Art und Weise.
Mir hat so wahnsinnig gut gefallen: Als er den Deutschen Jugendliteratur-Preis gewonnen hat, da hat er zum Beispiel gesagt, ich habe den Preis gar nicht gewonnen, sondern Polleke hat den Preis gewonnen. Das zeigt, wie eng er wirklich auch mit seinen Figuren verbunden ist und wie er mit seinen Figuren lebt.
Fischer: Guus Kuijer wird in diesem August 70 Jahre alt. Sie haben gesagt, dass er schon vor 10 und vor 30 Jahren mit hochrangigen deutschen Preisen gewürdigt wurde. Er lebt auf einem Bauernhof, lese ich – ist das Idyll einer solchen Umgebung mit einer Voraussetzung, um solche guten und vor allem ja solche realistischen Kinderbücher zu schreiben, oder hat die Jury hier das Lebenswerk eines großen alten Mannes der Kinderliteratur gewürdigt?
Wegmann: Nein, die Jury hat mit Sicherheit das Lebenswerk gewürdigt, und es war jetzt auch noch mal gerade bei der Preisverleihung, die ja auch immer sehr aufregend ist – man sitzt da, es gibt eine Schaltung nach Vimmerby, dort tritt dann die Jury zusammen und der Vorsitzende der Jury verkündet das dann, vorher gibt es kleine Reden, und in diesen Reden kam auch wirklich noch mal zum tragen, wie wichtig es der Jury ist, dass derjenige, der gewürdigt wird, die Würde der Kinder anerkennt und ein Stück weit auch Glück mit seinen Büchern in die Welt der Kinder bringt. Und das war jetzt auch noch mal in den Reden vorher sehr, sehr deutlich Thema, inwiefern er wirklich die Kinderrechte, die Würde der Kinder als ganz großes Gebot für seine Arbeit sieht.
Fischer: Ute Wegmann war das. Sie porträtierte Guus Kuijer, der heute zum Preisträger des Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preises 2012 gekürt wurde.
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Religionen - Religiöse Kinderbücher
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Ausgezeichnet und belohnt für sein Werk mit fünf Millionen Kronen (das sind rund 560.000 Euro) wurde nun der niederländische Kinderbuchautor Guus Kuijer. Meine Kollegin Ute Wegmann war gerade auf der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna unterwegs, die Frage an sie lautete: Wer ist Guus Kuijer und was macht seine Bücher preiswürdig?
Ute Wegmann: Guus Kuijer ist ein hervorragender Kinderbuchautor, der die Probleme der heutigen Gesellschaft in unglaublich guter Art und Weise mit großen Lebensfragen kombinieren kann. Er hat einen sehr klaren, sehr präzisen, wenn man einfach sagt – im Deutschen klingt es immer ein bisschen merkwürdig -, aber einen einfachen Stil, er ist immer in der Kinderperspektive, er schafft es, sehr starke, mutige Kinder zu kreieren, und seine Bücher beschäftigen sich immer mit sozialen Belangen, kann man sagen. Es geht immer um Themen wie Toleranz, Verständnis.
Und was er auch macht: Er hat einen kritischen Blick auf die Erwachsenenwelt durch seine Figuren.
Eine seiner bekanntesten Figuren ist sicherlich Polleke, das Mädchen Polleke. Da gibt es mehrere Bände: "Wir alle für immer zusammen", "Es gefällt mir auf der Welt", "Das Glück kommt wie ein Donnerschlag", nur um drei Titel zu nennen. Und diese Polleke-Reihe ist eine sicherlich weltweit bekannte Reihe geworden, wo er ein sehr starkes, sehr tolles Mädchen zeigt, die einen Freund hat mit einem, wir würden jetzt sagen, Migrationshintergrund, und wie er diese beiden Figuren miteinander agieren lässt, das ist schon wirklich einzigartig und wunderbar. Es ist seine Warmherzigkeit, ein wenig seine Respektlosigkeit gegenüber der Erwachsenenwelt und vor allen Dingen sein sehr leiser, zurückgenommener, aber immer präsenter Humor, die ihn einzigartig machen, und von daher kann ich die Entscheidung der Jury sehr, sehr gut nachvollziehen, weil dieser Ton in seinen Büchern sicherlich auch den Tönen, die man ganz oft in schwedischen Kinderbüchern findet, sehr, sehr nahekommt.
Fischer: In "Das Buch von allen Dingen" erzählt er etwa von häuslicher Gewalt und auch von kindlichem Mut. "Wir alle für immer zusammen", das hatten Sie schon erwähnt, da geht es um Großstadtkinder in Amsterdam und ihre SUPs, ihre Sehr Unnormalen Papas. Es heißt, er habe der Welt vor allem starke Kinder geschenkt, die man einfach lieben muss.
Wegmann: Ja, genau so ist es. Gerade diese Polleke-Figur ist ein unglaublich tolles Mädchen, die eben von ihrem sehr unnormalen Papa spricht und sie möchte gar keinen normalen Papa haben. Und "Das Buch von allen Dingen", das ja auch bei uns den Gustav Heinemann Friedenspreis gewonnen hat, ist auch ein einzigartiges Buch, geschrieben als Tagebuch eines Neunjährigen, der mit Jesus in Dialog tritt und Jesus wird ihm quasi zu einer ganz starken Hilfe, der sagt, ja, ich hatte auch einen schwierigen Vater und mich haben sie sogar ans Kreuz genagelt. Und solche Sätze kann Guus Kuijer formulieren auf seine sehr, sehr besondere Art und Weise.
Mir hat so wahnsinnig gut gefallen: Als er den Deutschen Jugendliteratur-Preis gewonnen hat, da hat er zum Beispiel gesagt, ich habe den Preis gar nicht gewonnen, sondern Polleke hat den Preis gewonnen. Das zeigt, wie eng er wirklich auch mit seinen Figuren verbunden ist und wie er mit seinen Figuren lebt.
Fischer: Guus Kuijer wird in diesem August 70 Jahre alt. Sie haben gesagt, dass er schon vor 10 und vor 30 Jahren mit hochrangigen deutschen Preisen gewürdigt wurde. Er lebt auf einem Bauernhof, lese ich – ist das Idyll einer solchen Umgebung mit einer Voraussetzung, um solche guten und vor allem ja solche realistischen Kinderbücher zu schreiben, oder hat die Jury hier das Lebenswerk eines großen alten Mannes der Kinderliteratur gewürdigt?
Wegmann: Nein, die Jury hat mit Sicherheit das Lebenswerk gewürdigt, und es war jetzt auch noch mal gerade bei der Preisverleihung, die ja auch immer sehr aufregend ist – man sitzt da, es gibt eine Schaltung nach Vimmerby, dort tritt dann die Jury zusammen und der Vorsitzende der Jury verkündet das dann, vorher gibt es kleine Reden, und in diesen Reden kam auch wirklich noch mal zum tragen, wie wichtig es der Jury ist, dass derjenige, der gewürdigt wird, die Würde der Kinder anerkennt und ein Stück weit auch Glück mit seinen Büchern in die Welt der Kinder bringt. Und das war jetzt auch noch mal in den Reden vorher sehr, sehr deutlich Thema, inwiefern er wirklich die Kinderrechte, die Würde der Kinder als ganz großes Gebot für seine Arbeit sieht.
Fischer: Ute Wegmann war das. Sie porträtierte Guus Kuijer, der heute zum Preisträger des Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preises 2012 gekürt wurde.
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