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350 Jahre Klett-Cotta

Mit vornehmer Zurückhaltung begeht der Klett-Cotta-Verlag das 350-jährige Verlagsjubiläum des Cotta-Verlages. Ohne großen Pomp erschien im Frühjahr eine umfängliche Biografie Johann Friedrich Cottas, des sogenannten großen Cotta, aus der Feder Peter Kaeding. Jetzt wurde noch ein kleiner Band nachgelegt: eine Auswahl aus den Briefen an die Verleger, Briefen nicht nur von Goethe und Schiller, sondern auch von Wieland, Fichte oder Javier Marías.

Von Tobias Lehmkuhl | 17.12.2009
    "Wie sehr hätte ich seit dem siebzehnten vorigen Monats gewünscht daß der edle Schiller noch leben möchte; er war bei unsern Angelegenheiten ein so lieber als glücklicher Mittelsmann. Was mich betrifft, so fühl ich immer aufs neue wie peinlich es ist, mit Personen, mit denen man nur in sittlichem Verhältnis zu stehen wünscht, über ökonomische Gegenstände zu handeln. Daher ließ uns auch wohl beide unsere letztere Zusammenkunft unbefriedigt, und ich fühle mich gedrungen nunmehr nachzuholen, was ich damals zu eröffnen versäumte."

    Bei aller Verehrung, die Goethe immer wieder für den Dichter und Philosophen an den Tag legte, er schätzte Friedrich Schiller auch aus anderen Gründen. Das wird nicht zuletzt in dem Brief deutlich, den er am 10. Mai 1812 aus Karlsbad an seinen und des seligen Schiller Verleger Johann Friedrich Cotta richtete: Durch den frühen Tod Schillers war Goethe nicht nur des Freundes und geistigen Mitstreiters, er war auch eines Mittelsmannes, ja seines Agenten verlustig gegangen.

    Dass Schiller Goethe von praktischem Nutzen war, wenn es darum ging, möglichst viel Geld beim Verleger lockerzumachen, heißt übrigens nicht, dass Goethe ein unpraktischer Mensch gewesen wäre, im Gegenteil: Sein Geschick, Arbeit zu delegieren und andere für sich einzuspannen, hat einen nicht geringen Anteil an seinem Ruhm und Nachruhm. Dabei zeigte er sich nie arrogant, sondern immer gefühlvoll und auf Augenhöhe. Fest im Blick dabei hat Goethe dennoch vor allem das Wohl seines Werkes. Besonders Druckfehler sind ihm ein Graus. Wiederholt kommt er in seinen Geschäftsbriefen an Cotta auf sie zu sprechen.

    "Mit der heutigen fahrenden Post ist Wilhelm Meister abgegangen. Sie können nunmehr, wertester Herr Cotta, den Druck und das ganze Arrangement überlegen, ja Sie schicken mir vielleicht eine Probe des Drucks und Papieres. Ich wünsche, daß das ganze heiter aussehen möge. Doch ist mir daran nicht so viel gelegen, als an der Korrektheit des Druckes, als worum ich inständigst bitte."

    Später, das bleibt zu bemerken, überließ Goethe die Fragen der Honorars und der Buchgestaltung seinem Adlatus Eckermann. Wobei er gewiss sein konnte, dass Cotta alles daran setzen würde, ihm, wie es heißt, jene "schmerzlichen Empfindungen zu ersparen", die den Olympier ereilten, sah er seine Werke durch Druck- und Satzfehler verschandelt.

    Naturgemäß geht es in den Briefen an Verleger in der Hauptsache um verlegerische Fragen - so auch in der von Stephan Askani und Frank Wegner besorgten Auswahl von Briefen an die Verleger des Hauses Cotta. Nebenbei aber wird auch das gute, freundschaftliche, für eine gedeihliche Zusammenarbeit notwendige Verhältnis zwischen Verleger und Autor betont, der unabdingbare Gefühlskitt, der die beiden zusammenhält.

    Manchmal allerdings lassen sich die Autoren auch zu buchfernen Äußerungen hinreißen. Johann Georg Sulzer etwa schickt dem Verleger eine misogyne Suada, wie man sie von einem Nicht-Taliban selten gehört hat. Doch auch Johann Gottlieb Fichte ist die Frauenfrage, oder wie er es nennt das "gewisse Aufstreben der Weiber" eine ernste Angelegenheit, der er, wie er Cotta am 27. April 1795 ankündigt, ein höchst interessantes Buch widmen wolle.
    Dazu ist es, in der Form, leider nicht gekommen. Stattdessen schrieb Fichte eine "Appellation an das Publikum", in der er sich gegen den Vorwurf des Atheismus zur Wehr setzte. Wohlgemut wendet er sich zuvor an den Verleger:

    "Wie viele Exemplare sind zu drucken? Sind, bei diesem Plane, 10.000 zu viel? Auch müsste es gleich, etwa in einen farbigen Umschlag geheftet, verschickt werden."

    Staunend schaut man heute auf die Auflagenvorstellungen des Philosophen, wie einen überhaupt allerlei kleine Fundstücke und Kuriosa das Bändchen immer wieder gern zur Hand nehmen lassen. Wobei: Allzu schnell ist es durchgelesen; gerne hätte man mehr davon, auch Briefe aus der Feder der Verleger.

    Dabei sind es nicht zuletzt auch die Briefe von Zeitgenossen wie Javier Marías oder Ingomar von Kieseritzky, die zu lesen lohnt. Freundliche Billetts zuweilen, aber auch mahnende Briefe, wie der von Karl Heinz Bohrer an Michael Klett etwa, zu dessen Verlag Cotta seit 1977 gehört. Die Zeitschrift "Merkur" mahnt ihr Herausgeber Bohrer den Verleger, dürfe er nicht als "Produkt", er müsse sie als Projekt begreifen.

    Den Band beschließt ein überraschend erschütterndes Dokument: ein Brief Jean Amerys, den er zwei Tage vor seinem Freitod an seinen Lektor bei Klett-Cotta richtete. Er zeigt, was sich in den vorhergehenden Briefen immer wieder angedeutet hat: wie tief nämlich die Verbindung zwischen Autor und Verlag tatsächlich gehen kann:

    "Lieber Herr Arbogast - Nur ein kleines Wort aus der Nacht: Verzeihen Sie mir die Ungelegenheit, die ich Ihnen wahrscheinlich bereite. Auch Michael Klett mag mir verzeihen; I was a bad investement. Aber er ist ja lieb und klug. Und noch besser als er wird sein Vater begreifen, dass man Lust haben kann, den Hobel hinzulegen. Grüssen Sie alle im Hause, die mir wohlgesonnen waren, und insonders natürlich (übers Haus hinaus) Freund Heissenbüttel. Haben vor allem Sie, cher ami, Danke für so vieles. Wie traurig, dass es nun endigt. Ich scheide wehen Herzens, weiss aber, dass ich es nicht anders kann. Ich hielt mich aufrecht, so lange die Kräfte reichten. Jetzt schwinden sie, so muss ich gehen."


    Peter Kaeding: Die Hand über der ganzen Welt. Johann Friedrich Cotta. Der Verleger der deutschen Klassik.
    Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009. 496 Seiten, 29,90 Euro.
    Stephan Askani, Frank Wegner (Hg.): Cotta. Das gelobte Land der Dichter. Briefe an die Verleger.
    Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009. 168 Seiten, 17,90 Euro.