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Mekka für Feinschmecker

Angefangen hat alles bei McDonalds. Als die Fastfoodkette aus den USA 1989 direkt an der Spanischen Treppe in Rom eröffnete, gingen Carlo Petrini, ein Politaktivist aus der Wein- und Trüffel-Region Piemont, und einige Gleichgesinnte zum Angriff über. Sie gründeten die Bewegung "Slow Food", gegen den Trend des schnellen Essens. Weg von industriell hergestellter Standardkost, hin zu gesunder lokaler Küche – so ihr Schlachtruf.

Von Kirstin Hausen |
    Wir glauben, dass die Vielfalt respektiert, hervorgehoben und gepflegt werden muss. Wir halten es nicht für erstrebenswert, an jedem beliebigen Ort jedes beliebige Gericht kochen zu können.

    Alberto Capatti, Professor und didaktischer Leiter der neu gegründeten Universität, legt Wert auf die Verbindung zwischen Nahrungsmittel und Anbaugebiet.

    Das Konzept, das hinter der Universität steht, geht von einer Gastronomie aus, die auf dem Acker entsteht, dort, wo die Tiere brüllen und die Bauern die Felder bewirtschaften. Es ist unmöglich, die Gastronomie von der Umwelt, in der die Lebensmittel gedeihen, zu trennen. Oder die Qualität der Produkte von der Qualität der Erde, in der sie wachsen.

    Slow Food propagiert den langsamen Genuss und Essen als Kultur. Die Feinschmeckerbewegung hat heute 80.000 Mitglieder, einen eigenen Verlag, eine Lobby für kulinarische Vielfalt in Brüssel und nun also auch eine "Universität für gastronomische Wissenschaften".

    Stolz zeigt Roberto Burdese, Vizepräsident von Slow Food, auf die Reste römischer Kultur aus dem Jahre 100 nach Christus, die im Kellergewölbe der neu gegründeten Universität frei gelegt wurden.

    Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie "Geschichte des Kochens", "Weingeografie" und "Mikrobiologie des Käses". Sitz ist ein neugotischer ehemaliger Hofbetrieb der Savoyer mit Seminarräumen und Lehrküchen, Bibliothek, Sauna und einem riesigen Weinkeller in Pollenzo, 50 Kilometer südlich von Turin. Heute passiert in Pollenzo nicht sehr viel. Deshalb ist die Universität des guten Geschmacks eine willkommene Neuigkeit. Mehr Abwechslung, verspricht sich Barbara Papuzzi.

    Diese Sache ist neu und einzigartig auf der Welt, das ist sehr interessant. Die Studenten werden im benachbarten Bra wohnen, in einer Kleinstadt, die wird sich unter ihrem Einfluss verändern, nicht?

    Wenn im Oktober 2004 Studenten und Dozenten nach Pollenzo kommen, wird das beschauliche Leben in der milden Hügelzone der Langhe, einen belebenden Schuss Multi-Kulti bekommen. 15 Studierende aus Italien, 15 aus dem Rest Europas, 15 aus den USA und 15 aus dem Rest der Welt – das ist die Wunschbesetzung für das erste Studienjahr. Mehr als 400 Bewerbungen sind in Pollenzo eingegangen, derzeit laufen die Auswahltests. Vittorio Manganelli, Rektor der Genusshochschule will ehrgeizige Leute, die ihr Studium ernst nehmen. Ein Zuckerschlecken wird das Studium nicht.

    Alles gemäß den Regeln. Mit Prüfungen und einem credit-point-System. Das Ministerium hat unser Projekt bereits genehmigt, das wird hier eine staatlich anerkannte Universität.

    Staatlich anerkannt, aber privat finanziert – die neu gegründete Geschmackshochschule verlangt Studiengebühren von 19.000 Euro im Jahr. Enthalten sind darin Kost und Logis, das Lehrmaterial, und die Kosten für Reisen in Weinanbaugebiete und kulinarisch interessante Regionen auf der ganzen Welt. Raus aus dem Hörsaal, rein in den Weinkeller –das ist Vittorio Manganelli wichtig: seine Universität soll kein kulinarischer Elfenbeinturm werden, sondern ein Sprungbrett in die Arbeitswelt. Gute Chancen für seine Absolventen sieht er in ökologischen Organisationen, in Spitzenrestaurants, und im Fachjournalismus. Esskultur liegt im Trend, die Zeit ist reif für einen "Doktor Gastro".