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Mekka des Modernismo

Soller liegt in den Tramuntana-Bergen an der Westküste Mallorcas. Das Orangen-Städtchen entpuppt sich als ein wahres Mekka des Modernismo - der spanischen Variante des Jugendstils.

Von Katrin Kühne |
    "Das Oratorium von die Hl. Catharina existiert schon seit dem 13. Jahrhundert. Früher vom Hafen kam immer Gefahr: Wir hatten hier Piraten, Räuber, auch wenn es Export hier gegeben hat hier im Hafen, dann kamen auch viele Krankheiten, also keiner wollte im Hafen wohnen."

    Heute ist es genau umgekehrt, meint Kulturwissenschaftlerin Aina Mora, die in Deutschland studiert hat. Bereits die Araber führen die auch heute für ihre Süße geliebten Orangen von Soller in das Tal an der Westseite Mallorcas ein, das von hohen Bergen der Serra Tramuntana umschlossen ist. Die Zitrusfrüchte entwickeln sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Exportschlager der Stadt. Im 19.Jahrhundert vernichtet eine Orangenkrankheit Plantagen und Wohlstand. Rund ein Drittel der Bevölkerung wandert aus, entweder nach Frankreich oder in ehemalige spanische Kolonien wie Puerto Rico. Viele von ihnen kehren zur Jahrhundertwende in ihre Heimat zurück. Und sie bringen die neuen Ideen des französischen "Art Nouveau" und des katalanischen "Modernisme" mit. Beides Spielarten des Jugendstils.

    Der "Tren", die historische Straßenbahn von 1929, fährt uns durch Orangenplantagen vom Puerto hinauf in die fünf Kilometer entfernte Stadt. Glasbauten waren in Soller um 1900 groß in Mode, zeigt mir Aina am Hauptplatz: verglaste Balkone mit spitzenartigen Holz-Dekors oder das Glasvordach des kleinen Hotels "La Vila" mit fein gearbeiteten Stützen aus Schmiedeeisen. Der junge Toni Olivér ist stolzer Besitzer dieses Jugendstilgebäudes:

    "Das war ein Wohnhaus, das wurde gebaut vor 100 Jahren und das war ein Haus für eine Familie. Den Namen wissen wir leider nicht von der ersten Familie. Aber das waren Leute aus Soller, die damals nach Frankreich gegangen sind. Und da haben sie viel Geld verdient mit Orangen, vor allem mit Orangen und Zitronen und deswegen sind sie dann nach Jahren zurückgekommen mit sehr viel Geld und sie haben diese schönen Häuser hier gemacht, ja?"

    Alle haben sie ihm auf die Schulter geklopft, wie schön er das heruntergekommene Haus restauriert habe, auch der Bürgermeister. Aber finanzielle Unterstützung gab es nicht, erzählt lachend der engagierte Hotelbesitzer, während er uns stolz durch sein Kleinod führt. Das Restaurant ist in den ehemaligen Wohnsalons der Familie eingerichtet. Eine Dekorationsmischung aus Neo-Rokokoelementen, in deren Rocailles sich Zitronen sonnen; Majolicas mit Paradiesvögeln; ionische Halbsäulen; erdfarbene Azulejo-Kacheln, die Boden und Wände bedecken, all das lässt den Besucher aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

    Nicht kleckern, sondern klotzen, hieß es damals unter den reich gewordenen Rückkehrern, so Aina. Man wollte zeigen, was man sich leisten kann. Nach einem Blick von der - natürlich - mit Jugendstilelementen verzierten Veranda in den romantischen Garten treten wir wieder hinaus auf den Hauptplatz.

    Hier prunken, ja fast protzen die Pfarrkirche San Bartolomé und die Bank von Soller mit ihren gotisierenden Modernisme-Fassaden von Joan Rubió i Bellver. Die beiden im Kern mittelalterlichen Gebäude - ursprünglich Finca und Wehrkirche - verkleidete der Gaudí-Schüler mit wuchtigen Blöcken aus grauem Soller-Kalkstein. Dadurch bilden sie eine architektonische Einheit.

    Von soviel baulicher Gewichtigkeit erholen wir uns, indem wir durch die Carrer de Sa Lluna schlendern, die Mondstraße. Absolutes Highlight der "Carrer" ist ein unter Denkmalschutz stehendes Stadthaus aus dem Jahre 1911. Hier ist die mit floralen Motiven verzierte hellgraue Fassade aus ganz zarten Sollerstein-Quadern. Sie ist, wie die eiserne Balkonbrüstung des Piano Nobile, inspiriert von der Leichtigkeit und Delikatesse des französischen Art Nouveau.

    "Das Haus heißt Can Prunera. Dieses Can ist eine Abkürzung von Haus von, hm? Und Prunera ist der Hausname von diesen Leuten. Hier gibt es diese immer doppelt. Aber die Familie heißt Magrener und Magrener ist Granatapfelbaum."

    Auch Joan Magrener war Ende des 19.Jahrhunderts nach Frankreich ausgewandert und hatte dort ein Vermögen als Obstgroßhändler gemacht. Zurückgekehrt lässt er sich die Villa Prunera errichten. Das Haus zeigt die jugendstiltypische Idee des Gesamtkunstwerks, wie es auch dem berühmten Henry van de Velde vorschwebte.

    Alles scheint hier Licht und Luft zu sein. Eine spiralförmige Treppe mit filigranem Eisengeländer führt hinauf in die oberen Stockwerke. Sie bündelt das durch ein Glasdach fallende Licht zu einem Kegel. Gläserne Türen trennen die Salons im Erdgeschoss voneinander. Ihre Scheiben dekorieren vegetabile Gravuren, pastellfarbene Glasperlchen und geschnitzte Holz-Schmetterlinge oder -Libellen. Ebenso erhalten sind die Möbel der Familie, die à la van de Velde teils in die Wandverkleidung integriert sind.

    "Diese ganzen Kacheln sind auch von dieser Zeit, Jugendstil und bauen immer so eine Art Teppich und ist unterschiedlich immer von Raum zu Raum."

    Die Azulejos finden sich bis unter das Dach, wo die Kunstsammlung "Serra" mit Werken von Egon Schiele, Miró, Magritte und Picasso den Besucher hinauflockt. 2009 ist das "Can Prunera" von König Juan Carlos nach fünfjähriger Restaurierung als Museum eröffnet worden. Es ist neben dem ehemaligen "Gran Hotel" in Palma das wohl bedeutendste Jugendstilgebäude von Mallorca.

    Info:

    www.illesbalears.es

    www.visitsoller.com

    www.spain.info


    Museu Can Prunera, Carrer de Sa Lluna 88 i 90, Mo.geschlossen
    Email: canprunera@gmail.com

    www.lavilahotel.com

    Bücher:

    Michael Müller Verlag: Mallorca

    Peter Meyer Verlag: Mallorca