Donnerstag, 28. März 2024

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Wenn der Nerv kaputt ist

Bis zum Wochenende diskutierten über 2000 Experten auf dem Deutschen Schmerzkongress in Münster über Diagnostik und Therapie akuter und chronischer Schmerzen, über aktuelle Forschungsergebnisse und Fortschritte in der Qualitätssicherung.

Von Christiane Raasch | 14.10.2003
    Auch Preise wurden verliehen für herausragende Leistungen in der Grundlagen- und klinischen Forschung. Der erste Preis ging an zwei Wissenschaftler der Uni Mainz. Dr. Baumgärtner und Dr. Klein entdeckten eine Methode, neuropathische Schmerzen mit mechanischen Reizen kategorisieren zu können.

    Neuropathische Schmerzen, sind eine Sonderform von Schmerzen bei der das Nervensystem selbst betroffen ist von der Erkrankung, wo also die Nerven krank oder kaputt sind. Also dazu gehören z. B. Polyneuropathien, also z. B. bei Diabeteserkrankungen, wenn Nervenendigungen durch Zucker langsam zugrunde gehen, gibt es auch bei Alkoholismus, dass da die Nervenfasern angegriffen werden. Es kann nach Schlaganfällen solche Schmerzen geben und bei Entzündung.

    In ihrer Arbeit stellen Ulf Baumgärtner und Thomas Klein eine einfache Methode vor, Mechanismen von Nervenschmerzen näher zu charakterisieren. Durch Berührung der Haut über dem schmerzhaften Gebiet und durch Nadeltests lässt sich herausfinden, ob ein Patient eher an Schmerzen durch eine Sensibilisierung zentraler Nervenzellen leidet oder an einer Störung der Reizleitungen zu den zentralen Nervenzellen. Bei einer Sensibilisierung, so ihr Forschungsergebnis, ist die Schmerzschwelle im betroffenen Hautareal abgesenkt, bei einer Störung der Reizleitung ist die Schmerzschwelle erhöht.

    Die neue Erkenntnis ist, dass man also ganz verschiedene Schmerzursachen, sei es jetzt Zoster, Diabestes Schmerz nach Schlaganfällen, kategorisieren kann in diese zwei Gruppen, Überempfindlichkeit und Unterempfindlichkeit, das ist stark vergröbert natürlich dargestellt, Hyperalgesie und Hypalgesie. Und für die Hypalgesie macht man also einen Schmerz verantwortlich, das ist eine Spontanaktivität im geschädigten Nerven, die dann zu Schmerzen führt und die würde man anders behandeln als eine Schmerzüberempfindlichkeit aufgrund von zentraler Sensibilisierung.

    Ärzte können nun bereits nach einfachen Hauttests die richtige Therapieform bestimmen. Ulf Baumgärtner und Thomas Klein haben es als erste in der Praxis ausprobiert.

    "In Zukunft gehen wir davon aus, dass durch diese Methoden Patienten gezielter untersucht werden können auf die Ursache der neuropathischen Schmerzen und damit eine gezielte Behandlung möglich wird und nicht, dass man mal dies und das probiert, sondern, dass man zwei Oberbegriffe hat und darauf gezielt Medikamente verordnen kann.

    Beckenboden- und Genitalschmerz, Schmerzgedächtnis aus psychologischer Sicht, Schmerztherapie nach Schlaganfall, auch die neusten Forschungsergebnisse über Kopfschmerzen wurden auf dem Kongreß in Münster vorgestellt. Privatdozent Dr. Stefan Evers, Leiter der Kopfschmerzambulanz der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Münster, zum Thema Migräne:

    Auf dem Kongress werden zum einen vorgestellt die allerneusten Erkenntnisse zu den chemischen Reaktionen, die während einer Migräneattacke ablaufen. Dort ist z. B. in den letzten Jahren entdeckt worden, dass ein ganz kleines Molekül, das so genannte Stickstoff Oxid, NO, eine ganz entscheidende Rolle spielt bei der Migräneauslösung und bei der Weitervermittlung von Schmerzen. D. h. wir haben erkannt, dass der zentrale Botenstoff um dem Gehirn den Schmerz zu melden, dieses kleine Molekül ist.

    Stickstoff Oxid. Das Molekül hat im menschlichen Körper eine Fülle von Funktionen, die noch gar nicht alle entdeckt sind. Produziert wird es z. B. in Gefäßwänden es und im Herzmuskel, und - mit einer anderen chemischen Vorbereitung - auch an Nervenzellen:

    Dieses NO ist ein Stoff, der sehr vasoaktiv ist, der z. B. Gefäße sehr weit machen kann. Und wir wissen, dass Migräneattacken mit weiten Gefäßen einhergehen, das ist zwar nicht notwendig die Voraussetzung für Migräne aber es ist möglich, ein Symptom, ein Produkt der Migräne. Dann wissen wir, dass NO die Ausschüttung von Entzündungssubstanzen beeinflusst, also beschleunigt und begünstigt. Und das wissen wir von der Migräne, dass während einer Migräneattacke, sich die Gefäßwände im Gehirn entzünden, das ist auch der eigentliche Ort des Schmerzes, dort tut es weh.

    Doch wie führt das Stickstoff Oxid dazu, dass sich die Gefäßwände entzünden? Eine der Fragen, die die Wissenschaftler in der Stickstoff Oxid-Foschung stellen.

    Man entdeckt gerade, welche Signalwege eine Rolle spielen also wir entdecken zunehmend, welche intrazellulären Transporter oder Botenstoffe durch NO angeregt werden. Also das ist eine wirklich Forschung im Fluss, zur Zeit, wir wissen worum es geht, was es für eine Bedeutung hat, kennen aber die einzelnen Schritte noch nicht. Das ist ganz aktuelle Forschung, das kann man im einzelnen noch gar nicht sagen.