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Meister menschlicher Verwicklungen

Vielen gilt das Werk Eric Rohmer als eher unfilmisch. Seine Filme leben vom fast improvisiert wirkenden Dialog. Es sind Erzählungen, eher inspiriert vom Theater und von der Literatur.

Von Josef Schnelle |
    Deswegen hat er seine Filme auch in Zyklen aufgeteilt: die "Moralischen Erzählungen" begann er in den 60er-Jahren "Komödien und Sprichwörtern" widmete er sich in den 80ern. Sein letzter Zyklus war betitelt "Erzählungen der vier Jahreszeiten". "Ich zeige Menschen, wie sie sich bewegen und sprechen." So skizzierte Eric Rohmer einmal seine Art, Filme zu machen.

    Sein großes Thema ist die Liebe. Die ist für ihn eine Kunstform mit unendlicher Variationsbreite, ein intellektuelles Spiel, das die Menschen rastlos beschäftigt. Immerzu sind sie auf der Suche: ein schönes Mädchen am Strand zieht die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes auf sich und schon geht es los: das Flirten, das Werben, die Gespräche über alles und Jedes, die doch nur ein Ziel haben, aber nie ans Ziel gelangen. Der folgende Ausschnitt aus "Conte d´été", aus der Sommererzählung, die Eric Rohmer 1996 drehte, trägt die wichtigsten Elemente seiner Filme in sich: die Liebe und den Strand als Bühne für das Spiel der Blicke und der Gesten.

    Eric Rohmer, eigentlich Jean Marie Maurice Schérer war eigentlich Lehrer und wollte Schriftsteller werden. Doch dann zog ihn die Filmkunst in ihren Banne. Zunächst als Filmkritiker und Theoretiker. Mit einem umfangreichen theoretischen Essay machte er 1955 in der Kampfpostille der heraufziehenden Kinobewegung der "Nouvelle Vague" auf sich aufmerksam und benutzte erstmals auch das Pseudonym "Eric Rohmer".

    Ab 1959 war er Chefredakteur der Cahiers du Cinéma, der filmhistorisch wohl bedeutsamsten Zeitschrift der Welt mit ihren Autoren François Truffaut, Claude Chabrol und Jean-Luc Godard. Sie tüftelten zusammen eine neue Art von Film aus, der sich gegen Hollywood behaupten sollte: den Autorenfilm, der von Beginn der 60er-Jahre an das Kino prägen sollte.

    Auch Eric Rohmer drängte es in den Regiestuhl. Mit den Moralischen Erzählungen "Meine Nacht bei Maud", "Die Sammlerin", "Claires Knie" und "Liebe am Nachmittag" fand er seinen filmischen Erzählton. Die Titel der Filme verraten auch: Bei Eric Rohmer stehen stets die Frauen im Mittelpunkt. Die Männer sind eher grob skizzierte Stichwortgeber, in der Regel machen sie sich schnell zu Narren. Den Frauenporträts hingegen gilt Rohmers ganze Liebe und Sorgfalt. Ihre oft nervöses und neurotisches Leiden an der Liebe und ihre Kreativität in der rastlosen Glückssuche hat sich der französische Meisterregisseur ganz verschrieben.

    Immer wieder fand Rohmer auch neue Bilder für die Poesie des Verliebens. Zum Beispiel in seinem wohl schönsten Film "Das grüne Leuchten" 1986. Wenn die Sonne untergeht am Strand von Biarritz, ganz kurz vor ihrem Versinken im Meer blinzelt es angeblich grün auf und wenn man dann mit einem Partner zusammen ist, dann ist der wahrscheinlich der Mann fürs Leben. Doch der Augenblick ist so flüchtig, das man ihn leicht verpassen kann. Ein kurzer Blick beiseite und ist die große Liebe futsch.

    Einige Male hat Rohmer auch Filme gedreht, die in keinen seiner Zyklen einzuordnen sind. Die Kleistverfilmung "Die Marquise von O" 1976 zum Beispiel und einen außergewöhnlichen Flirt mit der Geschichte "Perceval le Gallois" nach einem Gedicht des mittelalterlichen Schriftstellers Chrétien de Troyes. Ein edler Ritter betritt hoch zu Rosse eine menschenleere Kulissenstadt.

    In diesem extrem stilisierten Film lässt der einstige Altphilologe Eric Rohmer seine Schauspieler mittelalterliches Französisch sprechen und zaubert mit schlichten filmischen Mitteln eine ferne märchenhafte Zeit herbei.

    Das hat er auch mit seinem letzten Film "L´amour d'Astrée et de Céladon", der 2007 uraufgeführt wurde, noch einmal versucht, in dem er ein Schäferspiel adaptierte. Danach ließ er verkünden, er werde nun keinen Film mehr drehen. Das Kino verliert mit Eric Rohmer einen großen Erzähler mit einer einzigartigen Handschrift.